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Die jüngsten Nachrichten aus Bayreuth zur Jubeljahr-Saison 2013 verzeichnen eine nette Fußnote: „Am Freitag, den 28. Juni ereignete sich Großes in der Münchener Innenstadt: in einem Freiluftspektakel traten Wagner und Verdi gegeneinander an und die Zuschauer konnten sich entscheiden, wem sie ihre Unterstützung zukommen lassen wollten.
Zwei riesenhafte Puppen verkörpern die Komponisten, die unterstützt wurden durch eine Armada von Blaskapellen, Musikern des Bayerischen Staatsorchesters und natürlich den zahlreichen Besuchern.
Diese mussten, um anzuzeigen, welche Partei sie ergreifen wollten, in blau (Richard Wagner) und rot (Guiseppe Verdi) gekleidet erscheinen. Erdacht wurde das Spektakel von der katalanischen Theatergruppe La Fura del Baus und dem Münchner Komponisten Moritz Eggert.“
Warum Verdi neben Wagner wird man sich fragen – auch der Italiener feiert in diesem Jahr 200. Geburtstag, er wurde wie Wagner 1813 geboren.

Die verrückte Theatergruppe ‚La Fura del Baus’ hat den wohl bemerkenswertesten Ring inszeniert, der zur Zeit auf DVD zu haben ist.
Die Truppe und Maestro Zubin Metha stellten diesen Ring 2007 im neuerbauten futuristischen Operhaus von Valencia ‚Palau de les Arts Reina Sofia’ auf die Bühne. Zubin Mehta wurde 1936 in Bombay in Indien geboren. Mehta war von 1962 bis 1978 Musikdirektor des Los Angeles Philharmonic Orchestra. 1969 wurde er außerdem musikalischer Berater des Israel Philharmonic Orchestra, wo man ihn 1977 zum Chefdirigenten und 1981 zum Music Director auf Lebenszeit ernannte. Als Operndirigent arbeitete Zubin Mehta in Montréal, an der Metropolitan Opera in New York, an der Wiener Staatsoper, an der Bayerischen Staatsoper, am Londoner Royal Opera House Covent Garden, an der Mailänder Scala und den Opernhäusern von Montréal, Chicago, Berlin (Deutsche Oper) und Florenz sowie bei den Salzburger Festspielen.
Der ‚Ring von Valencia’ ist in seiner Art in der Tat wohl einmalig. Das Ganze wurde als ein Riesenspektakel aufgezogen – moderne Video- und Lichteffekte, die Götter werden auf sich bewegenden Wagen hin und hergeschoben – es wird ein dreidimensionales Bühnenerlebnis erreicht mit Film-Einspielungen und plastischen 3D-Szenerien.
Das Ganze mutet etwas an wie ein großer Welt-Zirkus und ist ungeheuer unterhaltsam. Wer gerne mal alles ‚Schwerblütige“, das oft mit Wagner (fälschlicherweise) verbunden wird, vergessen möchte – hier ist der Ring für das 21. Jahrhundert.

La Fura suchte sich ein ganz modernes Thema für diesen Ring: Dargestellt sollte wird, wie der Mensch mit Technologie die Natur vernichtet. Die tausend tollen Einfälle, mit denen diese zirzensische Theatergruppe den Ring zum spannenden visuellen Erlebnis machen, sind kaum aufzuzählen – die Rheintöchter, zum Beispiel, kommen in riesigen Aquarien auf die Bühne und müssten wahrhaftig tauchen und schwimmen – toll anzusehen!
La Fura sind echte Straßen-Akrobaten die ihre direkten und verrückten Einfälle in diese Oper einbauen und so ein ganz neues Wagner-Erlebnis ermöglichen.
Die Sänger sind erfahrene Wagner Interpreten wie Matti Salminen als Hunding und Hagen, Peter Seiffert als Siegmund oder Lance Ryan als Siegfried und auch neue Darsteller wie der finnische Bass-Bariton Juha Uusitalo als Wotan oder Franz-Josef Kapellmann als Alberich und Jennifer Wilson als Brünnhilde.
Der Fura-Ring aus Valencia hat sicher den größten Spaßfaktor der hier vorgestellten Inszenierungen.

