Kultur, Geschichte & Management
Kunstbesitz. Kunstverlust. Objekte und ihre Herkunft Foto Claus Friede

Es gibt viel zu tun – noch sehr viel! Vielleicht auch deswegen der recht pragmatische Titel eines Gemeinschaftsprojekts der Häuser der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden: „Kunstbesitz. Kunstverlust. Objekte und ihre Herkunft“.

Es geht schlicht um geraubte, abgepresste, zweifelhaft erworbene, unterschlagene und erbeutete Kunst- und Kulturwerke sowie -objekte. Angefangen von der Kolonialzeit über die diversen Kriege seither, befinden sich – und das gilt für viele Länder und Nationen – Werke in öffentlichen und privaten Sammlungen, die eigentlich anderen gehören. Wer die jeweils sind, ist teilweise nur sehr mühevoll – wenn überhaupt – herauszufinden. In den Museen spricht man von Provenienzforschung und da verraten die Rückseiten von Bildern oder die Unterseiten von Objekte sowie Akten voller Papiere, historische Kataloge und Publikationen oft mehr, als die Kunstwerke selbst.

Dresden mit seinen ungeheuren Kunstschätzen ist da ein gutes Beispiel und noch beispielhafter ist die Art und Weise der öffentlichen Präsentation von jenen Bildern und Objekten, deren Herkunft zu erforschen ist, natürlich eingebunden in die Dauerausstellungen. Die Ergebnisse und Recherchen finden sich nun, seit gut einem Jahrzehnt Forschung, an diversen Orten im Residenzschloss Dresden, in der Gemäldegalerie Alte Meister, im Porzellanmuseum sowie im Albertinum. Mal sind es Werke, die in der Sammlung entsprechend markiert sind, mal sind extra Räume mit zusammengestellten Werken und Vitrinen präsentiert. Außerdem bedeutet Werkforschung auch die Erkundung der eigenen Institution und der dort wirkenden Protagonisten – immerhin werden in Dresden seit dem 16. Jahrhundert die Museen befüllt und die Werke archiviert. Der Schwerpunkt der Provenienzforschung liegt klar auf dem 20. Jahrhundert und so sind an den Ausstellungsstationen und im Begleitheft folgende Kapitel zu finden:
1. Sonderauftrag Linz. Adolf Hitler ernannte im Sommer 1939 den Dresdener Galeriedirektor Hans Posse zum Sonderbeauftragten, um für das sogenannte „Führermuseum“, im österreichischen Linz, Kunstwerke auszuwählen. So wurde die Stadt an der Elbe zu einem Zentrum des europäischen Kunstraubs durch NS-Größen und -Institutionen.

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2. NS-Raubgut. Die „Washingtoner Prinzipien“, abgeschlossen und unterzeichnet 1998 von 44 Staaten und nicht-staatlichen Organisationen, regelt den „Umgang mit Vermögenswerten aus der Zeit des Holocausts“. Dem „unrechtmäßigen Entziehen“, so der Fachterminus", stehen nachweisbare Fakten und faire sowie gerechte Lösungen gegenüber. Rückführung von Werken an Geschädigte, vor allen an jüdische Privatpersonen und Institutionen steht auf der moralischen Selbstverpflichtung der Unterzeichner.
3. Schlossbergung. Die sowjetische Besatzungsmacht hatte anlässlich der Bodenreform in deren Zone nicht nur landwirtschaftliche Flächen, Immobilien und Inventar beschlagnahmt, sondern auch Schlösser und Herrenhäuser mit allem, was sich darin befand u.a. auch Kunstsammlungen, Archive und Bibliotheken. Allein in Sachen waren dies 1.155 Gebäude. Ziel war es die Werke zu veräußern, sofern sie nicht museumwürdig waren.

4. DDR-Recht/-Unrecht. Auch in der Zeit der DDR gab es aus heutiger Sicht viele Rechtsverstöße, auch wenn das DDR-Recht damals die Absurdität kaum wahrnahm und dem System Willkür und Machtmissbrauch innewohnte. Es gab viele Gründe, Personen Eigentum zu entziehen. So durften Flüchtlinge und legal Ausreisende keine Kunstwerke in den Westen nehmen. Die Enteignungen dienten in erster Linie dazu, Devisen zu beschaffen, in dem man die Kunstwerke auf die internationalen Auktionen brachte. Darüber hinaus versuchte die SED-Führung sogar Depotbestände aus den staatlichen Museen der DDR zu Devisen zu machen.

