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Verblüffend, wie jung sie aussehen. Katja und Marielle Labèque sind mittlerweile Mitte 60 und wirken auf der Bühne immer noch mädchenhaft. Ganz in Schwarz mit langen, offen getragenen schwarzen Haaren und in hochkonzentriertem Blickkontakt, wenn sie sich an den beiden Flügeln gegenübersitzen, meint man hier zwei Hohepriesterinnen der Klavierkunst vor sich zu haben, zwei Zauberinnen, die ihre Zuhörer in einen magischen Bann ziehen.

Zum Auftakt Ravels „Ma mère l’oye“, („Meine Mutter, die Gans“), ein Zyklus von fünf kleinen „kindischen“ Stücken für Klavier zu vier Händen, die von einer Märchensammlung aus dem 17. Jahrhundert inspiriert sind. Einfache, größtenteils ruhige Melodien, die in der Interpretation von Kaja und Marielle Labèque feinen, federleichten Fingerübungen gleichkommen.
Es folgt die „Rapsodie espagnole“, Ravels erstes großes Orchesterwerk. Das Stück, das wie viele seiner Werke zuerst als Klavierfassung für zwei Klaviere entstand, suggeriert zwar lebensfrohe Folklore, doch erste Satz, das „Prélude à la nuit“, kommt ausgesprochen melancholisch und düster daher. Die beiden Schwestern scheinen sich in diesen Abgründen zu weiden. Ihr feinfühliges Spiel lassen Goyas Gespenster-Bilder vor Augen erscheinen, die auch im zweiten Satz „Malaguena“ nicht weichen wollen. In der „Habanera“ und vor allem in der ausgelassenen „Feria“ begeistern sie dann mit glasklaren Anschlag und temperamentvollen Glissandi.
Nach der Pause dann eine Überraschung: Die Schwestern setzen sich an den Rand und überlassen Bixente Etchegaray die Bühne, der mit vollem, einschmeichelndem Bariton ein einfaches baskisches Volkslied anstimmt. Unversehens fühlt man sich in die karge, ursprüngliche Landschaft am Fuße der Pyrenäen versetzt. Man versteht kein Wort, doch Stimme und Melodie berühren die Seele. Man spürt hier den Stolz dieses kleinen Volkes, das seit Jahrhunderten um Selbstbestimmung kämpft.

Katja und Marielle Labèque stammen aus Bayonne, dem französischen Teil des Baskenlandes. Maurice Ravel wurde im baskischen Ciboure, eine halbe Autostunde südlich geboren. Mit ihrem ungewöhnlichen SHMF-Abend präsentieren die Schwestern und ihre baskischen Kollegen einen herzerwärmenden Einblick in die Klangwelt der spanisch-französischen Grenzregion und bringen dem Publikum die musikalischen Wurzeln Ravels nahe. Ganz besonders faszinierend das Schlagwerkduo Oreka TX und ihr Txalaparta, ein dem Xylophon ähnliches Instrument aus Klanghölzern, die mit dicken runden Klöppeln senkrecht von oben bearbeitet werden und einen wunderbar warmen Sound erzeugen.

Höhepunkt dann Ravels „Bolero“ auf Baskisch – mit zwei Klavieren, Trommel, Schellen, Ziegenglocke und Fingerschnipsen. Wunderschön zart und rau, meditativ und ungestüm. So behutsam und ehrfürchtig hat man Ravels Hit wohl noch nie gehört.
Als Zugabe noch einmal ein traditionelles, volkstümliches Lied von Thierry Biscary und Bixente Etchegaray – Accapella at its best. Den beiden Sängern des Ensemble Basque hätte man noch stundenlang zuhören können.

Schleswig-Holstein Musik Festival 2017
Katja und Marielle Labèque: Roots
Maurice Ravel
- Ma mère l'oye / Ballettmusik
- Rhapsodie espagnole
- Boléro / Fassung für zwei Klaviere und Percussion
sowie baskische Volksmusik


Abbildungsnachweis:
Header: Katia und Marielle Labèque. Foto: PR Weingold & Böhm

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