Architektur
Frau Architekt Museum der Arbeit Hamburg

Architektur ist immer noch eine Männerdomäne, selbst heute, im 21. Jahrhundert.
Wie sich Frauen diesen Beruf erkämpft haben, was sie an hervorragenden Bauwerken geschaffen haben, das zeigt derzeit „Frau Architekt“, eine ebenso opulente wie aufschlussreiche Ausstellung im Museum der Arbeit zum Hamburger Architektur Sommer 2019.

Gibt es eine weibliche Architektur? Nein, meint Gesine Weinmiller (56), Chefin des Berliner Architekturbüros Weinmiller Architekten und Professorin an der HafenCity Universität Hamburg. „Herr und Frau Architekt bauen gute und schlechte Häuser gleichermaßen“. In einem Interview veröffentlicht in der Deutschen Bauzeitschrift (DBZ) kritisiert die erfolgreiche Architektin den Titel der vom Frankfurter Architekturmuseum übernommenen Schau („keiner wäre auf die Idee gekommen, „Herr Architekt“ zu machen. Das zeigt schon die Schieflage der Thematik“). Dennoch weiß sie nur zu gut, dass Architektinnen auf Baustellen oder bei hochkarätigen Architekturwettbewerben immer noch Exoten sind. Kleine Anekdote am Rande: Weinmillers Entwurf zum Umbau des Reichstages kam 1993 auf den zweiten Platz – knapp hinter dem Siegesentwurf von Sir Norman Foster, (von dessen bahnbrechendem Entwurf schließlich nur die gläserne Kuppel realisiert wurde). Bei einem offiziellen Termin mit dem britischen Star wurde die Architektin jedoch für dessen Sekretärin gehalten. Geschichten wie diese sind charakteristisch in der Branche. Jede der 22 hier porträtierten Architektinnen aus den vergangenen hundert Jahren hat im Laufe ihres Berufslebens diskriminierende Erfahrungen gemacht. Neben dem enormen Arbeitspensum und den ungeregelten Arbeitszeiten (gerade vor großen Wettbewerben), die die Vereinbarkeit von Beruf und Familie außerordentlich erschweren, ist der ständige Kampf um Augenhöhe mit den männlichen Kollegen sicher auch mit verantwortlich dafür, dass von den über 50 Prozent Architektur-Studentinnen an den deutschen Hochschulen lediglich knapp 20 Prozent ihren Beruf später auch tatsächlich ausüben. Man muss schon ein verdammt dickes Fell haben, um all die Anfeindungen und Herabsetzungen in der Männerwelt auf Dauer wegzustecken. Als Ingeborg Kuhler (76) als erste selbständige Architektin in Westdeutschland nach dem Zweiten Weltkrieg einen öffentlichen Prestigebau – das Mannheimer Technoseum – realisierte, zerrissen sich „die Herren Kollegen die Mäuler“ wie die ZEIT 1991 schrieb. Marlene Moeschke-Poelzig (1894-1985), studierte Bildhauerin und verheiratet mit dem renommierten Architekten Hans Poelzig (1869-1936) entwarf zwar 1930 das Poelzig-Wohnhaus im Berliner Westend, wurde aber bei der Berichterstattung darüber gnadenlos aus dem Bild geschnitten. Wahrscheinlich konnten sich die damaligen (männlichen) Blattmacher und Layouter einfach nicht vorstellen, dass die Frau, die auf dem ursprünglichen Foto noch prominent am linken Rand im Vordergrund sitzt, die Planerin und somit Hauptperson im illustren Herren-Reigen war.

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In der großangelegten Schau, die das Museum der Arbeit mit den Projekten der Hamburger Architektin Sibylle Kramer um einen lokalen Aspekt erweiterte, wird jede Architektin mit Biografie, Porträtfoto und einer Auswahl der bedeutendsten Arbeiten vorgestellt. Jede einzelne von ihnen steht exemplarisch für ihr jeweiliges Milieu sowie unterschiedliche politische und fachliche Strömungen. Die Zu- und Einordnungen werden schon in den Überschriften deutlich: „Emilie Winkelmann (1875-1951) – Die erste Architektin“, Victoria zu Bentheim und Steinfurt (1887-1961) – Die Prinzessin“, Lotte Cohn (1893-1983) – Die Zionistin“. „Gerdy Troost (1904-2003) – Hitlers Gestalterin“, Karola Block (1905-1994) – Die Kommunistin“.

Erstaunlich, was die vorgestellten Architektinnen alles geleistet haben, erschreckend, wie unbekannt sie (selbst in Fachkreisen) geblieben sind. Und noch etwas fällt auf bei dem Rundgang durch 100 Jahre Architekturgeschichte: Die Frauen, die sich durchsetzen konnten, erfüllten oftmals bestimmte Voraussetzungen: Entweder sie waren von Haus aus privilegiert. (So besaß der Großvater von Emilie Winkelmann beispielsweise eine Baufirma). Oder sie fanden früh bereits renommierte männliche Partner, mit denen sie sich zusammenschlossen. Oder sie lebten und arbeiteten in der DDR, die der jungen Bundesrepublik in Bezug auf berufliche Gleichstellung der Frau einiges Voraus hatten. Häme, Neid und Konkurrenz gab es allerdings auch dort, jenseits der Mauer. Eine bekannte DDR-Architektin soll einmal im Blaumann und völlig unvorbereitet zur Einweihung eines ihrer Gebäude erschienen sein – weil ihr die männlichen Mitarbeiter absichtlich ein falsches Eröffnungsdatum genannt hatten.

„Frau Architekt“

Die Ausstellung ist bis zum 8. September 2019 im Museum der Arbeit, Wiesendamm 3, in 22305 Hamburg zu sehen.
Geöffnet: Mo 10-21 Uhr, Dienstag geschlossen, Mi-Freitag 10-17 Uhr, Sa und So 10-18 Uhr.
8,50 € Eintritt, ermäßigt 5 €.
Weitere Informationen

Zur Buchrezension Frau Architekt in der DBZ


Abbildungsnachweis:
Header: Mitarbeiterinnen des Mannheimer Büros Ingeborg Kuhler, 1986, Foto Marina Auder
Galerie:
01. M. Schütte-Lihotzky, Porträt Lino Salini, 1927, Foto DAM
02. Elisabeth von Knobelsdorff und Therese Mogger, 1909/10, Foto: I. Weber-Pfleger
03. Marlene Moeschke-Poelzig beim Richtfest 1930, Foto Erbengemeinschaft Moeschke-Poelzig
04. Titelbild Scherls Magazin, Zeitschrift aus dem Jahr 1931
05. Architektin Iris Dullin-Grund, Titelblatt Die Frau von Heute, 1961, Foto DAM
06. Iris Dullin-Grund auf der Baustelle 1984, Foto: Hans Wotin
07. Gesine Weinmiller, Bundesarbeitsgericht Erfurt, 1995-1999, Bild: André Rival.

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