Reisen
Pingxi Sky Lantern Festival

Chinesisches Neujahr und Frühjahrsfest – eine Reise durch die Feuerwerks- und Laternenfestkultur Taiwans – Teil 3/3

Es ist, selbst wenn viele Besucher kommen, das intimste Festival der drei vorgestellten Neujahrsfeierlichkeiten in Taiwan und mitten in den Bergen, im Nordosten der Hauptstadt Taipeh, gelegen: das Pingxi Sky Lantern Festival.

Nur eine knappe Autofahrstunde von Taipeh entfernt – mit dem Bus oder Zug dauert es etwas länger (umsteigen in Ruifang) – liegt in den Bergen das Örtchen Pingxi (平溪; dt.: friedvolles Flüsschen). Es ist ein kultur- und geschichtsträchtiger Ort und bietet einen besonderen Einblick in Taiwans wunderschöne Naturlandschaft. Das ganze Jahr über kommen Besucher, aber insbesondere dann, wenn Chinas Neujahr gefeiert wird, wenn die traditionellen, heißluftballonartigen Kong Ming-Laternen gen Himmel steigen.

Pingxi Foto Claus Friede

Pingxi, eingerahmt von einer Bergkette und recht dünn besiedelt, erlangte aufgrund der vorhandenen Kohlevorkommen zu Beginn des 20. Jahrhunderts während der japanischen Kolonialherrschaft (1885-1945) über Taiwan wirtschaftliche Bedeutung. Um die Kohle abtransportieren zu können erhielt der Ort einen Anschluss an das Eisenbahnnetz. Nach dem Zweiten Weltkrieg gingen die Kohlevorräte zur Neige und der Abbau wurde Ende des 20. Jahrhunderts endgültig eingestellt. Der daraus resultierende Verlust von Arbeitsplätzen hatte zur Folge, dass die Bevölkerungszahl des Bezirks stark abnahm und heute die niedrigste unter allen Bezirken Neu-Taipehs darstellt. Übrig geblieben sind die alten Eingänge zu den Minen und ein „Museum für den Kohlebergbau in Taiwan“. Zur Besichtigung können Besucher in den Tunnel eines ehemaligen Bergwerks einfahren.

Pingxi - Kohle-Museum

Heute ist Pingxi vor allem von touristischer Bedeutung. Attraktionen sind die großen und kleinen Wasserfälle des Keelung-Flusses, der in der sich an einigen schluchtartigen Stellen erkennen lässt..

Keelung River

Eigentlich könnte man Pingxi auch den ‚Ort der Wünsche‘ nennen, denn nicht nur die Kong Ming-Laternen werden mit allerlei Wünschen beschrieben und kalligraphiert, sondern auch 20 bis 30 cm lange Bambusstücke, die überall im Ort zu finden sind und an roten Kordeln im Wind schwingen. Es erinnert mich daran, wie in Europa die Brücken mit hunderten von Liebesschlössen versehen werden.

Pingxi – Bambus der Wünsche

Schlendert man durch Pingxi, entlang der „Old Street“, wo sich ein kleiner teilweise niedlicher und hübsch gestalteter Laden an den anderen reiht, sollte das Teehaus „Six Door Tea“ von Martin Yen besuchen. Der ehemalige Mitarbeiter einer IT-Firma hat sich in sein Elternhaus zurückgezogen, sich entschleunigt und verkauft nun allerlei Tee, Kaffee und Teeschalen. Im hinteren Teil, dort wo das Haus am Abhang zum Keelung steht, ist eine kleine Teestube. Pingxi Teesorten sind übrigens vielfältig im Geschmack und sehr unterschiedlich von ihrer Farbe.

Six Door Tea Pingxi

Zwischen Verkaufsraum und Teestube hat Martin Yen zig Holzrahmen mit alten Fotografien gehängt, von seiner Familie, vom Ort, wie er damals war als es noch Kohle gab und wesentlich mehr Menschen dort oben lebten. Eines aus dem Jahr 1967, das seine Mutter und deren Schwester zeigt hat er als Visitenkarten von „Six Door Tea“ drucken lassen. Das macht es sofort immens persönlich und die Karte mit der Abbildung ein guter Gesprächsbeginn mit ihm, um etwas über den Ort und seine Geschichte zu erfahren.

