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Die in Damaskus geborene Künstlerin Simone Fattal (*1942) – Arbeits- und Lebenspartnerin der Künstlerin Etel Adnan (1925-2021) – wird mit dem diesjährigen Rosa-Schapire-Kunstpreis der Freunde der Kunsthalle e. V. ausgezeichnet. Der mit 20.000 Euro dotierte Preis für eine bemerkenswerte Künstlerpersönlichkeit der Gegenwart ist derzeit eine der bedeutendsten Auszeichnungen für Künstler*innen in Deutschland überhaupt.

Fattals meist figürliche Skulpturen aus Keramik oder Ton wirken überzeitlich, und doch ist in ihnen Geschichte akkumuliert. Die diesjährige Jurorin Susanne Pfeffer – seit 2018 Direktorin des Museums für Moderne Kunst (MMK) in Frankfurt am Main – hatte Fattal ausgewählt. Pfeffer beschreibt die Stärke von Fattals Arbeiten mit der »Einfachheit und Direktheit ihrer Figuren«. Das Handgeformte unterstreiche dabei die Reflektion des Menschen in seiner vollkommenen Archaik. Die Auszeichnung wird in Erinnerung an die außergewöhnliche Kunsthistorikerin Rosa Schapire (1874–1954) vergeben. Die Freunde der Hamburger Kunsthalle e. V., mit über 17.000 Mitgliedern zu den mitgliederstärksten Freundeskreisen im deutschsprachigen Raum zählend, loben den Rosa-Schapire-Kunstpreis jährlich aus. Mit Zuwendungen in Höhe von rund 500.000 Euro unterstützten die Freunde zudem die Kunsthalle jedes Jahr beim Erwerb von Kunstwerken und der Ausstellungsfinanzierung.

Der Preis wird am 9. September 2022 im Rahmen der Saisoneröffnung für geladene Gäste im Thalia Theater vom Kunsthallen-Direktor Prof. Dr. Alexander Klar und dem Vorstandsmitglied der Freunde der Kunsthalle Barbara Mirow an die anwesende Simone Fattal übergeben. Die im Anschluss stattfindende Uraufführung „H“ 100 seconds to midnight ist unter anderem inspiriert von Texten der Malerin und Schriftstellerin Etel Adnan: Die Hamburger Kunsthalle hat jüngst drei Gemälde Adnans von der Stiftung Hamburger Kunstsammlungen als Dauerleihgabe erhalten. Adnan und Fattal hatten sich in den 1960ern in Beirut kennengelernt.

Die Preisträgerin Simone Fattal wurde 1942 in Damaskus, Syrien geboren. Nach dem Philosophie-Studium in Beirut und Paris begann sie 1969, zurück in Beirut, als Malerin zu arbeiten und schuf abstrakte Landschaften in lichten Gelb-, Pink- oder Türkistönen. 1980, zermürbt vom Krieg im Libanon, ging sie nach Sausalito, Kalifornien, wo sie einen Verlag für experimentelle Literatur gründete und 1988 zur bildenden Kunst zurückkehrte. Ihre Skulpturen, Aquarelle, Gemälde und Collagen tragen Erinnerungen an ihre Geburtsstadt, an Beirut, die Wüste, Mesopotamien und die alten Hochkulturen in sich. Aus Ton formt Fattal unter anderem immer wieder Figuren mit Bezügen zum Gilgamesch-Epos, zur Odyssee oder der Bibel. In ihren archetypischen Gestalten sind die Ereignisse der jüngsten Geschichte wie der Irakkrieg, der libanesische und syrische Bürgerkrieg gleichermaßen aufbewahrt und machen ihre Arbeiten zeitlos und dennoch politisch. Fattal hatte im Frühjahr 2022 eine Einzelausstellung in der Londoner Whitechapel Art Gallery, war zeitgleich im Berliner Gropius Bau an Beirut and the Golden Sixties beteiligt und ist derzeit auf der 59. Biennale in Venedig eingeladen. Die Künstlerin lebt und arbeitet in Paris.

Die Jurorin Susanne Pfeffer ist Kunsthistorikerin und Kuratorin, deren bisherige Stationen vom Künstlerhaus Bremen über die Kunstwerke in Berlin und das Museum Fridericianum in Kassel bis zum Museum für Moderne Kunst (MMK) in Frankfurt am Main reichen. Als Kommissarin des deutschen Pavillons bei der Venedig-Biennale 2017 erstritt sie mit der Arbeit von Anne Imhof den Goldenen Löwen für den besten Länderbeitrag. 2021 kürte sie das Kunstmagazin Monopol zur drittwichtigsten Persönlichkeit der internationalen Kunstwelt.

Rosa Schapire (1874-1954) gilt als große Vorkämpferin der zeitgenössischen Moderne, die sich mit Mut und Leidenschaft insbesondere für den Expressionismus eingesetzt hat. Der Rosa-Schapire-Kunstpreis ist dem unerschrockenen Geist seiner Namensgeberin verpflichtet. Er wird von jährlich wechselnden Juror*innen vergeben, die zuvor vom Direktorat der Kunsthalle berufen werden. Prof. Dr. Alexander Klar hatte Susanne Pfeffer für den Jury-Posten für das Jahr 2022 ausgewählt. Die vorangegangenen Preisträger*innen waren – vor einer Corona-bedingten Pause der Preisverleihung – 2019 die französische Bildhauerin und Installationskünstlerin Tatiana Trouvé, 2018 die polnische Pionierin der feministischen Kunst Natalia LL, 2017 die portugiesische Bildhauerin, Zeichnerin und Photographin Ana Jotta sowie 2016 der für seine raumgreifenden Zeichnungsinstallationen bekannte rumänische Künstler Dan Perjovschi.

Dr. Ekkehard Nümann, Vorsitzender der Freunde der Kunsthalle, betont: »Mit Simone Fattal wird eine außergewöhnliche Künstlerin prämiert, deren Leben und Werk entscheidend von den Kriegsszenarien in ihrem Heimatland geprägt wurde und deren tiefe Leidenschaft für Kunst und Literatur sie mit Rosa Schapire eint.«


Quelle: Hamburger Kunsthalle

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