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Daniel Fuhrhop Verbietet das Bauen! Eine Streitschrift. Foto Chris Kness

In diesen Tagen ist die Wohnungsnot eines der wichtigsten Themen der Politik. Sonst kann man sich ja auf überhaupt nichts einigen, aber hier kennt man über alle Parteigrenzen hinweg immer nur die eine Antwort: Bauen, bauen, bauen… Wie kann man in einer solchen Situation das Bauen verbieten wollen? Ist der Autor noch ganz bei Sinnen?

Ist Fuhrhops Buch ein furchtbarer Käse, um den man sich nicht zu kümmern braucht? Oder muss man es unbedingt lesen und seine Argumente zur Kenntnis nehmen? Ich finde: Ja, denn es trägt Argumente vor, sogar gute Argumente. Das schmale Werk – keine zweihundert Seiten – nennt sich eine Streitschrift und ist ein zwar entschieden, aber jederzeit sachlich, präzise und ausgewogen argumentierendes Buch mit vielen realistischen Vorschlägen, wie man es besser machen könnte.

Es gibt, so Fuhrhop, keineswegs zu wenige Wohnungen, Büros und Häuser, sondern im Gegenteil viel zu viele: „Der Platz ist da.“ Leider sind es nur zu oft die falschen Gebäude, von denen viele entweder ganz oder doch zumindest zeitweise leer stehen oder die Spekulanten absichtlich leer stehen lassen, um Abriss, Neubau und lukrative Neuvermietung zu provozieren. Zum Beispiel schreibt er über Frankfurt, dass dort „anderthalb Millionen Quadratmeter Büros“ leer stehen. Auch sonst präsentiert der Autor viele Zahlen und Tabellen, um sein Urteil über die fehlende Notwendigkeit des Bauens plausibel erscheinen zu lassen. Die alten Häuser umzubauen, vielleicht ein Stockwerk draufzusetzen und überhaupt das Alte zu pflegen und behutsam zu verändern, anstatt einfach alles abzureißen und teuer neu zu errichten: das ist die eine Seite seines Rezeptes.

Der zweite Teil seines Lösungsvorschlages ist hochpolitisch und hat mit uns selbst zu tun, vor allem mit der notwendigen Veränderung unseres Verhaltens und der Reduktion unserer Ansprüche. Viele werden die Vorschläge des Autors naiv finden, denn er fordert Bescheidenheit und Verzicht. Aber wahrscheinlich ist es so, dass von dem Erscheinen des Buches an gerechnet jeden Tag seine Thesen plausibler scheinen und deshalb ein klein wenig mehr respektiert werden; und vielleicht wird man ihm irgendwann wirklich recht geben. Aber bis dahin ist noch viel Zeit.

Daniel Fuhrhop: Verbietet das Bauen! Eine Streitschrift. COVERDenn vielen, sogar sehr vielen Leuten werden die Vorschläge dieses Buches nicht schmecken. Wir sollen näher zusammenrücken (das gilt für Menschen wie für Häuser), wir sollen näher an der Arbeit wohnen, und ein jeder soll Überflüssiges wegwerfen, um mit weniger Platz auszukommen. Dem ökologischen Bauen steht Fuhrhop skeptisch gegenüber und nennt es einen „Etikettenschwindel mit Siegel“. In der Hauptsache sollen wir das Vorhandene überlegter und ökonomischer nutzen, zum Beispiel, indem wir Büroraum von verschiedenen Firmen im Wechsel nutzen zu lassen, weil er sonst viel zu oft und lange leer steht. Oder der Autor spricht sich für Wohngemeinschaften aus und möchte insgesamt die Gesellschaft anders organisieren.

Welche der großen Parteien, welche Interessengemeinschaft könnte oder würde sich auf seine Seite schlagen? Natürlich schlägt die Politik andere Wege ein – „Bauen, bauen, bauen!“ –, und auch Architekten oder Baufirmen werden ihm etwas husten. Am Beispiel der Honorarordnung für Architekten zeigt Fuhrhop, dass diese je mehr verdienen, je teurer ein Bau wird. Und vor allem muss überhaupt erst einmal gebaut werden. Deshalb schlägt er einen Zusatz zur Gebührenordnung vor, der Beratung und Vorschläge für eine andere, eine klügere Nutzung der Gebäude honoriert.

Wie sehr Fuhrhop vom Mainstream abweicht, kann man sehen, wenn er das ökologische Bauen kritisiert. Das gilt vielen als ein Ausweg, aber er zeigt, dass es prinzipiell besser ist, überhaupt nicht zu bauen – er spricht von den „angeblich so klimafreundlichen“ Häusern und kann auch verdeutlichen, dass und vor allem warum sie keine Lösung bieten. Es ist dort so ähnlich wie bei der erst gehypten und dann fett subventionierten Elektromobilität, die ebenso wenig eine Lösung für die Verkehrsprobleme darstellt, sondern sogar erst neue Probleme schafft.

Am Ende seines Buches listet Fuhrhop über zehn Seiten hinweg detaillierte Vorschläge auf, die zum Teil sehr überraschend und manchmal sogar skurril daherkommen. Zum Beispiel schlägt er für bestimmte Viertel „eine Zuzugssperre für Reiche“ vor.

Ein kleines Manko dieses sehr überzeugenden Buches ist, dass die Verkehrsprobleme nicht zusammen mit der Wohnsituation diskutiert werden: Beides gehört zusammen, wie an vielen Stellen deutlich wird. Das Prinzip einer Lösung dürfte in beiden Fällen in dieselbe Richtung gehen. Auch wirken manche Vorschläge Fuhrhops etwas weltfremd; damit mehr Menschen vom ebenso teuren wie angesagten Düsseldorf ins übel beleumundete Duisburg ziehen, sollte man diese Stadt in „Düsseldorf-Nord“ umbenennen… Glaubt er wirklich, dass sich keine Duisburger Lokalpatrioten finden, die sich mit Händen und Füßen dagegen wehren werden, in Düsseldorf-Nord zu wohnen?

Auch Hamburg kommt einige wenige Male vor, unter anderem mit der immer noch aktuellen „Initiative Esso-Häuser“ oder dem Gängeviertel und seinen Leerständen.

Man muss nicht jedem seiner Vorschläge zustimmen, um das Buch in jeder Hinsicht empfehlenswert zu finden, denn es argumentiert sachlich und faktenbeladen, dazu immer sowohl seriös als auch anregend und gelegentlich überraschend. Endlich ist die Sorgfalt auffällig, die Druck und Text widerfahren ist. Ein sehr gutes Buch.

Daniel Fuhrhop: Verbietet das Bauen! Eine Streitschrift.

oekom Verlag, 2015
978-3-86581-733-4
Über den Autor
YouTube-Video:
Position: Verbietet das Bauen! von Daniel Fuhrhop (IBA Konferenz)
Links zu:
- Initiative Esso-Häuser


Abbildungsnachweis: Chris Kness Photography by Pixabay

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