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Der mit 5.000 Euro dotierte Walter-Tiemann-Preis 2020 geht an das Studio Krispin Heé (Krispin Heé, Tim Wetter) für das Buch „Kolkata – City of Print“. Die zweiten Plätze, zu je 1.500 Euro ausgesetzt, erhalten Bardhi Haliti für „May 25 is now October 1“ und Simon Merz für „META – Publizieren als Kunstwerk“. Die für den 12. März geplante feierliche Preisverleihung des Walter-Tiemann-Preises und die damit verbundende Ausstellung in der HGB-Galerie müssen wegen der Absage der Leipziger Buchmesse leider entfallen.

Der Walter-Tiemann-Preis wird seit 1992 im Zweijahresrhythmus für innovative Gestaltungsideen vergeben. Der Preis ist international ausgeschrieben und versteht das Buch als zeitgenössisches Werk. In diesem Jahr erreichten die Jury 140 Titel aus 15 Ländern. Die Jury bestand aus Kerstin Forster, Lilla Hinrichs, Gesine Grotrian, Bernd Kuchenbeiser und Ludovic Balland.

Die Erstplatzierten Krispin Heé und Tim Wetter gestalteten das im Taschenbuchformat erschienene Buch  „Kolkata—City of Print“. Inhaltlich handelt es sich um einen literarischen Essay der Schweizer Autorin Maria Züst über die mannigfaltigen Facetten des Druck- und Buchgewerbes in Kolkata. Angereichert wird der literarische Text durch ein Glossar, das Begriffe aus der Kultur- und Mediengeschichte erläutert, Protagonisten vorstellt, Einblicke in die Drucktechniken gibt und Kommunikationsprozesse rund um das Büchermachen thematisiert.  Eine umfangreiche Bibliografie gibt den Leser*innen viel Stoff zum Weiterdenken. Die ehemalige Stadt Kalkutta wurde unter dem Einfluss der britischen Kolonialmacht im 18. Jahrhundert zu einem Zentrum des bengalischen Druckhandwerkes. Bis heute lebt in Kolkata die Tradition analogen Druckens fort und findet für Werbeplakate bis hin zu künstlerischen Editionen Anwendung. Die Autorin entwickelte das Konzept des Buches gemeinsam mit der Gestalterin Krispin Heé. Zwei Sprachen und Schriftsysteme, Englisch und Bengalisch, werden jeweils auf den Doppelseiten gegeneinandergestellt und dadurch visuell vergleichbar. Mit großer Virtuosität werden Mittel des Schwarz-weiß Kontrastes für verschiedene Textsorten verwendet und einfache grafische Elemente als Gliederung- und Verweissysteme eingesetzt.  Es handelt sich um ein Buch, das als Koproduktion von Spector Books, Leipzig und Lyriqal Books, Kolkata erschienen ist und durch die Drucker*innen in Kolkata mit den heimischen Materialien produziert wurde. Daraus resultiert auch der sehr spezifische Farbklang und eine Leichtigkeit, die durch das verwendete Papier bedingt ist. Das Buch „Kolkata—City of Print“ ist Ausdruck und Produkt interkultureller Kooperation in sehr sinnfälliger Gestaltung, die Gegenwärtiges mit Traditionellem verbindet.
Ein zweiter Preis geht an Bardhi Haliti aus Kosovo und den Niederlanden.

Eine intensive Recherche in kosovearischen Zeitschriften, die zwischen 1974 und 2018 erschienen sind, bildete die Grundlage für das Künstlerbuch „May 25 is now October 1“ von Bardhi Haliti. Mit dramaturgisch angeordneten Bildzitaten aus eben jenen Zeitschriften verweist er auf Sportaktivitäten in sieben Städten und sieben identischen, in den 1970er Jahren gebauten, Sporthallen im ehemaligen Jugoslawien. 1976 wurde in Pristina eine Turnhalle errichtet, die den Namen „25. Mai“ in Bezug auf einen sozialistischen Jugendtag erhielt. Die Unabhängigkeit des Kosovo spiegelt sich auch in der Neubenennung der Sporthallen, wie zum Beispiel  „1. Oktober“  in Erinnerung an Studierendenproteste oder „Bill Clinton“ als Würdigung von dessen politscher Rolle bei der Unabhängigkeit des Kosovo. Bardhi Haliti setzt Material- und Farbwechsel sehr gezielt ein, um Erinnerung und Gegenwart, sowie Sport als identitätsstiftend und wettbewerbsorientiert einerseits zu thematisieren und andererseits einen Exkurs zur Architektur der Hallen zu unternehmen. Dabei dokumentiert ein Farbteil die Auffrischung der Orte in den letzten Jahren. Bardhi Haliti arbeitet mit Wiederholungen. Auch die beigegebenen Texte verweisen auf Ähnlichkeiten zwischen gesellschaftlichem und funktionellem Bedeutungswandel. Der schwarz-silbrige Einband kann auch als Kommentar zum Medium Fotografie als Bildgedächtnis verstanden werden.

Ein weiterer zweiter Preis geht an Simon Merz für sein Buch „META – Publizieren als Kunstwerk“.  Es wirkt fast irritierend unspektakulär, wenn es erst ganz weiß wie ein unbeschriebenes Heft vor den Leser*innen liegt. Durch das mitgegebene Pfalzbein werden potentielle Interessent*innen quasi aufgefordert, selbst Hand anzulegen und die unaufgeschnittenen Bögen zu trennen. Dadurch entfaltet sich ein Kosmos aus Texten und Bildern, in dem sich wesentliche Gedanken zum Prozess des Büchermachens, zu konzeptionellen und symbolischen Fragen rund ums Buch, zum Buch als Raum und Speicher oder als Kunstwerk finden lassen. Der Index verweist auf wichtige und aktuelle Veröffentlichungen zu diesem Themenfeld. Die Arbeit entstand als Masterarbeit im Eigenverlag.

Quelle: Hochschule für Grafik und Buchkunst Academy of Fine Arts Leipzig

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