Usedomer Literaturtage gehen mit Verleihung des ersten Usedomer Literaturpreises zu Ende
- Geschrieben von Redaktion -
Mit der Verleihung des ersten Usedomer Literaturpreises gehen heute die Usedomer Literaturtage 2011 zu Ende. In einer feierlichen Veranstaltung am Sonntag, 11 Uhr, im Atelier Otto-Niemeyer-Holstein, Koserow, überreicht Dr. Hellmuth Karasek den Preis an die tschechische Autorin Radka Denemarková und ihre Übersetzerin Eva Profousová. Die Jury, bestehend aus Prof. Dr. Hellmuth Karasek, Dr. Andreas Kossert und Dr. Doris Lemmermeier schreibt in der Begründung: „Radka Denemarková schuf ein herausragendes und kompromissloses Werk über die deutsch-jüdisch-tschechische Kriegs- und Nachkriegsgeschichte. Mit sprachlicher Eindringlichkeit, packendem Realismus und historischer Tiefgründigkeit erzählt sie den erschütternden Lebensweg der Romanprotagonistin und setzt damit ein gewichtiges Zeichen für Gerechtigkeit und Verständigung.“
Basierend auf der thematischen Ausrichtung der Literaturtage, werden jährlich Literaten ausgezeichnet, die sich in hohem Maße dem Europäischen Dialog in Geschichte und Gegenwart verpflichtet fühlen. Der mit 5.000 Euro dotierte Preis, gestiftet von der Seetel Hotelgruppe und den Usedomer Literaturtagen, beinhaltet darüber hinaus einen vierwöchigen Aufenthalt auf der Insel Usedom, im Romantikhotel Ahlbecker Hof. Damit soll auch in Zukunft der Gedankenaustausch gefördert und die literarische Tradition auf der Insel, verbunden u.a. mit Maxim Gorki, Theodor Fontane und Thomas Mann, fortgeführt werden.
Im Zentrum des Roman „Ein herrlicher Flecken Erde“ von Radka Denemarková steht das Schicksal einer Frau, die in ihrem Leben durch mehrere Höllen gehen musste: von den Nazis als Jüdin gequält, von den Tschechen als Kollaborateurin vertrieben, schließlich von den ehemaligen Nachbarn als habgierige Alte abgestempelt, als sie 50 Jahre später ihre Familie rehabilitieren will. Doch trotz aller körperlicher und emotionaler Wunden führt Gita Lauschmannová den Kampf gegen Unrecht und für Verständigung weiter. Ergreifend schildert dieser preisgekrönte Roman die menschliche Seite der unmenschlichen Geschichte. Radka Denemarková erhielt für ihr Buch den wichtigsten tschechischen Literaturpreis, Magnesia Litera Preis, für die beste Prosa.
Erfolgreiche Bilanz der Usedomer Literaturtage 2011
Die Usedomer Literaturtage widmeten sich vom 30. März bis 3. April 2011 einem wichtigen Ort auf der literarischen Landkarte – der Grenzlandkultur. Polnische, tschechische und deutsche Autoren betrachteten aus vergangenem und gegenwärtigem Blick die sensiblen Beziehungen zwischen den drei Ländern nach dem zweiten Weltkrieg. In Diskussionsrunden appellierten sie an die vorurteilsfreie, unbelastete Aufarbeitung der Geschichte sowie an ein Aufeinanderzugehen der Nachbarn ohne imaginäre Grenzen in den Köpfen.
Wie im vergangenen Jahr besuchten rund 800 Literaturinteressierte die vielfältigen Veranstaltungen der Usedomer Literaturtage. Einleitend stand der Eröffnungsabend in Bansin unter dem Thema „Grenzgänger“ und zeigte verbunden durch die Moderation von Basil Kerski drei verschiedene Sichtweisen auf Deutschland, Polen und Tschechien von Martin Pollack, Wlodzimierz Nowak und Mariosz Surosz. Gemeinsam mit Andreas Kossert näherte sich Martin Pollack am Samstagabend einer auf der Landkarte verschwundenen und vergessenen Region Galizien und der Bukowina und zog mit seinem aktuellen Werk „Kaiser von Amerika“ Parallelen zur heutigen Migrationsproblematik. Ebenfalls auf Spurensuche nach Galizien und Schlesien begaben sich Olga Tokarczuk und Sabrina Janesch in ihrer zweisprachigen Lesung am Samstagvormittag in Swinemünde, die vom Dramaturgen der Literaturtage, Thomas Schulz, moderiert wurde. Die beiden Autorinnen schilderten mit unterschiedlichen Herangehensweisen Träume, Mythen und familiäre Geschichten, die einer vergangenen Zeit anhaften und sich mit dem Heute mischen.
Radka Denemarková stellte ihren Roman „Ein herrlicher Flecken Erde“ in einer gemeinsamen Lesung mit ihrem Landsmann Jaroslav Rudiš vor, der in „Grandhotel“ ein spannendes wie unterhaltsames Bild der tschechischen Provinz, ihrer böhmischen Geschichte und der Gegenwart zeichnet. Moderiert wurde der Abend im Hotel Usedom Palace in Zinnowitz von Eva Profousová, die beide Romane in die deutsche Sprache übertrug.
Einblicke in die tschechische Geschichte sowie Ansichten über das Verhältnis zu Deutschland lieferte Schriftsteller und Diplomat Jiři Gruša im Gespräch mit Manfred Osten im Hotel Esplanade in Heringsdorf. Eine literarische Reise durch das Leben des Prager Schriftstellers Johannes Urzidil unternahmen Vera Schneider und Klaus Johann und präsentierten im Hans-Werner-Richter-Haus ihr Lesebuch „Hinternational“. Herausgegeben wurde das Buch vom Deutschen Kulturforum östliches Europa, deren Direktorin, Dr. Doris Lemmermeier, einführende Worte sprach.
Wie in den vergangenen beiden Jahren wurde das Programm durch die Literarische Inselrundfahrt und eine Schülerlesung ergänzt. Im Bahnhof Heringsdorf trafen sich Schüler aus Heringsdorf, Ahlbeck, Ückeritz und Swinemünde und folgten der zweisprachigen Veranstaltung mit Sabrina Janesch und Paulina Schulz. Noch bis zum 11. Mai ist die Ausstellung „Der Fotograf ist da“ in der Villa Irmgard in Heringsdorf zu sehen. Zu entdecken sind Bilder Ostpreußens aus der Sammlung des Provinzdenkmalamtes in Königsberg, die das damalige Alltagsleben in den Städten und auf dem Land schildern.
Die Usedomer Literaturtage sind eine gemeinsame Veranstaltungsreihe des Usedomer Musikfestivals in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Kulturforum östliches Europa sowie der Gemeinde Ostseebad Heringsdorf. Wie 2009 und 2010 übernahm der Ministerpräsident des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Erwin Sellering, die Schirmherrschaft. Kulturpartner ist NDR Kultur.
Quelle: www.usedomer-musikfestival.de
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