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In Taiwan stirbt eine Jahrtausend alte Tradition. Die handgeschnitzten Boote des alten Mr. Liou sind vielen zu teuer
Er ist der letzte seiner Zunft. Seit fünf Jahrzehnten baut Liou Ching-cheng Drachenboote aus Holz. Inzwischen aber bekommt der 70-jährige Taiwanese Aufträge nur noch für traditionelle Feste - Fischer und Sportbootfahrer bevorzugen das billigere Material Glasfaser. Dennoch gibt Liou nicht auf: "Solange es mich gibt, wird es auch das Handwerk weiter geben", sagt er. Mit Herrn Wang schöpft er neue Hoffnung, denn Wang möchte von Herrn Liou das Handwerk erlernen. So verbringen die beiden täglich viel Zeit am Fluss, wo sich die Werkstatt des Herrn Liou befindet.
Seit er arbeiten kann, fertigt Liou die bunt bemalten, schmalen Holzboote von Hand. Er wuchs in einer Bootsbauer-Familie auf. Mit 15 Jahren lernte er das Handwerk von seinem Vater, der es seinerseits von seinem Vater übernommen hatte.
Doch mit dem Rückgang der Fischerei und der Erfindung neuer Materialien ging die Nachfrage nach den traditionellen Booten zurück. Aufträge gibt es heute nur noch für die bunten Drachenboote. Die "Sampan" genannten Fischerboote bestellt niemand mehr. "Ich bedauere trotzdem nicht, dass ich keine andere Arbeit aufgenommen habe", sagt Liou. Er besteht weiter darauf, jedes einzelne Teil von Hand zu fertigen. "Das ist die Tradition, und die sollte weitergehen."

Die farbenprächtigen Boote mit der kunstvoll geschnitzten Drachenfigur am Bug gibt es seit tausenden von Jahren. Die Legende besagt, dass der patriotische chinesische Dichter Qu Yuan von einem korrupten König ins Exil gejagt wurde. Dort schuf der Poet einige Meisterwerke der chinesischen Poesie, bevor er sich aus Protest gegen die Verderbtheit der Gesellschaft ins Wasser stürzte. Die Bevölkerung, die den Dichter verehrte, ruderte mit Booten zu der Stelle, an der er ertrank, und streute Reis ins Wasser, damit sein Leichnam nicht von Fischen gefressen wurde.
Aus diesem Ritual entstand das jährliche Drachenboot-Fest, bei dem mehrere Mannschaften von je 18 Ruderern in den bunten Booten um die Wette rudern. Die aus chinesischer Kiefer gebauten, elf Meter langen Schiffe von Liou kosten ca 500.000 Taiwan-Dollar (rund 11.000 Euro) und damit doppelt so viel wie ein Glasfaserboot. Dafür halten sie bis zu 20 Jahre. Doch heutzutage sind es nur noch Regierungsstellen oder religiöse Gruppen, die sich den Luxus leisten, bei Liou ein Boot zu bestellen.

Hamburg und das Drachenbootrennen
Die Tradition des Drachenbootrennens hat sich glücklicherweise auch auf andere Kontinente ausgebreitet. So gibt es allein in Deutschland an die 200 Drachenbootvereine. Alles begann vor über 20 Jahren, als 1989 der Hamburger Hafen sein 800-jähriges Jubiläum feierte. Damals wurde eine taiwanische Mannschaft eingeladen, die samt 8 Drachenbooten nach Hamburg kamen. Zwei davon ließen sie als Geschenk zurück. In diesem Jahr nun veranstaltet der Landesdrachenbootverband e.V., Hamburg, seinen zweiten Taiwan Cup. Der Vorsitzende des Landesdrachenbootverbandes, Horst Fuchs, reiste im Oktober vergangenen Jahres nach Taiwan und traf dort Liou Ching-cheng, den er daraufhin einlud am 2. Taiwan Cup 2010 in Hamburg teilzunehmen. Beim diesjährigen Taiwan Cup, welcher vom 25. – 27. Juni 2010 stattfand, kam dann eine 8 Mann starke Delegation – angeführt von dem Vorsitzenden und berühmten Bootsbauer Liou Ching-cheng - nach Hamburg, um an dem Rennen teilzunehmen. Das Team aus Taiwan trat zusammen mit dem Team der Bambusrunde an.
Bei der diesjährigen Preisverleihung richtete Liou das Wort an das Publikum und erklärte den begeisterten Zuhörern wie Drachenboote gebaut und gepflegt werden. Denn Erfahrung hat er reichlich sammeln können. Die Hälfte aller Drachenboote in Taiwan wurde von ihm gebaut. 140 an der Zahl hat Liou bereits fertig gestellt, die nicht nur in Taiwan verblieben, sondern auf der ganzen Welt zu finden sind. Sogar auf der Elbe schwimmen Drachenboote.

Meister Liou auf einem von ihm gebauten Drachenboot, das jetzt auf der Elbe schwimmt (Foto: Chen, Keh-miin)
Quelle: Taipeh Vertretung