Meinung
125 Jahre Hansa-Theater

Es ist in Hamburg allgemein bekannt, dass Thomas Collien und Ulrich Waller zu Feiern verstehen – nicht nur die großen Geburtstage. Sonnenklar also, dass sie das Jubiläum ihrer geliebten „Schmuckschatulle“ am Steindamm nicht ohne Gala verstreichen lassen: „125 Jahre Hansa-Theater“ - da sprach sogar der Bürgermeister.

Kleine Lästereien und Seitenhiebe gehören ja immer dazu, wenn die beiden Chefs des St. Pauli Theaters auf der Bühne stehen. Und natürlich ließen sie es sich nicht nehmen zu erwähnen, dass die „Kulturbehörde in Urlaub“ sei, während Dr. Peter Tschentscher, Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg, seinen Urlaub extra unterbrochen hätte, um an diesem denkwürdigen Abend ein Grußwort zu halten.

125 Jahre – das ist schon eine Ansage. Als Paul Wilhelm Grell das Hansa-Theater am 5. März 1894 eröffnete, hatte Deutschland noch einen Kaiser und die beiden Weltkriege lagen in weiter Ferne. Das Varieté hat sie beide überlebt, so wie es auch das große Varieté-Sterben in den 50er Jahren überlebt hat. Aber es stand mehrmals hart auf der Kippe. Bevor Ulrich Waller und Thomas Collien das zauberhafte Theater 2009 wiederbelebten, lag es sieben Jahre in einem Dornröschenschlaf. Telse Meyer-Grell musste ihr Theater 2001 schließen. Doch sie bewahrte ihr museales Kleinod, den nostalgischen Charme aus Plüsch und Pomp von 1953, dem Jahr als ihr Mann Kurt Grell sein Theater, das er nach dem Krieg voller Herzblut wieder aufgebaut hatte, rundum erneuerte und zu einer Showbühne mit 491 Plätzen und integriertem Restaurant ausbaute. Seit 66 Jahren ist das Interieur nun unverändert – und genau deshalb lieben die Hamburger das Hansa so sehr. Schon der Portier, der den Gästen so freundlich die Tür aufhält, scheint aus der Zeit zu fallen, dann die roten Damast-Wände, die glitzernden Kristall-Lüster, die filigranen Messing-Gitter, die kleine Lämpchen und ovale Tischchen mit Klingelknöpfen, bei denen Bedienung gleich ein „Fräulein“ (oder Herr) herbeieilt. Der absolute Clou aber sind die Toiletten im Keller mit ihren teakholzvertäfelten Wänden und Drehtüren, die die BesucherInnen in eine längst untergegangene Welt katapultieren. Wie gut, dass das Hansa-Theater seit 2018 unter Denkmalschutz steht und dass es unter den neuen Besitzern, den Gebrüder Schommartz, eine dauerhafte Perspektive gibt – zumindest für die nächsten zehn Jahre. Man muss aber auch eine Person erwähnen, ohne die das Hansa-Theater jetzt sicher nicht sein 125. Geburtstag gefeiert hätte: Vivian Hecker, Marketingchefin des Hamburger Abendblatts und seit 2019 bei jeder Eröffnung Lebkuchenherzen verteilend, war es, die den beiden Theaterprofis Waller und Collien 2008 vorschlug, das Haus am Steindamm doch mal anzusehen und wieder in Betrieb zu nehmen. Wie gut, dass sich die beiden auf dieses Wagnis einließen. Das Hansa und Hamburg gehören einfach zusammen.

Zur Jubiläumsgala hatten die beiden übrigens einen Conférencier geladen, der ebenfalls ein wenig aus der Zeit gefallen zu sein scheint: Robert Kreis, bekennende Verkörperung der Unterhaltungskunst der 1920er und 1930er Jahre, ist am Klavier absolut unterhaltsam, doch seine Späße und Witze klingen mitunter doch sehr bemüht. Vor allem politische Witze, wie über Trump oder Merkel, sollte er besser jenen überlassen, die es wirklich drauf haben. Matthias Deutschmann zum Beispiel, der die begeisterten Gäste zwischen der tollen Akrobatik an diesem Abend wieder auf den Boden der politischen Realität holte.
Dreh- und Angelpunkt eines jeden Varietés sind natürlich die Artisten selbst und das waren sie auch bei dieser Gala. Das Jubiläumsprogramm aus Equilibristik und Kontorsion (Artistik, die mit Gleichgewichtssinn und schlangenartiger Bewegungen arbeitet), aus Jonglage, Schatten- und Puppenspiel hat Weltklasseniveau. Es ist doch immer wieder faszinierend, wie uns diese Künstler - ganz analog und ohne jeden digitalen Schnickschnack – im Handumdrehen verzaubern können. Allen voran die phänomenale Maria Sarach, Equilibristin aus Russland, die ihren Körper derart verbiegt, dass man schon vom Zuschauen Schmerzen bekommt. Ebenfalls großartig ihr Kollege Oleg Izossimov, der „Handstand-Caruso“, der – auf eine handtellergroße Fläche gestützt – seinen Körper in Slowmotion-Bewegungen minutenlang zu mitreißender Musik im Raum balanciert. Sensationell das Duo Kvas aus der Ukraine, Bei ihrer Kopf-auf-Kopf-Nummer stockt einem der Atem. Mit dabei auch Jongleur Claudius Sprecht aus der Schweiz, Schattenspieler Hans Davis und die Jongleure Pat und Gordon, die als Duo „Strahlemann & Söhne“ während der Jonglage die Anzüge wechseln. Sich also aus und wieder anziehen. Einfach irre, die beiden. Nicht zu vergessen natürlich Alex und seine singende und klavierspielende Puppe Barti. Bei jedem Gastspiel landet Barti auf dem Schoß von Peggy Parnass, die immer in der ersten Reihe sitzt und sich rettungslos in Barti verliebt hat. Auch das ist schon fast eine kleine Tradition im Hansa-Theater.

Hansa Varieté Theater
Steindamm 17, 20099 Hamburg
Weitere Informationen


Abbildungsnachweis:
Duo Kvas. Foto: Hansa Theater

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