In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war es für Frauen nicht leicht, ein Geschäft zu führen, ein Handwerk auszuüben oder gar Alpinistin zu sein.
Die Fotografie galt – ob der „Gefährlichkeit“ wegen der chemischen Prozesse und des Gewichts der Ausrüstung – als Männersache, ebenso wie das Besteigen von Bergen. So findet man am Beginn des Alpinismus und der Bergfotografie hauptsächlich selbstbewusste, finanziell unabhängige Frauen aus gutbürgerlichen oder adeligen Kreisen, die Alpinistinnen und Fotografinnen waren.
Ihre alpinen Erlebnisse in Bildern veröffentlichten sie oft unter Pseudonymen, dem Namen ihrer jeweiligen Ehepartner. Viele Fotografinnen arbeiteten in den Labors ihrer Ehemänner, wie Martha Attinger, Hanni Bernhard oder Rose Marie Schudel-Ingold, und fanden – bis auf Annoncen für ihr Handwerk in regionalen Zeitungen – kaum Beachtung.
Die wohl erste bekannte Bergfotografin war Franziska Möllinger (1817–1880) aus Trier, die 1836 als junge Frau ins schweizerische Solothurn kam; bereits 1844 erstellte sie Daguerreotypien des Berner Oberlandes und vertrieb diese als Lithografien.
Für die britische Alpinistin, Fotografin und Autorin Elizabeth Main (1861–1934) war der Fotoapparat ständiger Begleiter. Ihre Bilder – sie haben fast ausschließlich die neu entdeckte Alpenwelt und die frühen Wintersportarten zum Thema – erregen Aufsehen und illustrieren bald wichtige Bücher über die Bergwelt. Bei ihrem ersten Besuch im Engadin in Pontresina – später steigt sie im Hotel Kulm in St. Moritz ab – verliebt sie sich auf Anhieb in diese einmalige Landschaft und bleibt ihr über zwanzig Jahre lang treu. Sie besucht den Maler Giovanni Segantini (1858–1899) in Maloja und lichtet ihn auf dem Schwarzeis des Silsersees ab. Als Promotorin des Wintersports engagiert sie sich im Komitee für den Cresta Run, schießt davon die ersten spektakulären Fotos, besteht als erste Frau den Skating-Männertest auf dem Eis, organisiert daneben Hilfsfonds für weniger bemittelte Gäste und: Sie dreht die ersten Filme im Engadin.
Ein Teil ihrer Fotografien kam 1994 ins Kulturarchiv Oberengadin nach Samedan. Es sind einmalige Dokumente, gesehen mit Schärfe und Respekt, ohne Verklärung, Zeugnisse der noch unberührten Oberengadiner Landschaft, als diese gerade entdeckt wurde und nicht zuletzt durch Elizabeth Mains Wirken eine beispiellose Anziehungskraft auszuüben begann.
Am Fornogletscher, Südliche Bergeller Berge/Bernina-Gruppe, Schweiz, 1896. Fotografin: Elizabeth Main; Kulturarchiv Oberengadin/Samedan, Schweiz
Eine der ersten Bergfotografinnen, die sich alpinistisch wie künstlerisch mit Vittorio Sella (1859–1943) messen konnte, war Baronesse Giulia de Rolland (1842–1929), die 1893 bei der Ausstellung des CAI in Turin eine Bronzemedaille erhielt. Ihre Fotos allerdings sind verschollen. Viele der frühen Alpinistinnen wie Lily Bristow (1864–1935), Amelia Edwards (1873: „Untrodden Peaks and Unfrequented Valleys“), Elizabeth Fox Tuckett (1871: „Zigzagging amongst Dolomites“) und Miriam O’Brien (1898–1976) illustrierten umfangreiche Berichte über die Bergtouren ihrer Männer oder Bergkameraden mit selbst angefertigten Fotografien.
Die Aufzählung aller fotografierenden Alpinistinnen der Zeit zwischen 1865 und 1920 würde diese virtuelle Ausstellung sprengen. Vier werden zurzeit im Lumen Museum in Bruneck ausgestellt, wobei Elizabeth Main als hervorragende Fotografin, Alpinistin und „Begründerin“ des Winteralpinismus einen besonderen Platz einnimmt. Mit Gertrude Bell, Annie Smith Peck und Una May Cameron werden drei weitere Alpinistinnen, Reiseschriftstellerinnen und Frauenrechtlerinnen mit ihren Werken präsentiert.
Bells Bergführer Heinrich und Ulrich Fuhrer, Grindelwald/Schweiz, 1901 (Fotografin: Gertrude Bell; Gertrude Bell Archive, Special Collection, Newcastle University)
Pionierinnen der Bergfotografie
Die Wechselausstellung ist zu sehen bis zum 24. April 2025 im Museum Lumen,
Seilbahnstraße 10, I-39031 Bruneck/Brunico, Italien
Kurator: Richard Piock (TAP - Süd)
Eine Ausstellung in Zusammenarbeit mit Soroptimist Club Pustertal und dem Tiroler Photoarchiv Süd.
- Weitere Informationen (Lumen)
- Weitere Informationen (TAP-Süd)
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