Der 1924 in Mineo bei Catania geborene sizilianische Dichter und Prosaist Giuseppe Bonaviri ist am 21. März in seinem Wohnort Frosinone bei Rom verstorben.
Er gilt als einer der großen italienischen Nachkriegsautoren und neben Italo Calvino und dem Sizilianer Leonardo Sciascia als einer der im Ausland bekanntesten Vertreter belletristisch hoch anspruchsvoller Literatur aus Italien. Der seit 1980 wiederholt für den Literaturnobelpreis vorgeschlagene Schriftsteller, der diesen Sommer 85 Jahre alt geworden wäre, hinterlässt ein ungewöhnlich reichhaltiges Lyrik- und Romanwerk, das im Italienischen rund vierzig Bucherscheinungen umfasst und in viele Sprachen der Welt, darunter Chinesisch und Arabisch, übersetzt worden ist.
In deutscher Sprache liegen fünf Bände von Bonaviri vor, zuletzt erschien 2006 Die blaue Gasse. Wiederholt stellte Bonaviri nach dem berühmten Italien-Schwerpunkt der Frankfurter Buchmesse 1988 sein Œuvre dem deutschen Publikum in Hamburg, Stuttgart und Frankfurt vor und erklärte in aller Bescheidenheit, dass seine Lektüre nicht Proust, Dante oder Goethe, sondern der Wind, die Sterne und der Mond über Mineo gewesen seien.
Sind die Anfänge von Bonaviris Schreiben noch streckenweise dem Neorealismus verpflichtet, so entwickelte er bald eine ganz unverwechselbar eigene Note, die realistische Komponenten mit phantastischen und wundersam anmutenden Elementen mischt. Immer kreisen seine Themen um Kindheitserinnerungen aus Sizilien und um Beschreibungen seines Heimatdorfes in den Bergen bei Catania, dem dortigen Leben und den Traditionen in Mineo. In seiner Militärzeit als Sanitätsoffizier in Casale Monferrato begegnete der studierte Mediziner in den 1950er-Jahren Natalia Ginzburg in Turin, lernte Elio Vittorini kennen und war seit den 70er-Jahren mit dem Landsmann Leonardo Sciascia befreundet. Als Stabsarzt zurück in Mineo verlässt Bonaviri 1957 Sizilien endgültig und siedelt in die Ciociaria um, wo er in Frosinone als Kardiologe arbeitete, bevor er sich ganz dem Schreiben widmete.