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Filmfest Hamburg


Als dann aber 1982, auf der documenta 7, das Erntedankfest der neuen Malerei gefeiert wurde ­da war Julian Schnabel doch die Ausnahme. Denn in dieser Weltausstellung der Kunst, auf der Gleichaltrige wie Dokoupil oder Salomé zu sehen waren, Keith Haring oder David Salle, fehlte ausgerechnet der Kün­stler, der damals international am meisten diskutiert wurde: Julian Schnabel. Was die anderen Trendausstellungen der 1980er Jahre angeht – A New Spirit in Painting, Zeitgeist oder Westkunst – so war Schnabel natürlich auf ihnen vertreten und also keine Ausnahme.

Aber er gehörte dann wiederum zu den Ausnahmen, weil ihm der Erfolg auf dem Kunstmarkt treu blieb. Das unterscheidet ihn von anderen overnight sensations seiner Generation, von denen einige ihre Ateliermiete später nicht mehr zahlen konnten oder inzwischen von Hartz IV leben, falls sie sich nicht auf eine Akademieprofessur hatten retten können; ich nenne keine Namen.

Was Julian Schnabel aus seiner Generation aber als ganz besondere Ausnahme hervorhebt, ist, was er aus seinem Erfolg als Maler machte. Denn er löste ein Versprechen ein, das andere in seiner Generation zu früh abgegeben hatten, um es erfüllen zu können ­das Versprechen nämlich, dass ein Künstler nicht lebenslänglich an die Gattung gebunden bleiben muss, mit der er berühmt geworden ist.

In der Moderne ist diese Freiheit des Branchenwechsels nur selten ausgelebt worden – im kurzen Frühling von Dada und Surrealismus, als Künstler, Filmemacher und Dichter die Künste durcheinander würfelten. Ansonsten galt als künstlerische Freiheit stets die Schusterweisheit, bei seinen Leisten zu bleiben. Erst in Andy Warhols factory wurden die Grenzen zwischen den Gattungen wieder überspielt ­zwischen Film und Musik, Malerei und Druckgrafik, Zeichnung und Zeitung. Und seit den achtziger Jahren ist es üblich, dass Künstler mit Video, Performance, Fotografie, Malerei und welchen Gattungen auch immer gleichzeitig arbeiten.

Aber wer von ihnen hätte, wie Julian Schnabel, ein oeuvre sowohl in der Malerei wie im Film vorzuweisen, das zugleich Anerkennung bei der Kritik findet und erfolgreich ist? Das könnte man wieder eine Ausnahme nennen, aber es ist singulär.

Vor allem ist Julian Schnabel nämlich ein Ausnahmekünstler, weil er dem Erfolg einen neuen Sinn gegeben hat. In der Kunstgeschichte der Moderne zählte der Erfolg eigentlich nicht; vielmehr hat lange der Misserfolg als das Kennzeichen des wahren Künstlers gegolten. Deshalb war Vincent van Gogh ihr Heros.

Es ist daher kein Zufall, dass Vincent van Gogh direkt zu Beginn des ersten Films von Julian Schnabel beschworen wird, denn dieser Film handelt vom Gegenteil ­vom frühen Erfolg, der das Leben kosten kann: Basquiat war erst 21 Jahre alt gewesen, als er 1982 auf der bereits erwähnten docu­menta 7 ausgestellt wurde.

Damit hatte die rasante Verjüngung des Ruhms im Kunstbetrieb beinahe jene Jugendmarkierung erreicht, die Arthur Rimbaud immer noch als Rekord hält ­freilich, ohne dass man anschließend noch in irgendeinem Aden verschwinden könnte.

An dem Film Basquiat finde ich besonders überzeugend, wie selten er seinen Helden beim Malen zeigt. Es ist nämlich schwierig, wenn nicht unmöglich und manchmal sogar richtig peinlich, Maler bei der Arbeit zu filmen ­und erst recht Schauspieler, die Maler spielen. Als Maler scheint Schnabel dafür ein besseres Gefühl gehabt zu haben als andere Regisseure, die ihre Figuren zu Karikaturen der Leidenschaft machten; ich nenne wiederum keine Namen.

