Bildende Kunst

Neu denken, ungewöhnliche Perspektiven einnehmen, mehr Kreativität wagen. Das muss doch möglich sein, hatte sich Hubertus von Barby 2013 gedacht und add art gestartet, ein Format, das vier Tage lang Hamburger Wirtschaft und Hamburger Künstler*innen zusammenbringt und die Öffentlichkeit daran teilhaben lässt.

 

Es hat funktioniert! In diesem November feiert die „add art“ ihr zehnjähriges Bestehen – mit spannenden Newcomern aus der Wirtschaft und jeder Menge junger Kunst (16. bis 19.11.2023).

 

So ein Projekt braucht Mut von allen Seiten. Die Unternehmen öffnen ihre Türen für das breite Publikum und stellen sich mit der Kunst, die sie präsentieren, der öffentlichen Diskussion. Für die Nachwuchskünstler*innen wiederum, allesamt Studierende der Hochschule der Angewandten Wissenschaften Hamburg (HAW), ist es in der Regel der erste Auftritt außerhalb ihrer „Kunstblase“ und somit der erste Schritt in die schnöde Arbeitswelt (in der es bekanntlich ja oftmals ein böses Erwachen gibt). In den Unternehmen haben sie die Chance zu lernen, wie man sich potenziellen Kunden gegenüber präsentiert, wie man sein Netzwerk erweitert und (nicht zu unterschätzen) wie man sich und seine Werke verkauft.

 

Für Christian Hahn, Malerei-Professor an der HAW, war es deshalb auch keine Frage, als ihm Hubertus von Barby vor zehn Jahren die Kooperation vorschlug: eine alljährliche, vier Tage lange Ausstellungsmöglichkeit an ungewöhnlichen Orten ist einfach ein ideales Format für den ersten „Realitäts-Check“ junger Künstler*innen. Seitdem haben sich rund 180 Hochschultalente in 75 hanseatischen Unternehmen präsentiert – eine echte Erfolgsgeschichte!

 

Doch wie genau kommen sie eigentlich zusammen? „Die Firmen können sich die Künstler*innen selbst auswählen“, erklärt Hubertus von Barby das Prozedere. „Jeweils im Juni gibt es zwei Auswahltage an der HAW, jede Firma bekommt einen Time-Slot und hat die Wahl zwischen 60 bis 70 Positionen“. Der „add art“-Initiator beobachtete, dass Unternehmen, die sich einmal für Nachwuchskunst entschieden haben, ihr treu bleiben, „weil sie es total spannend finden, jedes Jahr wieder junge Leute zu entdecken. Die Künstler*innen bekommen für die viertägige Ausstellung auch ein kleines Honorar oder das Unternehmen kauft ein Werk an.“

 

In diesem Jahr haben die Hälfte der insgesamt 20 beteiligten Unternehmen den Nachwuchs am Start. Unter ihnen die Wirtschaftsprüfer Grant Thornton, die in ihren Räumen, Große Bleichen 23-27, die kubistisch angehauchten Gemälde von Julia Carl zeigen. Ebenso die puzzleartigen, ornamental-abstrakten und digital bearbeiteten Bildkombinationen von Carla Günther und die gestisch verfremdeten Porträts von Claudia Mächler. Hochinteressant auch die beiden extrem unterschiedlichen Positionen in der Kanzlei vangard/Littler am Neuen Wall 34: Während Pauline Petes holzschnittartigen Bilder mit einem Mix aus Neuer Sachlichkeit und naiver Malerei überzeugen, bestechen die collagehaften Werke aus Figuren, Blüten und Ornamenten von Luisa Frühling durch ihre barocke Opulenz und grellbunte Farbigkeit.

 

Bei allen Arbeiten sind Anleihen quer durch die Kunstgeschichte auszumachen und viele lassen deutlich den Einfluss der beiden HAW-Professoren Christian Hahn und Henning Kles erkennen, denen die Handelskammer zum Jubiläum eine Sonderausstellung widmet. (Gemeinsam mit den Nachwuchskünstler*innen Rebecca Puche und Matthias Sterff).

 

Matthias Scherff

Werk von Matthias Sterff. add art © Matthias Sterff

 

Nachwuchsförderung ist jedoch nicht das einzige Anliegen dieser ungewöhnlichen Ausstellungsreihe. „Der Kern von add art ist der Austausch“, betont Initiator Hubertus von Barby. „Denn durch den Austausch mit Künstler*innen und Besucher*innen erhalten die Unternehmen vielfältige Impulse, die sowohl nach innen wie nach außen wirken“.

Kurz gesagt: Austausch schafft Kreativität – und die braucht unsere Gesellschaft ganz dringend, wie Marcel Loko, Gastredner und Buchautor von „Kreativiert Euch!“ auf der „add art“-Jubiläumsfeier Anfang November eindrucksvoll ausführte.

 

Die Gelegenheit an vier Tagen im Jahr mit Menschen außerhalb der Kunstszene, auch außerhalb der Gesundheitswirtschaft, ins Gespräch zu kommen, ist für Heinz Lohmann, Gründer und Gesellschafter des Beratungsunternehmens LOHMANN konzept, auch der Grund, warum er und sein Partner, der Arzt und Geschäftsführer Konrad Rippmann, seit 2014 die „add art“ mittragen. „Wir bekommen durch die add art Kontakt zu Besuchergruppen, die Fragen stellen, mit denen wir uns sonst tatsächlich nicht beschäftigt hätten“, betont Lohmann. „Das ist für uns so anregend, dass wir uns jedes Jahr erneut entschließen mitzumachen“.