4 Blue Ray Disc Richard Wagner „Der Ring des Nibelungen“, mit La Fura dels Baus aus Valencia 2003 mit u.a. Juha Uusitalo (Wotan), Franz-Josef Kapellmann (Alberich), John Daszak(Loge), Anna Larsson (Fricka), Peter Seiffert (Siegmund), Petra Maria Schnitzer (Sieglinde) Jennifer Wilson (Brünnhilde), Lance Ryan (Siegfried), Gerhard Siegel (Mime) Matti Salminen (Hunding & Hagen). Es spielt das Orchestra del la Communitat Valenciana, Musikalische Leitung: Zubin Mehta.
Zu haben bei Unitel Classica - keine Bestellnummer angegeben .

Das letzte Werk Richard Wagners, der ‚Parsifal“ war immer eine Oper von besonderer Bedeutung. Er ist eine Art Liebeserklärung an Religion und Mystik ohne sie wirklich zu nennen und seine transzendentale und berückende Musik fragt nach einer besonderen Inszenierung.
Ich liebe die von Otto Schenk an der Met von 1992 unter James Levine. Viele mögen sie eher kitschig nennen, weil Schenk und Levine sich zum Ziel setzten Wagners Gedankenwelt wort- und szenen-getreu – das heißt in diesem Fall naturalistisch – umzusetzen. Ich kann das nur mal gut finden.
Wer den tieferen Sinn des ‚Parsifal’ verstehen möchte, dem sei sicherlich diese einmalige Inszenierung empfohlen.

Otto Schenk wurde 1930 in Wien geboren und ist Schauspieler, Kabarettist, Regisseur und Intendant. Erk spielte und inszenierte an den bedeutendsten Schauspiel- und Opernhäusern der Welt, darunter am Wiener Burgtheater, den Münchner Kammerspielen, der Wiener Staatsoper, der New Yorker Metropolitan Opera, der Mailänder Scala und dem Royal Opera House in Covent Garden, London.

Weitere Operninszenierungen erarbeitete er für die Deutsche Oper Berlin, die Bayerische Staatsoper oder die Hamburgische Staatsoper. Für seine ausdrucksstarken Wagner-Interpretationen erhielt er im Jahr 2009 den „Anton-Seidl-Preis“ (Anton-Seidl-Award) der „Wagner-Society of New York“.

James Levine dirigiert diesen ‚Parsifal’ mit ungeheurem Einfühlungsvermögen und eine erste Garde von Sängern steht auf der Bühne – unter anderem das ‚Traumpaar Bayreuths’, Waltraud Meier als Kundry und Siegfried Jerusalem in der Titelpartie
Daneben Kurt Moll als eindrucksvoller, weiser Gurnemanz – wohl selten ist diese Rolle mit so viel ehrlicher Kraft und Überzeugung dargestellt worden.
Kurt Moll wurde 1938 geboren und sang alle führenden Basspartien in Wagners Opern. Bei den Bayreuther Festspielen debütierte er 1967. Am 31. Juli 2006 verabschiedete sich Kurt Moll in der Rolle des Nachtwächters in Richard Wagners Die Meistersinger von Nürnberg bei den Münchner Opernfestspielen von der Opernbühne. Zuvor hatte er bekannt gegeben, dass er sich aus gesundheitlichen Gründen von der Opernbühne zurückziehen müsse.

Franz Mazura singt in dieser Inszenierung den Zauberer Klingsor, es wurde eine Lebensrolle für diesen Sänger und schließlich erlebt man Bernd Weikl als Amfortas – diese Leidens-Darstellung wird wohl kaum jemals besser auf die Bühne gebracht werden können. Der Schlussakt dieser Aufführung ‚Karfreitagszauber’ wurde regelrecht legendär – er ist auch auf YouTube zu bewundern. Ein wirkliches überzeugendes Wagner-Fest.

