Musik
ueber die Mathematik des Wassers - Hamburgische staatsoper philharmonisches orchester Foto  Philippe Gontier

Pascal Dusapin, 1955 in Nancy geboren, ist einer der wichtigsten Impulsgeber der Gegenwartsmusik.
Im Gespräch zum 5. Philharmonischen Konzert des Philharmonisches Staatsorchesters Hamburg in der Elbphilharmonie gewährt er Einblicke in den Entstehungsprozess der Uraufführung von "Waves" und spricht dabei über Mathematik, Findungprobleme eines jeden Komponisten und seine Freude auf den Großen Saal in der Elbphilharmonie…

Frederike Krüger: Sie haben bereits für die Neuproduktion Les Troyens mit Kent Nagano an der Hamburgischen Staatsoper gearbeitet; entstand während dieser Zeit die Idee zu Waves?

Pascal Dusapin: Das war in der Tat eine lustige Angelegenheit, Kent Nagano und ich kennen uns bereits aus München, wo ich an der Hochschule lehrte. Irgendwann kam er auf mich zu und fragte mich, ob ich die Einrichtung von Les Troyens übernehme. Ich fand das zuerst absurd und lustig, wieso sollte ich als Komponist diese Aufgabe übernehmen? Aber er ließ nicht locker und dann verstand ich, warum ein Komponist diese Aufgabe übernehmen sollte. Irgendwann fragte er mich, ob ich ein Werk für Orgel und Orchester komponieren wollte für die Elbphilharmonie. Auch das lehnte ich zuerst ab.

Frederike Krüger: Das klingt nach einem holprigen Start…

Pascal Dusapin: Wissen Sie, ich muss immer selbst die Idee haben für meine Kompositionen. Wenn mir jemand anderes eine Komposition anbietet mit bereits konkreten Angaben, dann fühlt es sich nicht so an wie „meine Idee“. Aber ich dachte weiter darüber nach, es ließ mich nicht los über Jahre hinweg. Und irgendwann hatte ich einen Zugang gefunden und dieses Auftragswerk wurde zu meiner Idee, zu meiner Komposition. Für die Orgel wollte ich übrigens ursprünglich auch nicht komponieren.

Frederike Krüger: Als Organist wollten Sie nicht für die Orgel komponieren?

Pascal Dusapin: Ich kenne das Instrument natürlich sehr gut und deswegen weiß ich auch, wie anspruchsvoll und kompliziert es ist. Ich weiß, wie schwierig es ist für einen Komponisten, das richtige Timbre zu treffen, ja sogar den richtigen Ton zu finden. Streicher oder auch Trompeten haben ihre Beweglichkeit, eine Orgel in Bewegung zu bringen, ist eine der größten Herausforderungen. Außerdem wollte ich früher bereits ein Werk für Orgel komponieren und es kam nie zustande, vielleicht war es jetzt Schicksal, dass ich diesen Auftrag bekam. Eine Art Revenge für die Vergangenheit.

Frederike Krüger: Waves, zu Deutsch also „Wellen“, ist ein Titel, den man durchaus programmatisch verstehen könnte. Welche Bedeutung spielt das Wasser in Ihrem Leben?

Pascal Dusapin: Ich glaube, jeder Mensch liebt das Wasser, oder? Wir alle brauchen Wasser, auch wenn wir nur gerne darin baden. Auch ich liebe das Wasser in gewisser Weise, ich habe aber keine besondere Verbindung dazu. Ich wollte seine Wellen auch nicht in einem romantischen Sinne in meiner Musik abbilden. Mich interessierte die bloße Mathematik der Wellen, welche physikalischen Mächte dort wirken.

Frederike Krüger: Musik und Mathematik, nicht unbedingt zwei Begriffe, die man unmittelbar miteinander in Verbindung bringt.

Pascal Dusapin: Jeder Komponist steht immer wieder vor demselben Problem: neue Formen zu finden. Für mich ist die Form jeder Komposition essentiell, ebenso ihre Bewegungen. Dafür brauche ich Inspiration. Ich habe mich auch mit dem Wind auseinandergesetzt, sogar mit dem Feuer. Ich bin aber immer wieder beim Wasser gelandet. Das Wasser ist essentiell für den Menschen, es ist wesentlicher Teil unserer Evolution gewesen. Ich wollte diesem Phänomen auf den Grund gehen: Welche Mächte sind daran beteiligt, Wellen zu kreieren?

Frederike Krüger: Haben Sie versucht, die Wellen in Ihrer Komposition hörbar zu machen?

Pascal Dusapin: Nein, ich glaube auch nicht, dass man sich so sehr mit dem Titel beschäftigten sollte. Am liebsten würde ich jede Komposition ohne Titel herausbringen, nur mit einer Nummer. Aber jedes Kind braucht einen Namen, doch was sich dahinter verbirgt, das ist so vielmehr. Mich haben die Bewegungen des Wassers, also die Wellen in ihrer abstrakten Form interessiert, nicht in ihrem Naturalismus.
Ich glaube, dass die Uraufführung etwas Außergewöhnliches wird, gerade in einer Stadt wie Hamburg und in diesem besonderen Raum, wie die Elbphilharmonie einer ist. Auch für mich wird es eine große Freude und Überraschung sein, mein Werk dort erleben und hören zu dürfen.

5. Philharmonisches Konzert

Pascal Dusapin: Waves für Orgel und Orchester (Uraufführung)
Joseph Haydn: Missa in Angustiis d-Moll Hob. XXII:11 – "Nelson-Messe"
Dirigent: Kent Nagano
Orgel: Iveta Apkalna
Sopran: Katharina Konradi
Alt: Katija Dragojevic
Tenor: Bernhard Berchtold
Bass: Evan Hughes
NDR Chor
WDR Rundfunkchor
Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
Eine Stunde vor Konzertbeginn gibt es eine Einführung mit Felix Dieterle.

So. 26.01. um 11:00 Uhr und Mo. 27.1.2020 um 20:00 Uhr
Ort: Elbphilharmonie, Großer Saal, Platz der Deutschen Einheit 4, 20457 Hamburg
Preise: € 74,00 / 57,00 / 46,00 / 31,00 / 13,00


Dieser Artikel erscheint in Kooperation mit der Staatsoper Hamburg und wurde erstmalig veröffentlicht im Journal Nr. 3, 2019/20. Weitere Informationen finden Sie auf der Homepage der Staatsoper. Die Interviewerin dieses Beitrags arbeitet als Musikdramaturgin am Saarländischen Staatstheater, Saarbrücken.


Abbildungsnachweis:
Headerfoto von Pascal Dusapin: Philippe Gontier

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