
Hansa Theater ade, am Steindamm steht jetzt der Berliner Kit Kat Club.
Vergangenes Wochenende feierte das Erfolgsmusical „Cabaret“ in Deutschlands ältestem Varieté bejubelte Premiere und es schien, als hätte es immer schon in dieses wunderbar intim-plüschige Ambiente gehört. Dass man den Film mit Liza Minnelli schnell vergaß, lag vor allem an dem brillanten Conférencier Tim Fischer, sowie dem hinreißenden Liebespaar. Nein, nicht Sally Bowles und Cliff Bradshaw. Gemeint sind Fräulein Schneider und Herr Schulz, so anrührend verkörpert von Angela Winkler und Peter Franke, dass sie den Protagonisten im Handumdrehen die Show stahlen.
Ein Schwarzweiß-Stummfilm als Vorspiel. Als atmosphärisch dichte Einstimmung in die ausgehende Weimarer Republik. In ein Berlin, das der französische Schriftsteller Jean Casson als „die jüngste, die systematisch verrückteste und unschuldigste perverse Stadt der Welt“ bezeichnete. Im Zug Paris-Berlin kommt der amerikanische Schriftsteller Cliff Bradshaw (souverän und sympathisch Sven Mattke) nach der Passkontrolle mit einem Mann ins Gespräch. Eine schicksalhafte Begegnung. Ernst Ludwig gibt ihm die Adresse der Berliner Pension, in der Cliff schon bald mit der Nachtklubsängerin Sally Bowles leben wird. Dass der neue Freund (erschreckend überzeugend Holger Dexne) ein glühender Nazi ist, erfährt der Autor erst später auf schmerzhafte Weise.
Wiederholt sich die Geschichte? Sicher nicht. Aber der Rechtsruck derzeit ist fatal und das faschistische Unheil, das sich in den gar nicht so „goldenen“ 1920er Jahren zusammenbraute, evoziert immer wieder Vergleiche, zumal nach der letzten Landtagswahl in Thüringen. „Cabaret“ ist also nicht nur gute Unterhaltung, das Musical ist immer auch Mahnung. Regisseur Ulrich Waller verzichtet jedoch klug auf Anspielungen zur Gegenwart, konzentriert sich ganz auf den Plot des Stückes von Joe Masteroff (Buch), John Kander (Musik) und Fred Ebb (Songtexte), das 1966 am Broadway uraufgeführt wurde.


Mit dieser Premiere starten Thomas Collien und Ullrich Waller übrigens die neue Ära des Hansa Theaters. Künftig soll das Haus am Steindamm ganzjährig bespielt werden, neben dem traditionellen Varieté „vor allem mit Klassikern aus dem Musiktheatergenre.“ Im nächsten Jahr folgt das „Weiße Rößl“ von Ralph Benatzky aus dem Jahr 1930. Man darf sich darauf freuen!
„Cabaret“
Zu sehen im Hansa Varieté Theater, Steindamm 17, 20099 Hamburgbis 01. März und 17. März bis 26. April 2020
Karten unter (040) 4711 0644
Weitere Informationen
Schauspieler
Conférencier: Tim Fischer
Sally Bowles: Anneke Schwabe / Josephin Busch
Cliff Bradshaw: Sven Mattke
Fräulein Schneider: Angela Winkler / Angela Schmid / Ilona Schulz
Herr Schultz: Peter Franke / George Meyer-Goll
Ernst Ludwig: Holger Dexne / Timo Klein
Fräulein Kost: Anne Weber/ Franziska Kuropka
Ensemble
Thomas Höfner, Judtih Jandl, Michelle Marier, Guliano Mercoli, Steven Seale, Eleonora Talamini, Stephan Zenker, Thomas Kretzschmar, Jakob Veselow
Theater-Orchester Hamburg
Kontrabass: Lars Hansen / Jens Wrede; Violine: Rebecca Borchert; Posaune: Uwe Granitza / Andreas Deichmann; Trompete/Percussion: Jan Peter Klöpfel; Klarinette/Flöte/Saxophon: Detlef Raschke; Schlagzeug/Percussion: Helge Zumdiek
Regie: Ulrich Waller, Co-Regie: Dania Hohmann
Musikalische Leitung: Matthias Stötzel
Bühne: Raimund Bauer
Kostüme: Ilse Welter
Choreografie: Kim Duddy
Abbildungsnachweis: Foto-© Kerstin Schomburg
Header: Tim Fischer
01. v.l.n.r.: Angela Winkler, Peter Franke
02. v.l.n.r.: Sven Mattke, Anneke Schwabe
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