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Foto: Johann Hinrich Möller: Aviva und Schlomo Schwarzschild am Grab Berthold Brechts in BerlinSchlomo Schwarzschild starb in der Nacht vom 16. zum 17. August 2009 nach längerer schwerer Krankheit in Haifa (Israel).

Er wurde am 16. Juli 1925 in Hamburg geboren und wuchs in der Schlankreye 27 in Hamburg Eimsbüttel auf. Sein Vater war Kantor, Gewerkschaftler, Sozialist, Pazifist und frommer Jude – alles in einer Person. Seine Mutter war religiös und deutschnational.

Schlomo Schwarzschild erlebte am 10. November 1938 wie die Bornplatz Synagoge geschändet wurde, wie sie brannte – dort, wo er als Knabe im Chor gesungen hatte und sich das religiöse Leben im Viertel abspielte. Nach diesem einprägsamen Erlebnis wusste er, dass er Deutschland verlassen musste und bereitete sich in einem Vorbereitungslager für Palästina auf die Emigration vor. 1940, als 14-jähriger, floh er nach Palästina. Seine Eltern und seine Geschwister wurden später nach Riga und Minsk deportiert und ermordet.

Schlomo erlebte in Palästina im Juli 1946 die Sprengung des King David Hotels und wurde von einem vorbeifahrenden Taxifahrer vor einer möglichen Verhaftung durch die Engländer gerettet.

Schlomo Schwarzschild verpflichtete sich zunächst bei der Royal Navy und arbeitete später 40 Jahre als Seemann und Kapitän von Hafenschleppern in Haifa. Nach dem Krieg und der Verfolgung heiratete er 1958 seine Frau Aviva und die beiden wurden Eltern von drei Kindern, die heute in Israel und Spanien leben.

1957 kam er das erste Mal nach Deutschland zurück und besuchte seine Heimatstadt seither regelmäßig, als Versöhner und Mahner. 1988 und 1998 hielt Schlomo Schwarzschild Reden zum Jahrestag der Pogromnacht am 9. November. In einem Brief an Martin Walser schrieb er: "Sie gehören zu dem Volk der Täter, wenn auch Sie persönlich nichts auf dem Gewissen haben. An dieser Last werden Sie Ihr Leben lang tragen müssen, so wie wir, die Opfer und deren Hinterbliebene, nie mit dem Geschehen fertig werden können."

Zu gern hätte Schlomo Schwarzschild auch am 9. November 2008 auf dem Joseph-Carlebach-Platz eine Rede zum 70. Jahrestag der Pogromnacht gehalten, aber sein Gesundheitszustand ließ dies bereits damals nicht zu. Es war ein großes Glück für ihn, im Februar 2009 doch noch einmal nach Hamburg zu kommen, um an der Ausstellungseröffnung aus Anlass der Hamburger Deportationen vom Hannoverschen Bahnhof teilzunehmen. Bereits zu dieser Zeit war er von seinem schweren Krebsleiden gezeichnet, aber seinen Humor hatte er auch bei seinem letzten Besuch in Hamburg nicht verloren.

Freunde erinnern sich an seine hervorragenden Interpretationen von Schubert-Liedern bei einem Besuch 2007 in Berlin. Die gute Stimme hatte er offenbar von seinen Eltern geerbt. In Berlin besuchten Schlomo und Aviva Schwarzschild auch den Dorotheenstädtischen Friedhof in Ost-Berlin an der Chausseestraße 126, auf dem viele deutsche Literaten - so auch Berthold Brecht - beigesetzt wurden.

Allen die ihn kannten, wird Schlomo Schwarzschild durch seinen Humor und seine Liebe zur Musik und zur deutschen Literatur in Erinnerung bleiben.

Eines seiner Lieblingsstücke war Berthold Brechts Kinderhymne, die wir ihm zu Ehren hier wiedergeben:

Bertolt Brecht: Kinderhymne

Anmut sparet nicht noch Mühe
Leidenschaft nicht noch Verstand
Daß ein gutes Deutschland blühe
Wie ein andres gutes Land

Daß die Völker nicht erbleichen
Wie vor einer Räuberin
Sondern ihre Hände reichen
Uns wie andern Völkern hin.

Und nicht über und nicht unter
Andern Völkern wolln wir sein
Von der See bis zu den Alpen
Von der Oder bis zum Rhein.

Und weil wir dies Land verbessern
Lieben und beschirmen wir's
Und das liebste mag's uns scheinen
So wie andern Völkern ihrs.

(1949)

Wir werden Schlomo Schwarzschild nicht vergessen.

Text: Jens Huckeriede und Johann-Hinrich Möller
Foto: Johann Hinrich Möller: Aviva und Schlomo Schwarzschild am Grab Berthold Brechts in Berlin

(Anmerkung der Redaktion: Auch deshalb wird Schlomo Schwarzschild in der Zukunft in unserm Gedächtnis bleiben, weil er dem Hamburger Filmemacher Jens Huckeriede im Jahre 2007 für seinen Film „ Diese Erinnerungen bleiben für immer“ seine Lebensgeschichte erzählte. Das Dokument ist als Doppel-DVD mit weiteren Lebensgeschichten von Esther Bauer, Esther Bejarano und Miriam Gillis-Carlebach erhältlich.)

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