In Basquiat ging es auch um die Frage, ob ein Maler kommerziellen Erfolg haben und sich trotzdem treu bleiben kann. Der folgende Film, Before Night Falls, war eine Fortsetzung dieser Reflexion auf einem anderen Schauplatz: Das Beispiel des Schriftstellers Reinaldo Arenas zeigte, welchen politischen Preis es kosten kann, sich als Künstler und Außenseiter treu zu bleiben.

Es ist also eine ästhetische Reflexion in Bildern, die Julian Schnabel in seinen beiden ersten Filmen betrieben hat, und es macht den wahren Erfolg dieser Filme aus, dass sie Kritik wie Publikum gleichermaßen überzeugten, ohne dabei schielen zu müssen. Genau dafür ist die Postmoderne erfunden worden.

Es ist sicher auch kein Zufall, dass Julian Schnabel seine ersten Filme im Genre der Biographie drehte, denn das war eine Fortsetzung der Portraitmalerei mit anderen Mitteln: Hatten die ersten beiden biopics Künstlern gegolten, so war das dritte, Schmetterling und Taucherglocke, einem Journalisten gewidmet, Jean­Dominique Bauby, der weit über seine Profession hinauswächst ­hinauswachsen muss, weil er eine Erfahrung zu berichten hat, die nichts mit seinem Beruf zu tun hat, sondern mit seinem Restleben. Als Baubys Geschichte in den Zeitungen auftauchte, wusste ich, dass ich das Buch, das darüber angekündigt wurde, nie würde lesen wollen, und den Film, der ihm folgte, nie würde sehen wollen. Vor wenigem, was einem zustoßen kann, hat man ja so viel Angst wie vor dem Locked­In­Syndrom. Gegen diese hilflose Einsamkeit wirken doch selbst die Kerker von Piranesi, seine car­ceri, wie ein Themenpark für gothic punks.

Ich habe jetzt also meinen Mut zusammen genommen, um das Buch von Bauby zu lesen und mir den Film anzusehen, und bewundere nicht nur das Können Julian Schnabels, aus diesem letztlich unmöglichen Stoff einen brillanten Film gemacht zu haben, sondern auch den Mut, sich dieser Obsession auszusetzen. Denn für uns dauerte diese Heimsuchung nicht mal zwei Stunden, für die Filmemacher aber Monate.

Julian Schnabels vierter Film wirkte dagegen, trotz der düsteren Lieder von Lou Reeds Berlin, wie eine Erholung. Mit seinem Interesse an der Pop Musik und seinen Songs auf Every Silver Lining Has A Cloud war Julian Schnabel keine Ausnahme in seiner Ge­neration, die sich zwischen Malerei und New Wave bewegte, zwischen Tafelbild und Schallplatte. Aber natürlich wurde er zur Ausnahme, als er eine Tournee von Lou Reed ausstatten und darüber einen Film drehen konnte. Denn wer von uns wäre den Helden seiner Jugend je so nahe gekommen – und dabei so produktiv?

Dem Werk von Schnabel ist schon immer ein ausgeprägtes Interesse am Heroischen nachgesagt worden. Möglicherweise war ja das truism von Jenny Holzer We don´t need another hero auch auf ihn gemünzt. Falls Jenny Holzer damit gemeint haben sollte We need more heroines, dann könnte sie mit dem neuen Film sehr zufrieden sein, der heute zu sehen ist. Denn in Miral ist das Heroische nicht das übliche Maskuline. Vielmehr sind drei markante Frauengestalten zu sehen, die sich auf ihre Weise mit den Verwerfungen und Ungerechtigkeiten einer historisch bedeutsamen und politischen explosiven Landschaft auseinander setzen müssen ­und zwei von ihnen geben nicht auf. Im Werk des Ausnahmekünstlers Julian Schnabel ist dieser Film also auch wieder eine Ausnahme.

So kann ich abschließend zusammenfassen: In manchen Hinsichten war Julian Schnabel in seiner Generation keine Ausnahme, in anderen, wichtigeren Hinsichten war ­und ist ­er allerdings eine Ausnahme. So lasst uns denn einen Ausnahmekünstler feiern!

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