2 DVD Richard Wagner „Parsifal“, Metropolitan Opera New York, 1992 mit u.a. Siegfried Jerusalem (Parsifal), Waltraud Meier (Kundry), Kurt Moll (Gurnemanz), Bernd Weikl (Amfortas), Franz Mazura (Klingsor), Metropolitan Opera & Chorus, Musikalische Leitung: James Levine.
Zu haben bei Unitel/Deutsche Grammophon unter der Bestellnummer 440 073 032-9.

Wer gerne den ganzen Wagner auf einen Schlag für die persönlichen Opernfestspiele zuhause besitzen, und für das Ganze außerdem wesentlich unter 100 Euro bezahlen möchte, dem sei unsere nächste Empfehlung nahegelegt die ‚Wagner-Edition’ auf 25 DVD.
Diese Sammlung aller bekannten Wagner-Opern in verschiedenen Inszenierungen bietet Aufführungen nationaler und internationaler Opernhäuser jenseits von Bayreuth, die in den letzten 10 Jahren entstanden sind. Das hat seine Vor- und Nachteile. Denn mittlerweile haben sich so viele der Inszenierungen der Wagner Opern völlig von der ursprünglichen Szenerie und Geschichte entfernt, das sie kaum noch in ihrer von Wagner gedachten Form und Dramaturgie wiederzuerkennen sind.
Man inszeniert Wagner eben heute gerne mal völlig modern um und neu, in Regiefassungen, die mit dem Ursprung oft nur noch mühsam etwas zu tun haben.
Trotzdem kann das auch sehr aufregend sein. Namentlich und besonders wegen der neuen und oft jungen Sängergarde, die Wagner für sich entdecken.
Dennoch ist diese Sammlung nicht für diejenigen zu empfehlen, die sich mit den Opern Wagners und werkgetreuen Inszenierungen überhaupt nicht auskennen.
Diese Box bietet eben nicht den „originären“ Wagner, sondern teils wilde spekulative Interpretationen davon. Das ist nichts für den Wagner-Einsteiger.

Hier ein kurzer Abriss was auf den 25 DVD dieser Box zu finden ist – ich habe bis auf ‚Tristan’ und ‚Die Meistersinger’ schon alles angesehen. Wirklich und wahrhaftig sehr, sehr spannend aber eben auch ganz, ganz anders...

"Der fliegende Holländer", Live Aufnahme der De Nederlandse Opera vom Februar 2010. Chor der Niederländischen Oper, Niederländisches Philharmonie Orchester. Musikalische Leitung: Harmut Hänchen. Mit u.a.: Robert Lloyd (Dalland), Juha Uusitalo (Der Holländer) Catherine Naglestad (Senta), Marco Jentzsch (Erik)

Dass ziemlich abwegige Ideen auch mal enden können zeigt diese Inszenierung aus dem Niederländischen Opernhaus in Amsterdam. Der Regisseur hat die Szenerie kurzerhand auf einen modernen Crusier versetzt. Das Ganze spielt an einer Glaswand mit Türen die zum Deck führen und wird dazu zu einem oft klaustrophobischen Erlebnis einer stürmischen Seefahrt. Die Reise auf dem „Alb“-Traumschiff ist spannend sogar manchmal wie ein Action-Spektakel inszeniert – mit vielen brillanten Ideen und gutem Schauspiel statt bombastischen Bauten.
So leitet der wirklich kohlrabenschwarze, düstere Hollaender (Juha Usitalo) eine moderne ‚Sea-Gang’ von schwarzen ‚Hoodies’, die mit Drogen spielen und die Schiffsgäste terrorisieren. Auch der Schluss ist weit von dem, was Wagner einst vorschrieb – der eifersüchtige Jaeger Erik erlöst das Traumpaar Holländer und Senta mit zwei gezielten Schüssen aus seiner Büchse. Ich habe viel Spaß beim Ansehen dieses völlig neuen Holländers gehabt. Musikalisch bleibt diese Aufführung leider im Mittelmaß stecken– hier zählt eher die neue Handlung. Wirklich toll ist allerdings die Darstellung der Titelfigur durch den finnischen Bassisten Juha Usitalo.

