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Wir dürfen aufatmen. Wir sind ja jetzt Lena -- weil ihr Liedchen unseren Nachbarn besser gefiel als andere Liedchen - und das fällt uns aus vielen Gründen leichter, als Papst zu sein. Jenseits der Tatsache, dass Samstagabend beim Eurovision Song Contest rund um deutsche Sofas Freudentänze zur Aufführung gelangten, obwohl Deutschland noch gar nicht Weltmeister ist und Ungezählte auf Partys jubelten, als hätten sie mit dem netten Fräulein aus Hannover mehr gemeinsam als den deutschen Pass, trägt ihr Erfolg und der von Stefan Raabs gutem Näschen ja sympathische Züge.

Wenn man denn nach irgendeinem halbwegs ernsthaften Aspekt in diesem Spektakel fischt. Im sonst eher verstaubten Wettbewerb triumphierte diesmal das Natürliche über die Inszenierung. Schließlich landete auch ein belgischer Balladensänger weit vorne. Zwar hatten die ehemaligen Sowjetstaaten abermals eine regelrechte Puppenfabrik mit Gesangsausbildung in die Schlagerschlacht geworfen. Doch das dramatische Geschnulze der hübschen Wesen samt herumturnender Statisten erreicht Resteuropas Musikgeschmack offensichtlich nicht mehr. Es gibt freilich noch einen Grund, aufzuatmen. Man zwingt uns bei künftigen Grand-Prix-Erinnerungen nicht mehr ausschließlich "Ein bisschen Frieden" auf und dazu den unvermeidlichen Ralph Siegel. Denn Siegel waren wir nie.

Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung