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Vom 2. Juli bis 23. Oktober 2022 lädt die 4. Art Safiental Biennale zum freien Erwandern und Erleben zeitgenössischer Landschafts- und Umweltkunst ein. Nach New Land Art (2016), Horizontal – Vertikal (2018) und Analog - Digital (2020) lautet das Motto für 2022: Learning from the Earth (Von der Erde lernen). 15 Werke von Schweizer und internationalen Kunstschaffenden setzen sich kritisch mit der Gegenwart auseinander und schlagen Alternativen zu den aktuellen Entwicklungen und Umwälzungen vor. Was sind unsere Beziehungen zur Erde? Was können wir von ihr lernen, und was macht uns zu Menschen? Die Freilicht-Ausstellung erstreckt sich über die ganze, gut 150 km2 umfassende Gemeinde Safiental im Naturpark Beverin, zieht sich also über 25 Kilometer von der Rheinschlucht bis zuhinterst und hinauf ins Steinbockgelände hoch über dem Tal. Organisiert wird die Biennale vom Institute for Land and Environmental Art (ILEA) unter der Trägerschaft des Naturparks Beverin und in Kooperation mit der Gemeinde Safiental und Safiental Tourismus.

 

Die Erde gibt uns Leben, Halt, Heimat und Perspektiven. In allen Kulturen wurde und wird sie verehrt. Und doch… Für Art Safiental-Gründer und Kurator Johannes M. Hedinger drängte sich angesichts der Klimaveränderungen und der planetaren Krisen eine vertiefende Auseinandersetzung mit der Erde auf. Die eingeladenen Kunstschaffenden werden die Besuchenden mit ihren Werken, Kommentaren und Vorschlägen dazu inspirieren, von der Erde zu lernen. Was kann Kunst dabei leisten? Hedinger erläutert es so: «Learning from the Earth fordert nicht nur auf, auf den Klimanotstand zu reagieren, die Kunstprojekte zeigen auch alternative, teils vergessene oder verlernte Möglichkeiten auf, wie wir mit der Erde in Dialog treten und von ihr lernen können. Im Kern behandeln die Werke Themen wie Nachhaltigkeit, Biodiversität und die Natur im Allgemeinen, aber auch Aspekte wie die Mensch-Tier-Pflanzen-Hierarchie, Holismus und Kosmologie werden adressiert. Es wird gezeigt, wie wir eine ökologischere und gerechtere Zukunft gestalten können. Neben formalen und ortspezifischen Umsetzungen, enthalten die Werke oft auch prozessuale und transdisziplinär-forschende Teile und zeigen die tieferen Beziehungen zu Systemen und Phänomenen in Bezug auf die sozialen und kulturellen Aspekte des Klimawandels auf. Die Kunstprojekte sind sowohl Kampagne, Methodik und Intervention.»

 

Learning from the Earth ist sowohl eine Ausstellung über den Wandel als auch ein Katalysator für den Wandel. Die Ausstellung, wie auch der begleitende Ausstellungsführer, die ebenfalls diesen Sommer stattfindende 4. Alps Art Academy, das Symposium ILEA TALKS aber auch die Forschungsprojekte des ILEA Institutes befassen sich dabei weniger mit Skalierbarkeit, sondern mehr mit Multiplizierbarkeit. Es gibt keine Einzellösung für ein so komplexes und vielschichtiges Problem wie die Klimakrise. Learning from the Earth spiegelt diese Vielschichtigkeit wider. Die Ausstellung ist ein Aufruf zum Handeln und lädt ein, gemeinsam auf eine sich verändernde Welt zu reagieren und sich mit Zukunftsvisionen in all ihren wissenschaftlichen und künstlerischen Verästelungen auseinanderzusetzen.

 

Zur Ausstellung erscheint eine Info-Karte in Kooperation mit Transhelvetica und ein Ausstellungsführer, herausgegeben vom ILEA und verlegt vom Vexer Verlag St. Gallen/Berlin. Organisiert wird die Art Safiental Biennale vom ILEA (Institute for Land and Environmental Art) unter der Trägerschaft des Naturparks Beverin und in Kooperation mit der Gemeinde Safiental und Safiental Tourismus. Kurator der Ausstellung ist Johannes M. Hedinger. Administrative Leitung: Benedikt Joos. 