"Tannhäuser", Inszenierung der Royal Danish Opera in Kopenhagen. Royal Danish Opera Chorus und Orchester, Musikalische Leitung: Friedemann Layer. Mit u.a.: Stig Andersen (Tannhäuser), Tina Kiberg (Elisabeth), Susanne Resmark (Venus), Tommi Hakala (Wolfram von Eschenbach)
Auch mit dem ‚Tannhäuser’ hat man sich an der Oper in Kopenhagen vollkommen neue Gedanken gemacht. Man versetzt das Ritterdrama nicht nur ins 19. Jahrhundert in ein dänisches Herrenhaus sondern man stellt das Drama Tannhäusers als inneren Konflikt eines Dichters mit sich selbst dar. Elisabeth ist dabei die Ehefrau des Dichters (sogar mit Sohn in einer stummen Rolle, denn er kommt bei Wagner ja nicht vor). Venus ist sozusagen die ‚Muse der Versuchung’ der Tannhäuser zunächst erliegt, um dann zurück im bürgerlichen Leben am Busen der Gemahlin dennoch zu scheitern. Am Schluss erlöst werden seine Werke, die er vorher teils über die Wände des ganzen Hauses schreibt (Narrenhände und so weiter...) zu Bestsellern, er selbst zum leider toten Star. Statt des erblühten Hirtenstabes des Papstes erhält Tannhäuser ein monumentales Ehrengrab mit goldenem Lorbeerkranz.
Ich finde, wenn man sich an die Inszenierungs-Idee erst mal gewöhnt hat, ist sie schlüssig. Der innere Konflikt des Künstlers zwischen Leidenschaft und Askese war eines der Hauptthemen Wagners. Man vergewaltigt also die Idee der Oper nicht, mit dem neuen Szenarium, sondern setzt sie nur anders um. Ich fand das sehr interessant.
Musikalisch ist die Aufführung erstaunlich gut – nur die Venus hat manchmal Intonationsschwierigkeiten.
"Lohengrin“, Aufnahme aus dem Festspielhaus Baden-Baden von 2006, Inszenierung: Nikolaus Lehnhoff. Diese Aufnahme habe ich bereits besprochen.

"Tristan und Isolde", Livemitschnitt, Glyndebourne vom August 2007. London Philharmonic Orchestra, Glyndebourne Chorus. Musikalische Leitung: Jiri Belohlavek
Mit u.a.: Nina Stemme (Isolde), Robert Gambill (Tristan), René Pape (König Marke),
Bo Skuvhus (Kurwenal), Katarina Karnéus (Brangäne).

"Die Meistersinger von Nürnberg" Livemitschnitt, Glyndebourne vom Mai 2011. London Philharmonic Orchestra, Glyndebourne Chorus. Musikalische Leitung: Pieter Schömann. Mit u.a.: Gerald Finley (Hans Sachs), Marco Jentzsch (Walther von Stolzing), Johannes Martin Kränzle (Sixtus Beckmesser), Anna Gabler (Eva)

Ich habe leider die beiden Aufnahmen vom ‚Tristan’ und den ‚Meistersingern’ aus Glyndenbourne noch nicht angesehen – sie wurden aber von der Kritik hochgelobt und ich bin sehr gespannt darauf. Das Wagner Jahr ist ja noch lang.
Sicher ist jetzt schon, das Nina Stemme - neben natürlich Waltraud Meier - die zur Zeit wohl beste Isolde weltweit ist. Auch Gerhard Finely, er singt den Sachs in den ‚Meistersingern’, gehört zu den großen Stimmen Englands, man darf also einiges erwarten.