Jedes Bild, jedes Objekt ist in der Ausstellung gekennzeichnet und erläutert kurz zweisprachig (dt./engl.) die Hintergründe und den Forschungsstand. In Vitrinen sind weitere Dokumente – Briefe, Schriften, Kataloge etc. – zu finden. Anhand von einigen Beispielen lassen sich die Eigentumsverhältnisse und Rechtsbruchfälle gut nachweisen:
Das Aquarell von Rudolf von Alt (1812-1905) aus dem Jahr 1846 „Blick auf den Stephansdom in Wien vom Graben aus“ war ein Geschenk von Kaiser Franz Joseph an den Prinzen Johann Georg von Sachsen und kam 1916 nach Dresden. Im April 1940 wurde es versteigert und wurde für den „Sonderauftrag Linz“ angekauft. Seit 2005 ist es per Vermögenszuordnung im Bestand der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD).

Bemerkenswert ist ein weiteres Bild von Bernardo Datti (1295-1348). Das auf Holz gemalte Werk war im Eigentum des Prinzen Borghese in Paris und wurde 1943 vom Kunsthistoriker Erhard Göpel (1906-1966) und dem Kunsthändler Victor Mandl für den „Sonderauftrag Linz“ erworben. Obwohl die kleine Bildtafel rückseitig viele Markierungen, Nummerierungen, handschriftliche Hinweise etc. aufweist, lassen sich die Vorbesitzer nicht ermitteln.

Ein Werk eines großen Meisters kehrte 1959 in seine Sammlung zurück: Lucas Cranach d.J. hatte das „Bildnis eines Mannes“ 1544 gemalt. 1917 kauften es die Kunstsammlungen Dresden aus der Sammlung von Richard v. Kaufmann, Berlin. Während des Zweiten Weltkriegs kam es in die Albrechtsburg nach Meißen, danach wurde es ausgelagert in den Kalksteinbruch von Pockau-Lengefeld im Erzgebirge, danach war es verschollen, bis es 1958 im Auktionshaus Christie’s in London auftauchte.

10 Jahre „Daphne-Projekt“ in Sachsen, 20 Jahre „Washingtoner Erklärung“ und 60 Jahre Rückkehr vieler Kunstwerke aus der Sowjetunion nach Dresden sind gute Anlässe Bilanz zu ziehen und das Ergebnis kann sich sehen lassen. Jedoch, es gibt weiterhin viel zu tun mit der Provenienz.

Kunstbesitz. Kunstverlust. Objekte und ihre Herkunft

Zu sehen bis 25. März 2019
In den Staatliche Kunstsammlungen Dresden
Abteilung Forschung und wissenschaftliche Kooperation und Daphne-Projekt
Weitere Informationen
Online Collection der 58 zusammengetragenen Werke

Begleitheft mit 78 Seiten, Texten und Abbildungen
ISBN: 978-3-00-061135-3

Grundsätze der Washingtoner Konferenz in Bezug auf Kunstwerke, die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt wurden (Washington Principles)

Weitere Informationen zur Forschung in Museen (Daphne-Projekt – Recherche-, Erfassungs- und Inventurprojekt für die rund 1,2 Millionen Objekte im SKD-Bestand)


Abbildungsnachweis:
Header: Blick in den Ausstellungsraum im Albertinum. Foto: Claus Friede
Galerie:
01. Begleitheft zur Ausstellung
02. Blick in die Ausstellung (Residenzschloss). Foto: Claus Friede
03. Rudolf von Alt (1812-1905) „Blick auf den Stephansdom in Wien vom Graben aus“, 1846, Aquarell, weiß gehöht, über Bleistift (Ausstellungssituation). Foto: Claus Friede
04. Bernardo Datti (1295-1348) „Enthauptung der heiligen Reparata“, um 1345, Tempera auf Holz (Ausstellungssituation). Foto: Claus Friede
05. Rückseite. Foto: Claus Friede
06. Blick in die Ausstellung (Sammlung Alte Meister). Foto: Claus Friede
07. Carl Christian Vogel von Vogelstein (1788-1868) „Junge Dame mit Zeichengerät – Gräfin Thekla, geb. Weyssenhoff“, 1816, Öl auf Leinwand.
08. Lucas Cranach d.J. (1515-1586) „Bildnis eines Mannes“, 1544, Öl auf Buchenholz. Rechts: Rückgabe 1959 in die Gemäldesammlung.
09. Julius Scholtz (1825-1893) „Großmutter und Enkelin“, 1863, Öl auf Leinwand und Bildlegendentafel. Fotos: Claus Friede
10. Seite aus dem Begleitheft mit Objekten aus dem Porzellan Museum.
11. und 12. Verluste, verlorene Werke, Tafeln im Treppenaus Albertinum. Fotos: Claus Friede.

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