Bei Harald A. Finke, den LOHMANN konzept in diesem Jahr in einer kleinen Sonderschau präsentiert und der sich seit Jahrzehnen mit der Sprache und Kommunikation von Pflanzen befasst, wird Heinz Lohmann vor Fragen sicher kaum retten können.

 

„Kunst, um das Denken anzuregen“, ist bei diesem Unternehmen allgegenwärtig. Nicht nur in seinen Räumen im Stormsweg 3 (Winterhude). Heinz Lohmann und seine Frau Ulla haben sich seit ihrer Studienzeit der Kunst verschrieben und sind heute für ihr Mäzenatentum weit über Hamburgs Grenzen hinaus bekannt. Der gemeinsame Nenner ihrer vielseitigen Sammlung? „Die Veränderung. Wir beschäftigen uns mit Veränderungsprozessen in der Gesundheitswirtschaft und profitieren von der Analogie zwischen Kunst und Wirtschaft“. Als Beispiel nennt Lohmann den Konzeptkünstler und Fotografen Falk von Traubenberg, der bei einem Gesundheitswirtschaftskongress zwölf nummerierte und signierte Computerausducke als „Wertpapiere“ anbot. Über den Wert dieser Papiere kamen die Kongressteilnehmer auf die Bedeutung der Ökonomie zu sprechen – „für die Kunst, aber auch für die Medizin“. Ein anderer Künstler, der gebürtige Ungar János Nádasdy, fotografierte und skizzierte in der Herzchirurgie eines Krankenhauses – und präsentierte dem OP-Team später Bilder, in denen es sein tägliches Arbeitsfeld kaum wiedererkannte. „Die Mediziner verstanden, wie dramatisch sich die Perspektive für Außenstehende darstellt und konnten daraufhin mehr Verständnis und Empathie für Patienten entwickeln“, so Lohmann. „Von Bildern aufgerüttelt und irritiert zu werden, um daraus ein neues Verständnis erwachsen zu lassen, das nennen wir Dialog mit der Kunst“.

(Das ganze Interview mit Heinz Lohmann zur add art lesen sie am 15.11.2023 auf Kultur-Port.De)

 

Dem „Dialog mit der Kunst“ hat sich auch Goodmates verschrieben. Die 2014 von Christian Mühlenbeck gegründete Agentur für digitale Kommunikation ist erstmals bei der „add art“ vertreten und stellt die Arbeiten zweier Goodmates-Mitarbeiter vor: Der spanischen Malerin Beatriz Arribas und des Graffiti-Künstler Christian Petersen alias Mone. Dritter im Bunde ist der erst 18jährige Maler Vincent Mühlenbeck, Sohn des Agenturchefs, dessen expressiven Comic-Stil man als „Edvard Munch 2.0“ beschreiben könnte. Alle drei malen extrem kraftvolle, ausdrucksstarke „Franzen und Monster“, die unter dem Titel „Faces“ gebündelt werden.

 

Christian Petersen

Christian Petersen: Suffer The Nasty. addart © Christian Petersen

 

Christian Mühlenbeck selbst ist ein großer Fan der angewandten Kunst. Einer Kunst, mit der er auch seine Büroräume in der Magdalenenstraße 42 (Harvestehude) ausstattet: „Es ist ein großer Unterschied, ob man Kunst betrachtet, die nicht in den Alltag integriert ist oder an Tischen und auf Stühlen sitzt, die angewandte Künstler gemacht haben. Bei der angewandten Kunst kommt die Körperlichkeit ins Spiel. Alle Sinne werden angesprochen und das dient uns, neue Denkanstöße zu generieren“.

 

Zum Beispiel durch die ungewöhnlichen Materialkombinationen von Borek Sipek. Der tschechische Architekt, Designer und Glaskünstler baute aus Glas, Holz und Metall Möbel und Lampen, die so ungewöhnlich und schön sind, dass man sie als „benutzbare Kunststücke“ bezeichnen könnte. „Über die Art und Weise, wie Sipek die verschiedenen Materialien ineinander gebaut hat, versuchen wir unseren Kunden klarzumachen, dass die vordergründige Lösung nicht immer die beste ist. Es geht darum, nicht in der Masse mitzulaufen“.

 

Mühlenbeck, leidenschaftlicher Sammler von Memphis-Möbeln, (Memphis war eine Mailänder Designer-Gruppe der 1980er Jahre um Michele De Lucchi und Ettore Sottsass), hat sich zur Jubiläums-„add art“ deshalb auch etwas Neues einfallen lassen: „Anstatt vier Tage zu öffnen, wollen wir am Samstag den 18.11. eine große Party machen – eine Party mit Kunst!“ Dazu hat er die junge Eventagentur twentythree-hamburg.de mit ins Boot geholt, die für Live-Musik und Live-Performances (u.a. Live-Sketching) zuständig ist.

 

Wer noch dabei sein will, sollte sich mit der Anmeldung über addart.de beeilen. Es wird rappelvoll. Die Künstler-Möbel werden allerdings nicht zu sehen sein, die werden ausgelagert. Sonst hätte der Hausherr auch sicherlich keine ruhige Minute.


add art – Hamburgs Wirtschaft öffnet Türen für Kunst

Vom 16. bis 19. November 2023 in unterschiedlichen Unternehmen in Hamburg.

Alle Infoformationen zu Künstler*innen und Unternehmen, sowie Anmeldungen zu den zahlreichen Führungen  (add art)

 

Auch KulturPort.De ist übrigens seit 10 Jahren Medienpartner der add art.

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