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Mit der Neupräsentation der Mittelalter-Sammlung setzt das Museum für Kunst und Gewerbe (MKG) den Fokus auf eine weitere Weltreligion: das Christentum. Religion und Kunst sind in der christlichen Gesellschaft des Mittelalters besonders eng miteinander verbunden. In einer Zeit, in der nur wenige Menschen lesen und schreiben können, übernehmen Kunstwerke die wichtige Aufgabe, die zentralen Inhalte der christlichen Lehre zu vermitteln. Die rund 100 gezeigten Objekte – sakrale Bildwerke, Schatzkunst, liturgisches Altargerät und Devotionalien – ermöglichen auch aus heutiger Sicht einen emotionalen Zugang zum Weltbild, zu den Glaubensvorstellungen und -praktiken im Mittelalter.


Sie erschließen die drei Grundpfeiler des christlichen Glaubens – die Menschwerdung Gottes, den Opfertod Christi und die Auferstehungsverheißung. Diese Grundsätze gelten bis heute für Christen aller Glaubensrichtungen und bilden die Schwerpunktthemen der neuen Sammlungspräsentation. Jeder der drei Hauptausstellungsräume ist einem Aspekt gewidmet und beinhaltet ein zentrales Werk: Das spätgotische Christuskind von Gregor Erhart (1470—1540) veranschaulicht die Geburt des Messias. Eine Gebetsnuss mit der Darstellung der Kreuzigung verweist auf den Tod Christi. Der berühmte Osterteppich aus dem Kloster Lüne schließlich, der erstmals der Öffentlichkeit dauerhaft präsentiert werden kann, steht für die Auferstehung Christi. Weitere Hauptwerke der Ausstellung sind die Thronende Madonna aus Elfenbein, die Muttergottes auf der Mondsichel von Tilman Riemenschneider (um 1460—1531), die Stehende Madonna mit Kind von Nikolaus Gerhaert von Leyden (1420—1473), das Lektionar aus der St. Petrikirche in Hamburg von Hinrik Lampspring (Meister 1378, nach 1418), das Georgsreliquiar und die Servatiusplatten von der Reliquienbüste des heiligen Servatius.

Geburt: Gott wird Mensch
Den Auftakt der Ausstellung bilden Objekte zur Geburt Christi. Am Anfang des Christentums steht die Geburt des Messias, die Inkarnation (Fleischwerdung) Gottes: Gott wird Mensch. Die Hauptfigur ist das Christuskind aus dem Zisterzienserinnenkloster Heggbach. In der Skulptur zeigt sich, dass Gott zum Menschen geworden ist, ein kleines Kind aus Fleisch und Blut. Weltkugel und Segensgestus deuten auf die göttliche Schöpfung und auf Christus als Heil bringenden Erlöser und künftigen Weltenrichter hin. So wird die Zwei-Naturen-Lehre anschaulich, die besagt, dass Christus Mensch und Gott zugleich ist.
Auch Christi Mutter Maria erfährt als Gottesmutter und Fürsprecherin für das Seelenheil der Gläubigen besondere Verehrung. Das Verhältnis von Mutter und Kind wird in seiner Entwicklung von der repräsentativen Haltung eines segnenden Gottes hin zur zärtlichen Mutter-Kind-Beziehung gezeigt anhand der beiden frühen Elfenbein-Madonnen, der spätgotischen Steinmadonna von Niklas Gerhaert van Leyden und der Maria auf der Mondsichel von Tilmann Riemenschneider. Das Überirdische, das Göttliche, wird im Laufe der Jahrhunderte in eine naturalistische Bildsprache umgesetzt und so für den Gläubigen nachvollziehbar. In der Ausstellung werden große Kultbilder aus dem Kirchenraum kleinformatigen Bildwerken der privaten Andacht gegenübergestellt.

