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Fedor heißt der Held der ersten Geschichte mit dem Titel „Fire Rain“. Fedor ist ein Gejagter. Er trägt ein T-Shirt mit einem weißen Hasen auf schwarzem Grund.

Noch weiß er nicht, ob das der Grund für die Verfolgung ist. Fest steht, Zyklopen sind hinter ihm her. Begonnen hat die Verfolgungsjagd in einem Einkaufszentrum in der Neunundfünfzigsten. Wir befinden uns also in New York. Oder doch nicht? Jedenfalls ist in dieser Straße gerade ein besonders feistes Zyklopen-Exemplar hinter unserem Helden Fedor her und macht Hatz auf ihn: „Innerhalb kürzester Zeit vibrierte die Luft vom Knattern der Motoren“. Dürfen wir gespannt sein, auf das, was folgt? Oder sollten wir dieses Erstlingswerk in dieser literarischen Kategorie besser gleich wieder aus der Hand legen?

 

Laut Verlag werden uns zwölf Kurzgeschichten geboten, die Folgendes sein sollen: „grotesk-humorvoll, futuristisch-bizarr, aber immer unterhaltsam: Streiflichter auf absurd-phantastische Welten und Einblicke in die Abgründe des Menschseins“.

 

Der Duft der Zuckerpflanze COVERUnterhaltsam mögen die Geschichten für den einen Leser oder die andere Leserin vielleicht sein, in sprachlicher Hinsicht jedoch ist das Erstlingswerk in diesem Genre des 1974 in Hamburg geborenen Autors und Lehrers sowie ehemaligen Kunststudenten Jörg Petersen leider kein Meisterwerk. Nehmen wir ein paar Beispiele, die zu Beginn der ersten Geschichte nachzulesen sind und sich ähnlich banal und brutal fortsetzen. Solche Stellen ziehen sich durch das ganze Buch. Motoren stottern, kalter Schweiß steht auf der Stirn, jemand bleibt keuchend liegen, stolpert wenig später würgend voran, erbricht sich lautstark etc. Das Wort Scheiße kommt auf den ersten zehn Seiten der Eingangsgeschichte gleich dreimal vor.

 

Immerhin taucht in „Fire Rain“ bald ein Mädchen aus der Dunkelheit auf, die recht hübsch zu sein scheint. Das stimmt hoffnungsvoll, doch die Hoffnung wird enttäuscht. „Sie hat schimmernde, grüne Haut, trägt eine enganliegende schwarze Lederhose und schaut ihn (Fedor) mit großen, mandelförmigen Augen an. Fedor hat so ein Wesen noch nie gesehen.“ Kafka lässt grüßen. Ganz direkt geschieht dies in einer anderen Geschichte mit dem Titel „Wiedergeburt“. Hier taucht ein „Käfer als Reinkarnation von Kafka“ auf, wie es auf der Verlagsseite zum Buch heißt. Das liest sich dann so: „Der Käfer lachte schallend: ‚Kafka? Keine Ahnung, wer ich früher war. Vielleicht bin ich ja die Reinkarnation von Adolf Hitler. Wer weiß das schon? Auf jeden Fall weiß ich, dass die Kafka-Masche bei dir gezogen hat. Das ist schließlich die Hauptsache; ihr Akademiker seid doch alle gleich. Und jetzt: Adios, Amigo!‘ Sprach’s und wandte sich ab, wie jemand, der mit seinem Lachen allein sein möchte.“

 

Kafka oder dessen Reinkarnation ist es leider nicht, der hier zu uns spricht. Tja, Liebe allein genügt bekanntlich nicht. Das gilt auch hier. Ein junger Autor, der anscheinend Kafka verehrt, vielleicht sogar liebt, ist leider nicht unbedingt ein guter Autor. Wer aber Lust verspürt auf Froschgesichter und „reptiloide“ Mutanten wie Mumpa, „dessen mit Runzeln und Pocken übersäter Krötenkopf auf einem unförmigen Körper sitzt“, der mag hier richtig sein.

 

Ich bin es nicht, ich bin verwirrt, habe mich verirrt, aber nicht geirrt. Jedenfalls nicht, was meine Lesegewohnheiten betrifft. Es muss nicht immer Kafka sein, aber Kafka kann eben auch nicht jeder. Belletristik, die sogenannte unterhaltende schöngeistige Literatur, geht anders. So jedenfalls nicht!


Jörg Petersen: Der Duft der Zuckerpflanze und andere fiese Geschichten

Verlag Emmerich Books & Media 2021

Covergestaltung: Beate Rocholz / Bildquelle: shutterstock.com

Taschenbuch, eBook

ISBN: 9798718782462

Leseprobe 

 

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