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Endless: Lost Lake

Die französischen Musiker David Haudrechy (Saxophon) und Grégoire Aguilar (Piano) gehen mit ihrem neuen Album „Lost Lake“ auf eine kontemplative Reise.
Ob es sich bei „Lost Lake“ um den im US-Bundesstaat gelegenen gleichnamigen See handelt, der es mit jährlicher Regelmäßigkeit in die medialen Schlagzeilen schafft, ist ungewiss. Aber so ein wenig Phänomen darf auch das Album sein, denn der wahre „Lost Lake“ verschwindet einmal im Jahr gänzlich und zieht sich in den Untergrund des ‚Mount Hood National Parks’ in ein uraltes Lava-Bett zurück.

Entlegen, verloren, schwer wieder auffindbar sind auch die Vokabeln, mit denen man den „Lost Lake“ von Endless – so der Name des Duos – beschreiben würde. Der einsame See ist wie ein Refugium für etwas anderes, Neues. Ausspannen aus den sonstigen Produktionen – bei Haudrechy die Arbeit mit der Bigband Initiative H und bei Aguilar beispielsweise mit dem Jazz Addict Trio oder dem Esther Nourri Duo, tut den Musikern offensichtlich gut. Wir dürfen uns mitentspannen, wenn sie genreübergreifend die Instrumente bedienen und den Blick auf einen ruhig und entlegenen See im Kopfkino wachrufen. Der romantische Begriff „Erhabenheit“ würde einem deutschen Landschaftsmalerei-Liebhaber bei der Musik einfallen. Sie ist nämlich wie der Sound-Track zu den eigenen inneren Bildern und den Vorstellungen von entrücktem Da-Sein in einer unverbrauchten Naturlandschaft, deren Schwingungen sich extrem von denen aller anderen Verortungen unterscheidet.

Endless: Lost Lake COVERDie besonders dialogisch aufgebaute CD findet durch die beiden Protagonisten sehr unterschiedliche musikalische Schattierungen und Spannungen – vieles ist im rhythmisch-melodischen Fluss, in milder Bewegung, entdeckt dann in sich doch eine Steigerungsform und weitere Herausforderung, bevor es sich wieder zur Besinnlichkeit überreden lässt. Entspannung pur.
Von den elf Kompositionen stammen neun aus den Federn des Duos. Gerade bei diesen zeigen die beiden Künstler ihre Idee von Repertoire und die Vielseitigkeit. Von voll und scheinbar durchkomponierten Stücken wie bei „Galactic Lake“, über die pure Luftigkeit des Aufnahme- und Entwicklungsprozesses bei (einem) „Polaroïd“, bis zu fragmentarischen Andeutungen im letzten Stück „Little King“.

Wunderbar ist übrigens die Balladeninterpretation „Ùtviklingssang“ (Norwegisch; zu Deutsch: „Entwicklungslied“), komponiert von der kalifornischen Jazzpianistin Carla Bley. Die „Endless“-Version bringt – obwohl es sich lediglich um die Duoinstrumente handelt – eine gehörige Portion Tiefe in das Stück, vergleicht man es mit dem Original der Carla Bley Big Band aus dem Jahr 1980. Letztgenannte spielen das Stück eher wie eine nordische Reisebeschreibung, dabei inspirierten die Komponistin Bley Umwelt-Proteste während eines Oslo Besuchs Ende der 1970er-Jahre. Es gehört damit wohl zu den ästhetischsten Protestliedern überhaupt.

Das zweite Stück, dass nicht von „Endless“ komponiert wurde, stammt von Henry Mancini. Bekannt wurde der Jazz- und Filmkomponist in den 60er-Jahren mit dem Thema aus „The Pink Panther“ und mit „Charade“, für den gleichnamigen Film (1963, R: Stanley Donen) komponiert. Das Stück im Stil eines französischen Walzers spielen Haudrechy und Aguilar zwar zunächst ebenfalls in der Tradition eines Tanzes, jedoch entfernen sie sich immer weiter vom Original und bleiben lediglich der Grundmelodie treu.

Auf dem Album ist nichts definitiv abgeschlossen, es könnte nach 55 Minuten durchaus so weitergehen.

Endless: Lost Lake
David Haudrechy – soprano saxophone; Grégoire Aguilar – piano
Label: Neuklang
CD, MP3

Hörprobe
YouTube-Video:
ENDLESS, Nouvel Album “LOST LAKE" [EPK]


Abbildungsnachweis:
Header: Endless. Foto: Romain Serrano
CD-Cover

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