"Der Ring des Nibelungen", Aufnahme: aus dem Gran Teatre del Liceu, Barcelona 2004, Regie: Harry Kupfer. Orquestra Sinfonica del Gran Teatre del Liceu. Musikalische Leitung: Bertrand de Billy Mit u.a.: Falk Struckmann (Wotan), Graham Clark (Loge & Mime), Günter von Kannen (Alberich), Lioba Braun (Fricka), Matthias Hölle (Fafner), Richard Berkeley-Steele (Siegmund), - Linda Watson (Sieglinde), Deborah Polaski (Brünnhilde), John Treleaven (Siegfried), Matti Salminen (Hagen), Andrea Bönig (Erda).

Diese Live-Aufzeichnung aus dem Grand Teatre del Liceu in Barcelona, wo die Produktion über zwei Spielzeiten in Folge (2003 und 2004) mit großem Erfolg aufgeführt wurde, dokumentiert Harry Kupfers glanzvolle neue Inszenierung, die für die Deutsche Staatsoper Berlin entstand. Nachdem Kupfer 1988 in Bayreuth einen denkwürdigen ‚Ring’-Zyklus zur Diskussion gestellt hatte (siehe Besprechung oben), schuf er einige Jahre später eine glanzvolle Neuinszenierung für die Deutsche Staatsoper Berlin. Diese Produktion, die zwei Spielzeiten hintereinander (2003 und 2004) am Gran Teatre del Liceau in Barcelona zur Aufführung kam, wird durch vorliegende, DVD-Edition eindrucksvoll dokumentiert.
Ich bin dabei besonders von Falk Struckmann als ‚Wotan’ in dieser Aufführung begeistert. Er singt in der Tat die ganze Partie – kein, wie oft üblich bei gesanglich schwierigen Stellen, rezitativischer Sprechgesang – und er ist enorm dramatisch. Ich habe selten einen so beeindruckenden, psychologisch vielschichtigen Wotan erlebt.
Man beachte dazu die Abschiedsszene zwischen Wotan und Brünnhilde in der ,Walküre’ und die ‚Erda-Szene’ am Beginn des dritten Aktes ‚Siegfried’ – das ist ganz großes Musiktheater!
Der einzige Kritikpunkt an dieser Aufführung ist die oft schlampige, nicht geprobte Stabführung des Orchesters durch Bertrand de Billy. Der Dirigent gehört leider nun mal nicht zur ersten Garde der Wagner Interpreten und wenn häufiger ganze Bläser Leitmotive unsauber und schief kommen ist das nicht so gut.

"Parsifal", Live-Mitschnitt aus dem Festspielhaus Baden-Baden von 2004. Festspielchor Baden-Baden, Deutsches Symphonie-Orchester Berlin. Musikalische Leitung: Kent Nagano. Mit u.a.: Christopher Ventris (Parsifal), Waltraud Meier (Kundry), Matti Salminen (Gurnemanz), Thomas Hampson (Amfortas).