Pingxi 1967

Erfunden und benutzt wurden die Laternen um 200 n.Ch. und dienten zur militärischen Kommunikation. Vor einigen Jahrhunderten waren die abgelegenen Bergdörfer Angriffen von Banditen und Plünderern ausgesetzt. Himmelslaternen wurden verwendet, um den Alten im Dorf, Frauen und Kindern, zu signalisieren, dass sie beim ersten Anzeichen von Angriffen ihre Sachen packen sollten, um in die höher gelegenen Berge zu ziehen. War der Spuk vorbei, signalisierten die Laternen auch dies. Aus diesem Usus entwickelte sich schließlich im frühen 19. Jahrhundert die Tradition, die leuchtend-schwebenden, farbenfrohen Objekte mit vielen guten Wünschen versehen gen nächtlichen Himmel aufsteigen zu lassen. Egal aus welchem Land einer kommt, welche Sprache er spricht oder welche Schrift er verwendet, ob Spanisch oder Khmer, ob Hebräisch oder Thai, die mannshohen Laternen bieten viel Platz...

Sky Lantzern Wishes

Sky Lantern Wishes 2

Ehen dienten im alten China insbesondere dazu, einen Sohn zu bekommen, der die Familientradition weiterführt. Die Menschen gingen zum Tempel, um für entsprechende Segnungen zu beten, und ließen dazu Himmelslaternen aufsteigen, auf denen sie damals Sätze wie „Möge bald ein Sohn geboren werden" oder „Mögen die Ernten reich sein" draufgeschrieben wurden. Himmelslaternen folgen dem Wind, und stiegen auf zu den Vorfahren, um ihnen zu berichten, was in den Familien geschah. Eine direkte und recht unkomplizierte Verbindung.
Gut 120-140 cm hoch und 50-60 cm breit, recht leicht und aus festem Kunststoffmaterial sind die Heißluftlaternen, und wenn unten das wachsgetränkte Tuch oder Papier angezündet wird, spürt man schon nach kurzer Zeit die Auftriebskräfte.

Kong-Ming-Laterne Pingxi

Es sind intensive Momente im Gegenüberstehen, viele schweigen, schauen sich an, sind in Gedanken und in ihren guten Wünschen versunken. Ein ziemlich erhabener und intensiver Augenblick, den jeder spüren kann, dort oben in den Bergen, und dem Himmel ein klein wenig näher ist als sonst irgendwo.

Pingxi Sky Lanterns Foto: Simona Orlando, Rom

In kurzer Zeit gewinnen die Laternen an Höhe, steigen auf und immer höher, bis man sie nicht mehr sehen kann. Pingxi ist der einzige Ort auf Taiwan, der ganzjährig und offiziell die Genehmigung für das Starten von Himmelslaternen hat. Irgendwann landen die Laternen mit all den verschriftlichten Wünschen, und wer eine findet und sie zurückbringt, erhält von der Stadtverwaltung von Pingxi 100 Taiwan Dollar (3 Euro).
Der visuelle Genuss, der einprägsame, fantastische Anblick der in den Himmel steigenden Laternen überwindet jegliche kulturelle Barriere. Wenn die Festivalzeit kommt, ist Pingxi immer wieder einer der Mittelpunkte der Frühjahrsfeierlichkeiten.

Sky Lanterns in Pingxi

Pingxi Sky Lantern Festival

Das Festival beginn 2020 am 8. Februar
Weitere Informationen (engl.)


Lesen Sie auch Teil 1 und 2 von „Chinesisches Neujahr und Frühjahrsfest – eine Reise durch die Feuerwerks- und Laternenfestkultur Taiwans"
2019 Taiwan Lantern Festival
Beehive Fireworks Festival 2019


KulturPort.De — Follows Art dankt dem „Ministery for Foreign Affairs", Taipeh und der Taipeh Vertretung in der Bundesrepublik Deutschland, Büro Hamburg, der Stadt- und Bezirksverwaltung von Pingxi sowie Six Door Tea für die Unterstützung.


Abbildungsnachweis:
Headerfoto: Blick vom Balkon von Six Doors Tea auf Pingxi. Foto © Claus Friede
01: Blick auf Pingxi. Foto © Claus Friede
02: Das Bergbaumuseum in Pingxi. Einfahrt in den „Kohletunnel“. Foto: privat.
03: Keelung-River. Links: Quelle Wikipedia, rechts: Foto © Claus Friede
04: Bambusstäbe mit Wünschen. Foto © Jessica van Dop DeJesus
05: Six Door Tea. Teestube, Foto: privat
06: Visitenkartenmotiv von Six Door Tea. Foto © Martin Yen
07 und 08: Wünscheschreiben auf die Himmelslaternen. Foto © Claus Friede
09: Eine aufsteigende Laterne Foto: privat
10: Kurz vor dem Start, ein intensiver Moment. Foto © Simona Orlando
11: Auf dem Weg gen Himmel. Foto © Claus Friede

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