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Starke Konzerte von „Steely Dan“, der Dave Matthews Band und Stephan Eicher prägten das weltberühmte 43. Montreux Jazz Festival. Eher enttäuschend war dagegen das gemeinsame Konzert des Jazz-Pianisten Herbie Hancock und des Klassik-Superstars Lang Lang.
Beim 16-tägigen, 43. Montreux Jazz Festival setzten die US-Popästheten von „Steely Dan“ im Konzertsaal Maßstäbe. Walter Becker steuerte ein Gitarrensoli ums andere bei, und Donald Fagen sang am Keyboard sitzend wie weiland Ray Charles. Die beiden manchmal etwas kauzig wirkenden Herren ließen sich von einer hervorragend aufspielenden Band begleiten. Ein sehr, sehr cooles Konzert. Im Anschluss daran rackerte sich Dave Matthews ab, der mit seiner Band mehr und mehr zum legitimen Nachfolger eines Bruce Springsteen aussteigt. Dave Matthews, mit derzeit 35 Millionen verkauften Alben der erfolgreichste US-Popact, bot sympathisch und kumpelhaft ein mitreißendes Rockkonzert mit Liedermachereinlagen und Countryanklängen. Deutlich rauer zur Sache ging es bei der neuen Superband „Chickenfoot“ von Gitarrist Joe Satriani (Deep Purple) mit Sänger Sammy Hagar, Bassist Michael Anthony (beide Van Halen) und Chad Smith (Red Hot Chili Peppers). Das angejahrte Quartett präsentierte Hardrock der alten Schule, aber mit viel, viel Power und Hingabe. Eine Weltpremiere war das Konzert der beiden Pianisten Herbie Hancock und Lang Lang. Angekündigt waren schnelle Stücke von Franz Liszt, gespielt wurden dann aber unter anderem die „Rhapsodie in Blue“ von Gershwin und das Konzert für zwei Pianos und Orchester des englischen Komponisten Ralph Vaughan Williams mit dem Orchestre National de Lyon. Es ging nicht gut. Der geniale Improvisator Hancock war als Noten lesender Pianist dem Virtuosen Lang Lang niemals ebenbürtig. Die Stars, die – mal vierhändig, dann wieder an zwei Flügeln - mit diesem klassischen Nebeneinander ihre Welttour in Montreux starteten, erschließen vielleicht neue Käuferschichten, aber keinesfalls neue musikalische Horizonte. Mit Rock-Chansonier Stephan Eicher und dem deutschen Sänger Finn haben sich ebenfalls zwei Musiker zusammengefunden. Eicher, der Superstar in Frankreich und der Schweiz, interpretierte mit viel Gefühl Lieder von Finn und umgekehrt. Begleitet nur von einem Kontrabassisten und einer Geigerin wurden so Eichers „Déjeuner en paix“ und dessen „Grauzone“-NDW-Hit „Eisbär“ zu zarten, zerbrechlichen Folksong. Eicher konnte man auch im Schloss Chillon in einer Nebenreihe mit dem Kultautor Philippe Djian („Betty Blue“), der viele seiner Liedtexte schreibt, bei einer eindrücklichen, musikalischen Lesung erleben. Marianne Faithfull beeindruckte in dem alten Gemäuer mit einer Shakespeare-Lesung. Voll in den Bauch ging das Konzert der drei Bass-Virtuosen Stanley Clarke, Marcus Miller und Victor Wooten. Das Trio entwickelte einen unglaublichen Groove, wobei mehr gerockt als gejazzt wurde. Tief tönender Höhepunkt des Konzerts war Michael Jacksons „Billy Jean“ für drei Bässe. Eine Überraschung erlebten „Die Ärzte“, denn der 60-jährige Alice Cooper stahl den deutschen Stars die Show. Nach dessen putzigen, krachigen Hardrock-Grusel-Show wollten nur noch 1000 Fans die Mitternachtsshow von Bela B. Rod Gonzales und Farin Urlaub sehen, die sich wie bei einem hautnahen Club-Konzert über Jazz, die Schweizer und sich selbst mit blöden Sprüchen und Schüttelreimen lustig machten. Die Show dauerte deshalb auch fast zweieinhalb Stunden und war sicher nicht das beste „Ärzte“-Konzert, aber eines der unterhaltsamsten. Am Samstag geht das 16-tägige Festival zu Ende. Die 90 Konzerte im Hauptprogramm und 260 Gratis-Konzerte haben dann 220 000 Musikfans an den Genfersee gelockt. Zum Abschluss spielt am Samstag (18. Juli) Prince zwei Shows hintereinander. Die 7000 bis zu 300 Euro teuren Tickets für die beiden einzigen Europa-Konzerte des Stars in diesem Jahr waren in knapp acht Minuten verkauft. Das 43. Montreux Jazz Festival spürt keine Krise in der Krise.