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Mit dem Wilhelm-Lehmann-Literaturpreis der Stadt Eckernförde wird in diesem Jahr der Lyriker Jürgen Nendza ausgezeichnet.

 

Die Jury begründet ihre Entscheidung:
Der Wilhelm-Lehmann-Preis des Jahres 2023 geht an den Dichter Jürgen Nendza. In seinem weit gespannten Werk hat er für eine der großen Veränderungen der sichtbaren Welt, das Verschwinden der alten Industrien und die Terrainverschiebungen des Tagebaus, eine poetische Sprache gefunden. Sein jüngster Gedichtband „Auffliegendes Gras“ (2022) ist ein Höhepunkt seiner Dichtkunst, in der nüchterne Bestandsaufnahme und halluzinatorische Wahrnehmungsintensität einander durchdringen. 1957 in Essen geboren und aufgewachsen, hat Jürgen Nendza lange in Aachen gelebt und ist inzwischen nach Köln übergesiedelt. Die Geographie seiner aktuellen Gedichte umfasst die Abraumhalden des Ruhrgebiets ebenso wie die rheinischen Tagebaugebiete, in denen Wälder gerodet werden, Dörfer verschwinden und künstliche Seen entstehen. Eher der Rhythmus als der Reim hält seine Gedichte zusammen und zieht souverän Verbindungslinien zwischen Geologie und Zeitgeschichte. Die Landschaften im Dreiländereck zwischen Deutschland, Belgien und den Niederlanden werden Nendza zum Gelände, in dem sich Spuren der Kriege und totalitärer Herrschaft zeigen. Aus einer Streichholzschachtel hört er das Echo seiner Kindheit heraus, an den Dingen des Alltags liest er die Zeichen der Zeit ab. In seinem Arboretum sind die Bäume nicht Exempel einer Taxonomie, sondern stehen in ihren angestammten Lebensräumen. Mit seinem feinen Gehör lauscht er den Fachsprachen ihre poetische Seite ab und findet in der „Rüttelverdichtung“ aus dem Lexikon der Geowissenschaften ein Bild für sein eigenes Verfahren. Seine Wahrnehmungsgenauigkeit und Hellhörigkeit nimmt er mit auf Reisen, und kehrt mit Versen zurück, in denen die Nordseeküste, die Karibik, Umbrien oder Kreta sich im Kaleidoskop seiner knappen Zweizeiler spiegeln. Der Dreiklang aus Landschaft, Geschichte und Dingwelt, den Jürgen Nendza seit einem Vierteljahrhundert in seinen Gedichtbänden anschlägt, gehört zu den großen Errungenschaften gegenwärtiger Lyrik.

 

Der mit 7.500 Euro dotierte Preis wird am 17. November 2023 in Eckernförde verliehen.


Der Jury gehörten an: die Lyrikerin Doris Runge (Cismar), der Literaturkritiker Lothar Müller (Berlin), die Literaturwissenschaftlerin Beate Laudenberg (Karlsruhe), der ehemalige Leiter des Literaturhauses Schleswig-Holstein Wolfgang Sandfuchs (Kiel), die Vorstandsmitglieder der Wilhelm-Lehmann Gesellschaft Beate Kennedy (Windeby) und Wolfgang Menzel (Karlsruhe) sowie der Literaturkritiker Michael Braun (verstorben).
Preisträger der vergangenen Jahre waren Nora Bossong (2020), Ulrike Almut Sandig (2018), Stephan Wackwitz (2016), Ann Cotten (2014), Nico Bleutge (2011) und Jan Wagner (2009).

Quelle: Wilhelm Lehmann Gesellschaft

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