Bildende Kunst
Andy Warhol, Holstentor (pink), 1980, © Andy Warhol Foundation for the Visual Arts Artists Rights Society (ARS), New York, Installationsansicht Kunsthalle St. Annen, Lübeck, Foto: Thorsten Wulff

Aus der Not geboren ist die Frühlings-Ausstellung in der Kunsthalle St. Annen in Lübeck, wenn auf drei Etagen Werke aus den Magazinen dreier Museen gezeigt werden.

 

St. Annen ist ein spätgotisches Kloster mit einem modernen Anbau. In seinen alten Teilen, und noch dazu ganz oben unter dem Dach, befindet sich sein Depot – nicht zuletzt aus Brandschutzgründen kein sehr geeigneter Ort für wertvolle Kunstwerke.

 

Dazu kommen die Schwierigkeiten beim Transport großer Gemälde oder von Plastiken aller Art, denn es bieten sich hierfür nur ein kleiner Aufzug und eine enge Treppe an. So geht es also nicht mehr, und auf dem Weg zu einer Neuorganisation des Inventars, seiner digitalen Erfassung, der Restaurierung vieler beschädigter Kunstwerke und endlich ihrer geplanten Unterbringung in einem zentralen Depot bot sich eine Ausstellung an, die manche lange nicht gezeigte Werke präsentiert und den Besuchern zusätzlich einen Eindruck verschafft von der Lagerung der Bilder oder von den Schäden, die endlich ausgebessert werden wollen. So bietet die Präsentation von gut 168 Objekten dem Museum die erwünschte Gelegenheit, die Besucher mit alltäglichen, aber meist verborgenen Problemen seiner Arbeit bekannt zu machen.

 

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Kunstwerke aus drei Museen vom Hochmittelalter über Renaissance, Romantik und klassische Moderne bis zu Arbeiten der heutigen Zeit: Den roten Faden einer solchen Ausstellung wird niemand in der Zusammenstellung der Kunstwerke suchen wollen, sondern in der Darstellung der Arbeit eines Museums. Obwohl es ziemlich viele hochwertige Kunstwerke zu sehen gibt, ist eben dies der Grund, warum der Besuch der Ausstellung sich lohnt.

 

Besonders interessant ist zunächst die Unterbringung von Bildern und Skulpturen in einem Depot, das den normalen Besuchern natürlich nicht zugänglich sein kann oder darf. In dieser Ausstellung wurde deshalb ein Schaudepot eingerichtet, das zwar ebenfalls nicht betreten werden darf, in das wir aber von einem Treppenabsatz aus hineinschauen können. Ebenso interessant oder interessanter noch als die Aufbewahrung ist die Restaurierung beschädigter Kunstwerke, von denen gleich mehrere vorgeführt werden. Ein besonders schönes Beispiel ist ein Verkündigungsengel des frühen 15. Jahrhunderts aus der Marien-Kirche. Einer seiner Flügel musste neu verleimt werden – aber wie soll das geschehen, wenn die Restauratorin keine Zwingen ansetzen darf? Sie half sich vorläufig mit alten Fahrradschläuchen, die sicherlich fehlen werden, wenn der Engel im Herbst in die Dauerausstellung kommt.

 

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Installationsansicht Kunsthalle St. Annen, Lübeck. Foto: © Felix König

 

Geradezu spektakulär ist der Silberschatz des St. Annen-Museums, der über Jahrhunderte hinweg verborgen blieb. Im 16. Jahrhundert, nachdem die Reformation Einzug in Lübeck gehalten hatte, wurden viele sakrale Gegenstände eingeschmolzen. Manche allerdings haben überlebt, und manche stammen aus dem 17. und 18. Jahrhundert und damit aus protestantischen Zeiten. Darunter als ein besonders schönes Stück ein Klingelbeutel. Wer denkt nicht, dass dieses Gerät wegen des Klingelns der Taler oder Pfennige so genannt wurde? Aber weit gefehlt! Tatsächlich besaßen Klingelbeutel tatsächlich eine Klingel, denn wer den Kirchenschlaf liebte, konnte jetzt nicht mehr so tun, als habe er die Mahnung nicht verstanden… Alle diese Geräte – darunter kunstvoll gearbeitete, also punzierte und sogar vergoldete Altarkannen und Altarleuchter – werden jetzt nach und nach restauriert, bevor sie in die ständige Sammlung aufgenommen werden, und einige ausgewählte Stücke des Silberschatzes werden schon jetzt im Untergeschoss der Kunsthalle – die ja auf dem Grundriss der ehemaligen Klosterkirche errichtet wurde – gezeigt: ziemlich genau dort, wo früher der Altar gestanden haben muss.

 

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Barocker Silberschatz der St. Annen-Kirche, St. Annen-Museum, Lübeck. Foto: © Felix König

 

Die Ausstellung bietet einen bunten und anregenden Mix. Nicht wenige große Namen – zum Beispiel Willi Baumeister, Ernst Wilhelm Nay oder Horst Janssen – finden sich unter den Künstlern, dazu leider nur lokal bekannte, deshalb aber nicht weniger begabte Künstler; einer von ihnen war Albert Aereboe. Obwohl bereits nicht wenige Objekte den Besuch lohnen, ist doch der Einblick in die Problematik der Museumsarbeit das eigentliche Thema einer gut durchdachten Ausstellung.


Verlagert. Die Kunst in Bewegung

Zu sehen bis zzm 10. August 2025 im Museumsquartier St. Annen, St. Annen-Str. 15, in 23552 Lübeck

Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 10 – 17 Uhr

Weitere Informationen (Museumsquartier)

Gefördert von: Ernst von Siemens Kunststiftung | Friedrich Bluhme und Else Jebsen-Stiftung Lübeck | Land Schleswig-Holstein, Ministerium für Allgemeine und Berufliche Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur | Possehl-Stiftung Lübeck

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