75. Jahrestag der Ermordung der Kinder vom Bullenhuser Damm am 20. April
- Geschrieben von Redaktion -
Am 28. November 1944 traf im Konzentrationslager Neuengamme ein Transport mit 20 jüdischen Kindern aus dem Konzentrationslager Auschwitz ein. Die zehn Mädchen und zehn Jungen waren zwischen fünf und zwölf Jahre alt und kamen aus Polen, den Niederlanden, Frankreich, Italien und der Slowakei. Der Arzt Dr. Kurt Heißmeyer führte an diesen gesunden Kindern medizinische Experimente mit Tuberkulose-Erregern durch. Als die britischen Truppen Hamburg näher rückten, brachten SS-Männer die inzwischen schwerkranken Kinder am 20. April 1945 in das bis wenige Tage zuvor als KZ-Außenlager genutzte Schulgebäude am Bullenhuser Damm in Hamburg-Rothenburgsort. Die Männer töteten die Kinder, um die pseudomedizinischen Versuche zu vertuschen. Außerdem erhängte die SS in dieser Nacht zwei zur Betreuung der Kinder eingesetzte niederländische Häftlingspfleger und zwei französische Häftlingsärzte, die als Widerstandskämpfer im KZ Neuengamme inhaftiert waren. In derselben Nacht wurden im Schulgebäude auch mindestens 24 sowjetische Häftlinge ermordet, deren Identität bis heute unbekannt ist.
Die „Gedenkstätte Bullenhuser Damm“ mit dem Rosengarten zur Erinnerung an die Kinder vom Bullenhuser Damm ist heute nicht nur für Hamburg ein wichtiger Erinnerungsort. Über die Geschichte der Kinder vom Bullenhuser Damm wird weltweit in Holocaust-Museen, mit Filmen, Theaterstücken und in zahlreichen Schulprojekten berichtet. In vielen Ländern sind Schulen, Kindergärten, Parks und Straßen nach den Kindern benannt.
Jedes Jahr reisen Angehörige der Ermordeten aus der ganzen Welt an, um am 20. April der Kinder zu gedenken. Auch in diesem Jahr hat die Vereinigung Kinder vom Bullenhuser Damm e.V. die Angehörigen eingeladen, die jedoch auf Grund der Covid-19-Epidemie nicht nach Hamburg kommen können. Mit einem stillen Gedenken und dem Niederlegen von Blumen durch die Vereinigung Kinder vom Bullenhuser Damm e.V. wird an diesem Tag dennoch an die Kinder erinnert werden. Senatorin Dr. Dorothee Stapelfeldt und Senator Dr. Carsten Brosda legen einen Kranz nieder. Die Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte wird über Social Media an diesem Tag berichten.
Dr. Carsten Brosda, Senator für Kultur und Medien sowie Vorstand Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte: „Auch in diesen außergewöhnlichen Zeiten ist es wichtig, dass das Gedenken anlässlich des 75. Jahrestags der Ermordung der Kinder vom Bullenhuser Damm stattfindet und die Kinder und ihr Schicksal unvergessen bleiben. Die Absage der offiziellen Gedenkveranstaltung darf nicht gleichbedeutend sein mit einem Ausbleiben des gemeinsamen Erinnerns an dieses abscheuliche Verbrechen der Nationalsozialisten. Ich bedaure sehr, dass Angehörige aus aller Welt in diesem Jahr nicht zu dem so wichtigen Ort der Erinnerung reisen können. Doch zusammen mit ihnen gedenken wir der Opfer und erneuern das gemeinsame Versprechen, immer wieder für eine freie und offene Gesellschaft einzutreten.“
Dr. Dorothee Stapelfeldt, Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen: „Kinder zu beschützen, ist zu allen Zeiten eine der wichtigsten Aufgaben in einer Gesellschaft, denn Kinder sind unsere Zukunft. Die grausamen Experimente und die Ermordung von zwanzig wehrlosen Kindern ist daher ein besonders schändliches Verbrechen. Die feigen Mörder wollten am 20. April 1945 dafür sorgen, dass ihre Taten unentdeckt bleiben. Dies ist ihnen nicht gelungen und wird ihnen auch niemals gelingen. Zusammen mit den Angehörigen der Opfer sowie der Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte gedenkt der Senat daher auch in diesem Jahr der Kinder, ihrer vier Begleiter und der unbekannten sowjetischen Häftlinge, die an diesem Ort ermordet wurden. Ihr Tod mahnt uns heute und zukünftig wachsam zu sein. Jeder Form von Rassismus, Antisemitismus und Menschenhass werden wir uns in Hamburg entschieden entgegenstellen. Das schulden wir auch den Opfern vom Bullenhuser Damm.“
Prof. Detlef Garbe, Vorstand Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte: „Das Zeichen des Gedenkens zum 75. Jahrestag des Kindermords ist ein wichtiges Bekenntnis zur bleibenden historischen Verantwortung. Die Menschen müssen wissen, was am Bullenhuser Damm am 20. April 1945 geschehen ist, wozu Menschen aus ideologischer Verblendung und Rassenwahn fähig waren. Die medizinischen Verbrechen gewissenloser Ärzte und die Mordtaten der SS erzeugen Betroffenheit, die Versäumnisse der juristischen Aufarbeitung und die langjährige Gleichgültigkeit rufen Wut hervor, doch das heute existierende Netzwerk der Erinnerung stimmt auch hoffnungsvoll. Betroffenheit, Wut, Hoffnung – mögen alle drei Empfindungen dazu bewegen, nicht zu schweigen, wo immer rassistische und antisemitische Vorstellungen geäußert werden.“
Quelle: Behörde für Kultur und Medien Hamburg
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