Zu diesem Parsifal habe ich ein gespaltenes Verhältnis. Die Inszenierung von Nikolaus Lehnhoff ist düster – das passt irgendwie. Das Ganze spielt in einer sterbenden artifiziellen Ritterwelt – erinnert ein bisschen an die Fernsehserie ‚Game of Thrones’ – die eigentlich auch der Gral und der tumbste Tor nicht mehr retten kann. Mitleid kommt zu spät. So weit so richtig. Alleine die Idee den sterbenden Titurel als Goldene Totenmaske in Rüstung aus dem Boden kommen zu lassen, halte ich für großartig. Doch leider ist Christopher Ventris die komplett falsche Besetzung für die Titelrolle. Er rennt im Rasta-Look ziemlich planlos durch die Staffage und die Stimme trägt es auch irgendwie nicht. Daneben wie immer großartig Waltraud Meier als Kundry und Matti Salminen als Gurnemanz.
Thomas Hampson ist wieder so ein Fall – er ist ein guter Barocksänger, hat viel mit Nikolaus Harnoncourt gearbeitet und ist ein vielbeschäftigter ‚Jesus’ in den Bachpassionen gewesen.
Vielleicht ist man in Baden-Baden deshalb auf die Idee gekommen ihm den Amfortas, im Parsifal auch eine Art Jesus-Adaption, anzuvertrauen. Keine wirklich gute Idee. Für Wagner braucht man ein anderes Stimm-Volumen als für Bach, da hilft alles nichts.
Ganz ohne Zweifel enorm ist erneut die Stabführung bei diesem ‚Parsifal’ von Kent Nagano. Hamburg darf sich schon mal freuen – Nagano wird ab 2015 künstlerischer und musikalischer Leiter der Hamburgischen Staatsoper.
Der Japaner-Amerikaner ist meiner Ansicht nach einer der meist unterschätzten internationalen Dirigenten überhaupt – oft segelt er leider im Windschatten seines hochgepriesenen Landsmannes am Pult, Seiji Ozawa – völlig zu Unrecht wie auch diese Aufnahme beweist. Ich habe von Nagano bisher nur Gutes gehört und gesehen. Er hat einen intellektuellen durchgeistigten und sehr präzisen Aufführungsstil, der bei Wagner sehr gut passt – nicht sehr emotional aber sehr durchsichtig. Ich mag das.
Noch einige etwas kritische Schlussbemerkungen zu dieser Wagner-Inszenierungs-Sammlung: Man freut sich natürlich am (niedrigen) Preis dieser Edition. Sie lohnt sich in der Anschaffung jedem Fall. Schade ist jedoch das dünne Büchlein was dazu geliefert wird. Es enthält zwar alle Angaben zur den Interpreten und auch jeweils einen Abriss des Geschehens mit schönen bunten Bildern. Aber kein Stück Libretto. Und das ist nicht so nett. Ein Glück das man die Untertitel der DVD benutzen kann, um den Text zu verstehen. Auch fehlen ein paar Angaben zur Inszenierung der Operndramen und ihren Zielen. Aber man ist zufrieden – man kann eben nicht alles haben zu diesem Preis.

25 DVD Richard Wagner „Wagner Edition“ , mit Gesamtaufnahmen und Live-Inszenierungen aus den Niederlanden, Dänemark, England und Deutschland von ‚Der Fliegende Hollaender’, ‚Tannhäuser’, ‚Lohengrin’, ‚Tristan und Isolde’, ‚Die Meistersinger von Nürnberg’, ‚Der Ring des Nibelungen’, ‚Parsifal’.
Zu haben bei Opus Arte unter der Bestellnummer OA 1095B D.
Wagner zu erleben, heißt Wagner erst mal zu sehen – wer dann das tiefere, intimere musikalische Erlebnis sucht, der kann zu den CD-Aufnahmen greifen, die wir jetzt empfehlen wollen. Sie machen Wagner im Ohr und in der Phantasie zum Erlebnis.


Ihr Herby Neubacher


Herby Neubacher stammt aus Wuppertal und wurde in Salzburg zum Musikliebhaber: Mit sieben Jahren hat er als Sopranist im Salzburger Dom Bach-Kantaten aufgeführt. Nach einem Kunststudium arbeitere er 20 Jahre in der Musikindustrie. Heute ist er als Journalist und PR-Experte tätig. Seit 2012 schreibt er regelmäßig für Kultur-Port.De über Alte Musik, Barock bis zur Romantik. Er lebt und arbeitet in Vietnam.

Hinweis: Die Inhalte geben die Meinung der jeweiligen Autoren wieder. Diese muss nicht im Einklang mit der Meinung der Redaktion stehen.
Fotonachweis:
Header: Zeitgenössische Fotografie Richard Wagner
Galerie: DVD-Cover der besprochenen Aufführungen

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