Die Jury begründet ihre Entscheidung: „Daniel Tödts Dissertation ist bahnbrechend. Gegen den bis heute vorherrschenden Trend der Fixierung auf den antikolonialen Befreiungskampf und die kolonialen Aggressoren kommen in seinem Werk die einheimischen kongolesischen Eliten in den Blick, die ihre soziale Emanzipation, Fortschritt und Entwicklung zunächst innerhalb des Kolonialsystems sahen, aber dann Träger der Unabhängigkeitsbewegung und der postkolonialen Regierung wurden. Aus Quellen, Archiven, Zeitungen und Romanen entwickelt der Autor minutiös ein differenziertes Bild einer Kolonialgesellschaft und ihrer Sozialstruktur. In einer angenehm nüchtern eleganten Sprache entsteht ein hochinteressanter, in vielen Episoden sehr anschaulicher, differenzierter Blick auf die afrikanische Kolonialgesellschaft, der die Akteure ernst nimmt und ihnen eine Stimme gibt. Eine Übersetzung ist dringend notwendig als Beitrag für die internationalen postkolonialen Debatten heute.“
Die Übersetzung aller ausgezeichneten Werke wird mit der Summe von insgesamt 275.000 Euro finanziert. Ziel der Auszeichnung ist die stärkere internationale Verbreitung deutscher Forschungsergebnisse in den Sozial- und Geisteswissenschaften und die globale Vernetzung deutscher Wissenschaft. Die Zahl der in den englischen Sprachraum vergebenen Lizenzen wird so dauerhaft erhöht: Seit Beginn des Übersetzungsförderungsprogrammes 2008 wurden mehr als 350 Übersetzungen geisteswissenschaftlicher Werke in namhaften englischsprachigen Verlagen gefördert.
Neben Daniel Tödt wurden im Frühjahr 2020 ausgezeichnet:
- Caroline Arni: „Pränatale Zeiten. Das Ungeborene und die Humanwissenschaften (1800-1950)“ (Schwabe)
- Patrick Eiden-Offe: „Die Poesie der Klasse“ (Matthes & Seitz Berlin)
- Sebastian Gießmann: „Die Verbundenheit der Dinge. Eine Kulturgeschichte der Netze und Netzwerke“ (Kulturverlag Kadmos)
- Jürgen Habermas: „Auch eine Geschichte der Philosophie. Bde. 1 und 2“ (Suhrkamp)
- Hans G. Kippenberg: „Regulierungen der Religionsfreiheit. Von der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte zu den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte“ (Nomos)
- Fabian Klose: „,In the Cause of Humanity‘. Eine Geschichte der humanitären Intervention im langen 19. Jahrhundert“ (Vandenhoeck & Ruprecht)
- Victor Mauer: „Brückenbauer. Großbritannien, die deutsche Frage und die Blockade Berlins 1948-1949“ (De Gruyter)Â Tilman Nagel: „Mohammed. Zwanzig Kapitel über den Propheten der Muslime“ (De Gruyter)
- Olena Petrenko: „Unter Männern. Frauen im ukrainischen nationalistischen Untergrund 1944-1954“ (Ferdinand Schöningh)
- Eva von Redecker: „Praxis und Revolution. Eine Sozialtheorie radikalen Wandels“ (Campus)Â Â
- Kerstin Stakemeier: „Entgrenzter Formalismus. Verfahren einer antimodernen Ästhetik“ (b_books)
- Susanne Strätling: „Die Hand am Werk. Poetik der Poiesis in der russischen Avantgarde“ (Wilhelm Fink)
- Hans-Ulrich Wiemer: „Theoderich der Große“ (C.H. Beck)
Quelle: Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V.
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