Einen kleinen Exkurs zur Marienverehrung bildet die Rosenkranztafel. Besonders im Spätmittelalter ist die Praxis des Rosenkranzgebets zur Fürbitte der Muttergottes beliebt. Ein Gebet vor dem Bild der heiligen Maria, die hier zusammen mit dem Christuskind und den Engeln Rosenkränze an geistliche und weltliche Würdenträger verteilt, bietet Schutz vor der Pest und anderen Krankheiten. Doch Gebeten müssen auch gute Taten folgen: das französische Minnetäschchen dient zur Aufbewahrung von Münzen für mildtätige Zwecke. Gebete allein reichen für das Seelenheil nicht aus. Es ist der konsequente Sinneswandel, der in guten Werken – wie Almosen für die Armen – seinen Ausdruck finden muss, denn neben der Liebe zu Gott ist die Nächstenliebe zum Mitmenschen zentral für das christliche Handeln. Der französische Klappaltar aus Elfenbein leitet über zum nächsten Thema. Auf dem kleinen Hausaltar sind in der Mitte die Anbetung des Christuskindes durch die heiligen drei Könige und die Kreuzigung dargestellt.

Tod: Die Kreuzigung – Der Opfertod Christi
Hier wird das nächste christliche Dogma thematisiert: Der Opfertod des Gottessohnes. Der Raum ist auf wenige Objekte reduziert. Ein gotisches Kruzifix mit dem leidenden Gekreuzigten wird einer Abfolge von zehn kleinen Gekreuzigten gegenübergestellt, die ursprünglich vergoldete Altar- und Vortragekreuze geziert haben. Sie verdeutlichen die Entwicklung des Christusbildes vom triumphierenden Gott mit Königskrone am Kreuz hin zum leidenden Menschen Jesus Christus mit der Dornenkrone, der qualvoll stirbt. Im Zentrum des Raumes steht eine kleine aufklappbare Gebetsnuss. Filigrane Mikroschnitzereien im Innern zeigen die historische Kreuzigung auf dem Kalvarienberg und die liturgische Gregorsmesse. Betnüsse werden für die private Andacht genutzt und sind zugleich ein beliebtes Sammelobjekt. Die Betrachtung des Gekreuzigten gehört zu den wichtigsten Mitteln der Passionsandacht. Man räumt ihr im Mittelalter einen hohen Stellenwert für die Kontemplation ein. Die Intimität des kleinen, in Dunkelheit getauchten Ausstellungsraumes und die Konzentration auf wenige, aussagekräftige Werke erzeugt eine Art kontemplative Situation.

Auferstehung: Die christliche Paradiesverheißung
Den Abschluss und Höhepunkt der christlichen Glaubenslehre bildet die Auferstehung Christi. Der Raum wird durch den Osterteppich aus Kloster Lüne erfüllt, auf dem Christus siegreich seinem Grab entsteigt. So hat der Besucher die christliche Paradiesverheißung unmittelbar vor Augen. Zahlreiche Symbole, die auf den Teppich gestickt sind, beziehen sich auf Christus und die grundlegenden Dogmen. Der Teppich wird ergänzt durch weitere Objekte mit Symbolkraft: Aquamanile (Gießgefäße für die Handwaschung) in Tierform, ein Kästchen mit dem Heiligen Grab und ein Weihrauchgefäß, dessen Architektur ein Abbild des Himmlischen Jerusalem ist. Ein kleines byzantinisches Gefäß etwa trägt eines der ältesten Christussymbole, den Fisch, der besonders zur Zeit der Christen-verfolgung als verstecktes Erkennungszeichen der Anhänger Jesu bedeutsam ist.

Glaubenspraxis
Während in den drei Haupträumen der Fokus auf einzelnen, ausgewählten Bildwerken liegt, in denen sich die zentralen Inhalte des christlichen Glaubens widerspiegeln und somit die mittelalterliche Vorstellungswelt erfahrbar wird, liegt der Fokus in der Galerie auf der Ausübung der Religion. Prunkvolle Artefakte erzählen von der Ausübung der alltäglichen Glaubenspraxis in der Liturgie, in der Heiligenverehrung und im Reliquienkult.

