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Ein Künstler kann Zeit seines Lebens gegen Politiker und die von ihnen geschaffenen Verhältnisse anrennen wie er will: Am Ende muss er hilflos mitansehen, wie genau diese Politiker ihn mit unbarmherziger Umarmung für sich vereinnahmen. Gestern meldete sich die Freidemokratin Cornelia Pieper zu Wort und bezeichnete Christoph Schlingensief als "profiliertesten deutschen Künstler", als "einzigartig" gar. Sie sagt das, weil der Bejubelte nächstes Jahr den deutschen Pavillon bei der Kunstbiennale gestalten wird, nationales Terrain mithin.

Nun hat Frau Pieper vermutlich nie einen Film von Schlingensief gesehen, nie eine Aktion. Bisher jedenfalls war der Künstler ein grandioser Agitator, drehte als Kommentar zur Wiedervereinigung "Das deutsche Kettensägenmassaker" (Sie kamen als Freunde und wurden zu Wurst), inszenierte eine Benefizgala für Asylanten ("100 Jahre CDU - Spiel ohne Grenzen"), wurde auf der documenta X verhaftet, weil er das Schild "Tötet Helmut Kohl!" in die Höhe hielt. Jetzt ist das alles vorbei. Jetzt ist Schlingensief Staatseigentum.

Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung