
Launig ist die Anlage und könnte in eine interessante Geschichte führen: Ein introvertierter 13-jähriger bekämpft sein starkes Übergewicht mit Kalorienzählen und Muttis Hilfe.
In den Ferien arbeitet er in seinem österreichischen Heimatdorf auf einer Tankstelle, besucht seinen Vater in der „Irrenanstalt“, himmelt eine erwachsene Frau an, die mit Tscho, dem coolen Typen des Dorfes, verheiratet ist und fährt schließlich ausgerechnet mit ihm durch halb Europa.
In „Die Verteidigung der Missionarsstellung“ hat Wolf Haas gezeigt, dass er absurde und zur Übertreibung neigende Handlungen mit feinen Beobachtungen und sprachlicher Finesse zu einem großartigen Werk formulieren kann: Schreiend komisch weil er Menschen wie Situationen so gut zu treffen weiß. Und weil er es schaffte, Situationen vor dem Klischee unerwartet aufzubrechen. Selbst in den „Brenner“-Romanen gelingt es ihm. Oder die gekonnte Überzeichnung. Diese Grotesken bleiben dann entsetztem Leser (und Zuschauer) genussvoll im Hals stecken.

Autobiografisch angelegt scheint dieser Roman: Der Vater der Hauptfigur wird als Herr Haas angesprochen. Wie der Protagonist, so war auch Haas Internatsschüler. Auch seine Eltern waren in der Gastronomie tätig. Auch er ist in einer Ortschaft in Österreich aufgewachsen. Und 1973 war auch er 13 Jahre alt. So könnte dies ein Werk sein mit ungeahnten Nuancen.
Doch leider finden sich vor allem: Klischees in Pointe-klopfenden Sätzen. In der Art, wie der „Junge Mann“ die Sprüche des Chefs kopiert. („A steht für ‚Austria' und D für ‚Durist'“, sagte ich. Sie konnte ja nicht wissen, dass es ein alter Witz vom Chef war, den ich nur wiederholte.) In der Coolness von Tscho, der mit dem Chef stets unter dem „Rauchen verboten“-Schild raucht. In den schwarzen Augen der Griechen. Im abblätternden Putz des osteuropäischen Puffs. Im Auftreten der Grenzer. (Ohne seinen Blick von Fernseher zu wenden, antwortet der Zöllner: Und dafür hast du sihalich eine Bestätigung von Spital.“) In den Beschreibungen der Landschaften, die in der zweiten Hälfte durchfahren werden. Und immer wieder breitgetretene Absurditäten zum Gewicht und zum Abnehmen. Das erinnert leider nicht an die Stärken von Wolf Haas. Eher an Wäschekorbromane.
Wolf Haas: Junger Mann
Lesung7.11. 2018 um 20:00 Uhr im SchauSpielHaus, Kirchenallee, Hamburg
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Wolf Haas: Junger Mann
Hoffmann und Campe HamburgHoCa - Belletristik, Pappband mit SU, Seiten: 240
ISBN: 978-3-455-00388-8
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Abbildungsnachweis:
Headerfoto: Josef Perndl
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