 

Die Kunstprojekte und Kunstschaffenden der Art Safiental 2022

Bei der Zusammenstellung der diesjährigen Künstlerliste wurde wiederum ein inklusives Verhältnis verschiedener Aspekte wie unterschiedliche Herangehensweisen, Gender, Alter, Herkunft und regionaler Bezug angestrebt. Nebst international arrivierten Kunstschaffenden sind mehrere vielversprechende regionale und nationale Newcomer bei der Art Safiental 2022 vertreten, und dies im Alter zwischen 25 und 80 Jahren. Über die Hälfte der Kunstpositionen sind Duos oder Gruppen, was auch den kollektiven und teilhabenden Charakter vieler der Projekte spiegelt. Viele der Projekte sind zudem hochgradig trans- und interdisziplinär und haben prozessuale oder partizipative Elemente.  

 

Wenn Kunst und Wissenschaft sich in unterschiedlichen Medien vermischen, werden Umweltthemen auf eine zugängliche Art und Weise erfahrbar. Nach diesem Prinzip arbeitet etwa der Zürcher Marcus Maeder. Im Rahmen des am ILEA Institute in Tenna angesiedelten öko-akustischen Forschungsprojektes «ACLA» installierte er im Sommer 2021 an drei Standorten im wilden Naturwaldreservat Aclatobel Aufnahmegeräte, welche seither die Mikroklima- und Umweltgeräusche aufzeichnen. In einem aus Holz gebauten Horchposten werden die Besuchenden die «Soundscape» des Aclatobels, wie auch Biodiversität und den Klimawandel interaktiv erleben können.

 

Das Rechercheprojekt Lithic Alliance von Daniel V. Keller aus Brüssel und Zürich erprobt in seinen Installationen neue Formen der Interaktion zwischen Menschen, Umwelt und Materialien. Im Safiental hat sich das Kollektiv den verfallenden Acla-Tunnel ausgesucht und installiert in dieser akustisch interessanten Umgebung ein bespielbares Lithophon, also steinerne Klangkörper. In dieser teilnehmenden Aktion verbinden sich die Besuchenden für einen kurzen Moment mit den lokalen Steinen und diesem Ort. 

 

Ebenfalls mit Klängen der Natur arbeitet das Sound Kite Ensemble. An mehreren Tagen werden ihre Klangdrachen in den Safientaler Himmel steigen und mittels 30 Meter langer Klaviersaiten, die am Boden in Resonanzkörper münden, die Töne des Windes einfangen. Diese werden die Besuchenden via Bluetooth-Kopfhörer live miterleben können. Die genauen Termine und Orte werden auf der Website kommuniziert.

 

Das Paar Gerda Steiner & Jörg Lenzlinger aus Langenbruck lädt um Tenna auf zwei Liegen ein, um sich und den Augen einen erholsamen Moment zu verschaffen: in einem abgelegenen Waldstück in Ausserberg und in einem Stall in Innerberg sind Hängebetten installiert, auf denen man sanft schaukelnd seine Augen auf unterschiedliche Arten erfrischen kann. Ausserdem hat das Künstlerduo unter dem Namen «Ackergold» eine Nutzfläche in Tenna angelegt, die sich im Laufe des Sommers zu einem pflanzlichen Gesamtkunstwerk entwickelt.

 

Das Bündner/Walliser Künstlerduo Badel/Sarbach (Jérémie Sarbach und Flurina Badel) zeigt in einem rund 100 Meter langen Servicestollen der Zervreila-Wasserkraftwerke in Safien-Platz eine Video-Installation und Hängeskulpturen. Im Zentrum ihres neuen Films «Lost Waters & Found Stairs» steht die poetisch-philosophische Annäherung an den sich stets verändernden Lebensraum Fluss. Diese wird, kombiniert mit einem wissenschaftlichen Fischmonitoring, zu einem vielschichtig, multiperspektivisch und kollaborativ gestalteten Kommentar im aktuellen Diskurs über unser Natur-/Kultur-Verhältnis.

 

Die Zürcher Videokünstlerin Ursula Biemann präsentiert in der alten Säge in Tenna ihren mehrfach ausgezeichneten Film «Forest Law» zur Kosmo-Politik und die Rechte des Waldes im Amazonasgebiet. Thema ist der Kampf um die Ressourcen des Regenwalds und die lokalen indigenen Völker, die als erste von den eintretenden Umweltschäden betroffen sind. Der desaströsen Ausbeutung wird eine Weltsicht entgegengestellt, die sich auf den “Naturvertrag" (Michel Serres) bezieht, bei dem alle Akteure der Erde, also Tiere, Pflanzen und Menschen als gleichberechtigt akzeptiert werden.  

