Bildende Kunst

Kaum nach zwei Wochen geöffnet, musste die Ausstellung „Georges Braque. Tanz der Formen“ im Bucerius Kunst Forum in Hamburg auch wieder schließen...

Doch dank des BKF Guides, der kostenlosen Smartphone-App des Hauses am Alten Wall, ist die fulminante Retrospektive des französischen Kubisten derzeit zumindest multimedial zu erleben. Sicher kein Ersatz für die Begegnung vor Ort, aber allemal besser als nichts.

 

Georges Braque (1882-1963) war der erste lebende Künstler, der im Pariser Louvre ausstellen durfte. Sein Bild „Der Billardtisch“ (1944) wurde auf der ersten Nachkriegs-Biennale von Venedig 1948 mit dem großen Preis für Malerei ausgezeichnet. Als er starb, ordnete Frankreich sogar ein Staatsbegräbnis an. Und doch stand dieser Meister, Mitbegründer des Kubismus, stets im Schatten Pablo Picassos (1881-1973), des ungleich berühmteren Mitbegründers des Kubismus.

 

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Ja, wer war denn nun der Urheber jener Stilrichtung, mit der die Malerei einen so gewaltigen weiteren Schritt in Richtung Abstraktion machte? Im Grunde war es ein Dreiklang. Den Weg hatte Paul Cezanne (1839-1906) im 19. Jahrhundert bereitet, der Übervater der Klassischen Moderne. Seine späten Landschaften waren bereits in Kuben angelegt und sein Diktum „Man behandle die Natur gemäß Zylinder, Kugel und Kegel“ kannten seine großen Bewunderer, Braque und Picasso, genau. Picasso schuf 1907 mit den „Demoiselles d‘ Avignon“ das erste stilbildende kubistische Bild. Aber Braque wird der erste öffentliche Auftritt des Kubismus bescheinigt. 1908, in der kleinen Galerie des legendären Daniel-Henry Kahnweiler. Der Kunstkritiker Louis Vauxcelles schrieb damals: „Monsieur Braque … missachtet die Form, beschränkt alles, Landschaften, Figuren, Häuser, auf geometrische Grundformen, auf Kuben“. Damit war der Kubismus in der Welt – zuerst als Spottname, wie es zuvor bereits beim Impressionismus und dem Fauvismus der Fall war, aber schon bald anerkannt als radikale Antwort auf die Industrialisierung und die technischen und bildlichen Errungenschaften des neuen Jahrhunderts (Film, Fotografie).

 

Zwischen 1908 und 1914 waren Braque und Picasso gleichsam Brüder im Geiste. Ihre farbreduzierten, Flächen auffächernden Stillleben und Collagen waren einander so ähnlich, dass der eine die Bilder des anderen signierte. Ihr Wetteifer um immer neue Varianten des Kubismus glich einer Bergbesteigung. Wer schafft es als erster, den Gipfel zu erklimmen? Nun, in Punkto Ruhm hat Picasso gesiegt. Aber Braque steht ihm an Qualität in nichts nach, wie die vom Centre Pompidou konzipierte Ausstellung im Bucerius Kunst Forum beweist.

Sie ist die erste seit 32 Jahren in Deutschland und sie dokumentiert in sieben chronologisch geordneten Kapiteln und 80 Gemälden – darunter die Bühnenbildentwürfe zum „Ballet Salade“ (1924), sowie der berühmte und bereits erwähnte „Billardtisch“ – die stilistische Entwicklung des Franzosen, der seine Person, im Gegensatz zu Picasso, stets bescheiden hinter den Werken versteckte. Eine moderate Entwicklung übrigens, die nach dem Ersten Weltkrieg nicht mit dem Kubismus brach, sondern ihn sanft und organisch weiterentwickelte.

 

Stilistische Brüche gab es bei Braque lediglich zu Beginn und am Schluss seiner Laufbahn. So erstaunen und bezaubern die expressiven, farbstarken Landschaften der fauvistischen Phase, die Braque mit Anfang Zwanzig noch ganz unter dem Einfluss von Cézanne, Derain und Matisse malte. Leider hat er die meisten davon später zerstört.

 

Erst im Spätwerk, nach Jahrzehnten der graubraunen Interieurs, entdeckte er wieder den Himmel und die Farbe. Malte scherenschnittartig Vögel auf buntem Grund wie der alte Matisse und ein „Rapsfeld“ (1957) mit expressivem Pinselstrich, das sicher nicht zufällig an Van Goghs letztes Bild „Weizenfeld mit Raben“ (1890) erinnert. Wie so oft, hat sich am Ende des Lebens auch hier der Kreis geschlossen.


„Georges Braque. Tanz der Formen“

Zu sehen bis zum 30. April 2021 (Besuchsbedingungen bitte beachten)

im Bucerius Kunst Forum, Alter Wall 12, 20457 Hamburg

 

Weitere Informationen und virtueller Ausstellungsrundgang unter: www.buceriuskunstforum.de

 

Es ist ein Katalog erschienen:

Georges Braque. Tanz der Formen
Herausgeber:innen Kathrin Baumstark, Andreas Hoffmann und Brigitte Leal
Beiträge von Uwe Fleckner, Christopher Green, Jeanne-Bathilde Lacourt, Brigitte Leal, Maximilien Theinhardt und Pierre Wat
Beschreibung ca. 218 Seiten mit Abbildungen der ausgestellten Werke
Verlag Hirmer Verlag, München

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