Liturgie – Der Gottesdienst als Himmelsschau: Der christliche Glaube findet im Mittelalter seinen besonderen Ausdruck in der Feier des Gottesdienstes. Die Ordnung und Gesamtheit der religiösen Zeremonien und Riten bezeichnet man als Liturgie. „Zur höheren Ehre Gottes“ werden für liturgische Kultgeräte die edelsten Materialien verwendet, um die heiligen Handlungen im Kirchenraum in ihrer Bedeutung und Würde zu steigern. Sie bilden den Kirchenschatz. Ein Hauptwerk in dieser Gruppe ist das Lektionar (lat. lectio >Lesebuch<) aus der Hamburger Petrikirche mit der Darstellung des thronenden Christus als Weltenrichter, begleitet von den Symbolen der vier Evangelisten. Das prachtvoll eingebundene liturgische Buch enthält die biblischen Lesungen und Predigttexte sämtlicher Tage des Kirchenjahres.
Heiligenverehrung und Reliquienkult: Die ausgestellten kostbaren Hüllen der Reliquien, die Reliquiare, bergen für den Christen des Mittelalters ein überaus kostbares Gut, das sich in den wertvollen Materialien der Gefäße widerspiegelt. Sie werden nur zu speziellen religiösen Anlässen aus der kirchlichen Schatzkammer geholt und den Gläubigen präsentiert. Besonders kostbare Zeugnisse sind die Servatiusplatten von der Reliquienbüste des heiligen Servatius in Maastricht – ein Hauptwerk der Goldschmiedekunst um 1400 im Stil der erzählerischen Kunst Jan van Eycks – und das Georgsreliquiar aus dem Besitz der Elbinger Georgsbruderschaft.

Die Neueinrichtung der Sammlung Christentum im Mittelalter wird ermöglicht durch die großzügige Unterstützung von Saalpaten: Georg W. Claussen, Helga Krause und die Justus Brinckmann Gesellschaft, Freunde des Museums für Kunst und Gewerbe Hamburg

Eröffnungsprogramm am Sonntag, 24. März 2013
14.00 Uhr Nähe im Leiden. Passionsfrömmigkeit im Mittelalter
15.00 Uhr Wertvoll und heilig. Schatzkunst im Mittelalter
16.00 Uhr Maria, in Demut mächtig. Bilder mittelalterlicher Marienverehrung
17.00 Uhr Schutzpatron und Fürsprecher. Heiligenverehrung im Mittelalter
14.30 Uhr Bausatz Gregorianik / Prof. Frank Böhme, Hochschule für Musik und Theater Hamburg
15.30 Uhr Die Schönheit der Notenschrift / Olaf Kirsch, Kurator der Sammlung Musikinstrumente
16.30 Uhr Aus der Hand singen / Prof. Frank Böhme, Hochschule für Musik und Theater Hamburg
17.30 Uhr Magister Cerasus legt auf / Olaf Kirsch, Kurator der Sammlung Musikinstrumente
14.00 Uhr Zeitreise in die Welt der Ritter und Burgfräulein mit historischen Kostümen (ab 8 Jahren)
15.00 Uhr Kinderbuchautorin Kirsten Boie liest aus ihrem Bestseller „Der kleine Ritter Trenk“
Ostersonntag, 31. März 2013, 14.00 Uhr
Der Osterteppich in der neu eröffneten Sammlung Christentum im Mittelalter /
Angelika Riley, Kuratorin der Sammlung Mode und Textil
Ostermontag, 1. April 2013, 12.00 Uhr
Rundgang durch die neu eröffnete Sammlung Christentum im Mittelalter /
Dr. des. Christine Kitzlinger, Kuratorin der Sammlungen Europäisches Kunsthandwerk und Skulptur
 

Quelle: MKG

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