 

Die !Mediengruppe Bitnik interveniert mit einem klimapolitischen Statement auf der Alp Brün. Auf die Frage «Hat die Schweiz ihre Klimaziele erreicht?» antwortet das in Berlin lebende Künstlerduo kurz aber deutlich mit NEIN. Die aus einheimischen Bäumen gefertigte, freistehende Skulptur soll uns so lange daran erinnern, bis die Klimaziele des Bundes erfüllt sind und das Mahnmal in ein JA umformuliert werden kann. Parallel zeigt eine klimaneutral betriebene Website dieses Bild weltweit.

 

Die Westschweizer Performance- und Installationskünstlerin Saskia Eden wird sich wortwörtlich in die Erde hineinbegeben und sich mit dem "Wood Wide Web" im Bawald in der Nähe von Thalkirch verbinden. Eingegraben in den Waldboden und in ein Kleid aus Brennnesseln gewandet, wird sie sich langsam aus dem Erdreich befreien und dabei mit drei Bronze-Händen (von sich, ihrer Tochter und ihrer Mutter) interagieren, die für die Weitergabe zwischen den Generationen stehen. Das Video zur Aktion ist im Vorraum der Kirche Thalkirch und auf der Biennale-Website zu sehen.

 

Das Zürcher Duo Simon/Odermatt, das zum Ende der letzten Art Safiental seinen in der Alps Art Academy gebauten Schlitten fliegen liess, kommt zurück, und wieder geht es hoch hinauf: Auf der Via Capricorn, zuhinterst im Safiental auf rund 2500 m ü. M., werden die Künstler in einen spielerischen Dialog mit der dort angesiedelten Steinbockkolonie treten. Wem dieser Pfad zu steil und zu weit ist, besucht den unten im Tal in einem Stall eingerichteten Pavillon, wo die von den Steinböcken in den letzten Jahren abgewetzten Wanderwegmarkierungen des hochalpinen Wanderwegs ausgestellt sind. 

 

Auch dieses Jahr wird die Bergkanzel des Künstlerduos Com&Com (Marcus Gossolt & Johannes M. Hedinger) an einen neuen Ort zurückkehren. Die begehbare und mit einem Gästebuch ausgestattete, partizipative Skulptur wird diesen Sommer bei Isla auf dem Wanderweg zwischen Valendas und Versam auftauchen und den Blick in die Rheinschlucht und deren schwarzes Loch frei geben. An ihren früheren Standorten beim Wasserfall Z’hinderst (2016), hoch über der Schlucht in Versam (2018) und zuletzt auf dem Glaspass (2020) wurde die Kanzel immer wieder auch aktiviert, sei es durch Reden, eine Taufe samt Pfarrer oder für ein betagtes Ehepaar als Ort eines letzten Abschieds vom geliebten Safiental.

 

Der indische Künstler Dharmendra Prasad verbringt dank einer Kooperation mit Pro Helvetia drei Monate in der ILEA-Residenz in Berghotel Alpenblick in Tenna und wird vor Ort eine Begegnungsstätte erschaffen. Diese partizipative Installation aus lokalen Recycling-Materialien, die verschiedene Geschichten zum Ort, dem Tal und seinen Menschen erzählt, wird ganz individuell auf das Ausstellungsthema eingehen. 

 

Der in Berlin lebende Künstler Julius von Bismarck verpflanzte in seiner Aktion «Bäume ohne Grenzen» eine Lärche aus der Mitte des Tales über die lokale Baumgrenze. Der auf den Tomülpass umgesiedelte Baum ist als Langzeitprojekt angelegt. Er ist Kommentar, Studie und eine Vorhut für kommende Bäume, denn auch in den Alpen steigen Temperaturen und Baumgrenzen seit Jahren rasant an. 

 

Die Spanierin Lara Almarcegui kollaboriert mit dem im Tal ansässigen Kieswerk und macht die Transformationsprozesse von (Erd-)Material sicht- und erlebbar. An ausgewählten Tagen kann das Publikum das zu diesen Zwecken stillstehende Werk besuchen und zwischen den ruhenden, von Wasser und Natur geformten Materialien wandern, ehe es Teil eines neuen Konstruktionsprozesses wird. 

Ebenfalls um Materialreflexionen geht es bei der Textarbeit des in Nizza wohnhaften Altmeisters Ben Vautier. Sein Remake der historischen Texttafel «Terrain Vague» aus den 1960er-Jahren erscheint an zwei Orten im Tal, um den Blick auf sich im Wandel befindende Zwischenorte zu lenken. Denn auch die rurale Landschaft ist in ständigem Umbruch und voller Potenziale für Neues. 

 

Weitere Kunstprojekte und Kooperationen

In Kooperation mit der Biennale Art Safiental und dem ILEA (Institute for Land and Environmental Art) werden diesen Sommer weitere Projekte im Tal zu erleben sein: 

In Valendas wird in Kooperation mit dem Klimapavillon aus Zürich und MYBLUEPLANET ein temporärer Klimapavillon Safiental eingerichtet. Darin befindet sich für die Dauer der Biennale ein «Bring & Hol»- Tauschpavillon, wohin man bringen kann, was andere noch brauchen können und holen darf, was gefällt. Damit die Dinge länger leben! 

Die neu entstandene «Kunst Garage Versam» zeigt zur Eröffnung zwei Mitglieder des Betreiber-Kollektivs: Piera Buchli und Luc Isenschmid bauen eine Installation zum Thema Solarenergie. Später sollen hier weitere Kunstschaffende ausstellen; ebenso ist ein Residenz-Programm in Planung. 

Mit der Schweizerischen Post wurde nach einer Idee des Künstlers H.R. Fricker ein Kunstwettbewerb für Kinder aus der ganzen Schweiz im Alter von sechs bis 13 Jahren ausgeschrieben. Passend zum Biennale-Thema «Learning from the Earth» haben die Kinder Briefumschläge gestaltet und ins Safiental geschickt. Diese werden im Berghotel Alpenblick in Tenna zu sehen sein. Juriert wurde der Wettbewerb von der Gesamtschule Tenna, die ihrerseits Zeichnungen zum Thema «Erdschichten» erstellt hat, welche im Haus Signina in Versam gezeigt werden.

Im Berghotel Alpenblick in Tenna sind vom ILEA organisierte Indoor-Ausstellungen zu besuchen: Eine Research-Ausstellung zeigt Bild- und Filmmaterial zum ACLA-Projekt von Marcus Maeder, die Art Safiental Gallery präsentiert Fotografien von sämtlichen, in den letzten sieben Jahren im Safiental entstandenen Werken, und eine Audio-Station zum laufenden Oral History-Projekt «Safientaler Gespräche» lädt ein, den Lebensgeschichten der Safientalerinnen und Safientaler zu lauschen. 

 

Besuch und Vermittlung

Praktisch alle Werke der Art Safiental 2022 sind rund um die Uhr besuchbar und durch Wanderwege erschlossen. Teilweise kann man auch mit den öffentlichen Verkehrsmitteln oder dem Privatwagen hinfahren, respektive in die Nähe gelangen. Die meisten Werke bedürfen zwischen 10 Minuten und 2 Stunden Marschzeit. Ein Werk auf der Via Capricorn ist nur für erfahrene Alpinisten zu empfehlen, es sind 5 bis 6 Stunden Wanderzeit einzuplanen. Wer alle Werke der Biennale besuchen möchte, plant mindestens zwei Tage ein. 

Im Berghotel Alpenblick in Tenna kann man sich mit weiteren Informationen zur Biennale, den ausstellenden Kunstschaffenden und den anderen Departementen von ILEA eindecken. Eine Übersichtskarte mit Infos zu den Werken und praktischen Tipps ist ab dem 2. Juli erhältlich (online und als Faltkarte in allen Hotels, Restaurants und Info-Stellen im Tal). Ab Ende Juli ist zudem ein kleiner Katalog erhältlich.

 

Veranstaltungen 

Vernissage: Samstag/Sonntag, 2. und 3. Juli 2022 (siehe separates Detailprogramm)

Finissage: Samstag/Sonntag, 22. und 23. Oktober 2022

An vier Sonntagen finden geführte Rundgänge über die Art Safiental statt: 24. Juli, 14. August,  18. September und 9. Oktober 2022.  Anmeldung und Details zu weiteren Veranstaltungen unter www.artsafiental.ch

 

Quelle: Art Safiental

 

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