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Gleich zweimal durfte sich das Thalia Theater bei der festlichen Preisverleihung des Theaterpreis Hamburg – Rolf Mares 2019 im Ohnsorg-Theater heute Abend freuen: Cathérine Seifert wurde Rolle der Barbara Fordham in Antú Romero Nunes‘ Inszenierung „Eine Familie“ von Tracy Letts als „Herausragende Darstellerin“ ausgezeichnet. Eva-Maria Bauer erhielt den Preis für ihr  „Herausragendes Bühnenbild“ in Sebastian Nüblings Uraufführung „Maria“ von Simon Stephens.

Theaterpreis Hamburg 2019

Die Begründungen der Jury lauten: Das Stück „Eine Familie“ ist eine Steilvorlage für ein brillantes Ensemble. Die Rollen sind Hochleistungsparts auf der emotionalen wie körperlichen Klaviatur. Der amerikanische Autor Tracy Letts entfacht in diesem auch verfilmten Werk ein dialogisches Feuerwerk. Die Rezeptzutaten hat er sich von Tennessee Williams, Eugene O`Neill und Edward Albee geholt. Im Zentrum steht die verwitwete Patriarchin Violet, das Flagschiff der Sippschaft Weston & Co, sesshaft irgendwo in der Prärie des Südstaats Oklahoma. Neben dieser monströsen Diva auf dem familiären Schlachtfeld hat eigentlich niemand eine Chance zum Überleben außer Barbara, die älteste der drei Töchter. Wie Cathérine Seifert diese Figur im Verlauf der dreieinhalbstündigen Vorstellung entwickelt und groß macht, ist atemberaubend. So gibt sie sich zunächst taff, pragmatisch, patent, fast unscheinbar. Im zunehmenden Nahkampf mit ihrer Mutter zeigt sie dann alle emotionalen Facetten einer teils empathischen, teils angewiderten Tochter, bezahlt diesen Kampf mit dem Verlust ihres Mannes und mutiert zum ebenbürtigen Mutter-Monster. Die Schauspielerin Cathérine Seifert schafft es, sich mit ihrem stupenden Körpereinsatz, ihrer Präsenz und Dynamik glänzend zu behaupten.
 
Dieser installative Bühnenraum in Sebastian Nüblings Uraufführung von Simon Stephens Gegenwartsstück „Maria“am Thalia Theater ist karg und komplex zugleich. Karg wie der urbane Lebensraum der darin mäandernden Maria, komplex wie die Perversion der globalisierten Ökonomie im Alltag. Eva-Maria Bauer erschafft eine gewaltige Installation, die als Assoziation auf den Turbokapitalismus zu lesen ist. Alles ist Ware, alles ist verfügbar und doch vereinsamen wir zusehends. Was liegt also näher, als einen schwarzen LKW, später ergänzt um einige Bildschirme und Mikrofone, als Dreh- und Angelpunkt des Bühnengeschehens zu setzen?! Das kreisende Gefährt ist Mahnmal für die überfahrene Mutter, dient zugleich als Warenlager, Videoleinwand für Ausflüge in die Welt des Webcam-Chats, Zufluchtsort, Kreißsaal oder Sterbebett – die perfekte Metapher für die rasante, irrlichternde Fahrt des Lebens. „All you need is love“ prangt euphemistisch auf der Außenplane – doch alles, was es manchmal braucht, ist, neben der Liebe zu einem starken Stoff, ein so kluges, multiperspektivisch und eigenständiges Bühnenbild, wie es Eva-Maria Bauer erschaffen hat.
 
Der Theaterpreis Hamburg setzt jährlich ein starkes Zeichen für die einmalige Diversität der Hamburger Theaterlandschaft.  Seit mehr als zehn Jahren werden Künstlerinnen und Künstler, die mit ihrer Arbeit zu einer vielfältigen und lebendigen Theaterlandschaft beitragen, mit dem wichtigsten Theaterpreis Hamburgs ausgezeichnet. Insgesamt werden acht Preise in unterschiedlichen Kategorien sowie ein Sonderpreis für außergewöhnliche Leistungen im Rahmen des Hamburger Theaterlebens verliehen. Der 2006 ins Leben gerufene Preis ist mit 1.000 € pro Preisträger dotiert und wird aus den Erlösen der Theaternacht Hamburg finanziert.
 
Cathérine Seifert, 1977 in Münster geboren, studierte an der Westfälischen Schauspielschule in Bochum und war von 2002 bis 2005 fest am Schauspielhaus Bochum engagiert. Dort arbeitete sie unter anderem mit den Regisseuren David Mouchtar Samurai, Matthias Hartmann, Jürgen Kruse und Jürgen Gosch. 2005 ging sie zu Matthias Hartmann ans Schauspielhaus Zürich. Hier spielte sie bei Jürgen Gosch die Warja in „Der Kirschgarten“ von Tschechow, das Evchen in Jan Bosses „Der zerbrochne Krug“ von Kleist und die Luise in David Böschs Inszenierung von Schillers „Kabale und Liebe“. Seit der Spielzeit 2009/2010 ist Cathérine Seifert festes Ensemblemitglied am Thalia  Theater. Wichtige Arbeiten waren „Nathan der Weise“ (Regie Nicolas Stemann), „Peer Gynt“ (Regie Jan Bosse), „Die Blechtrommel“ (Regie Luk Perceval), „Axolotl Roadkill“ (Regie Bastian Kraft) und „Die Orestie“ (Regie Ersan Mondtag). 

In der Spielzeit 2019/2020 steht sie in sechs Produktionen auf der Bühne des Thalia Theaters:  „Das achte Leben (Für Brilka)“ (wieder am 9. und 26. Dezember) und „Die Katze und der General“ (am 31. Oktober, 28. November, 3. Dezember), beide in der Regie von Jette Steckel, „Jeder stirbt für sich allein“ in der Regie von Luk Perceval und „Don Giovanni. Letzte Party“ in der Regie von Antú Romero Nunes. Derzeit probt sie in „Die Nacht der von Neil Young Getöteten“ von Navid Kermani, Regie Sebastian Nübling, Premiere ist am 16. November. In „Eine Familie“ ist sie wieder am 12. November um 19 Uhr zu erleben.
 
Eva-Maria Bauer arbeitete nach dem Abschluss ihres Bühnenbildstudiums an der University of the Arts London 2007-2010 als Ausstattungsassistentin an den Münchner Kammerspielen und als künstlerische Mitarbeiterin von Prof. Katrin Brack an der Akademie der Bildenden Künste München. Neben zahlreichen Ausstattungen entwarf sie an den Münchner Kammerspielen unter anderem die Bühnenbilder für »Sicherheitskonferenz« und „Uncanny Valley“ in der Regie von Stefan Kaegi/Rimini Protokoll, für »Orpheus steigt herab« (eingeladen zum Theatertreffen 2013) und Bühne und Kostüme für »Camino Real« in der Regie von Sebastian Nübling. Mit beiden Regisseuren verbindet sie eine stetige Zusammenarbeit. Weitere Projekte führten sie als Bühnenbildnerin an das Theater Bremen, das Deutsche Theater Berlin, das Maxim Gorki Theater Berlin, die Salzburger Festspiele, das Theater Basel, Staatstheater Hannover, Burgtheater Wien, an das Schauspielhaus Zürich u.v.m. Am Thalia Theater Hamburg entwarf sie die Bühnenbilder für „Wut/Rage“, „Tod eines Handlungsreisenden“ und „Maria“. In der Spielzeit 19/20 entwirft sie die Bühne für „Die Nacht der von Neil Young Getöteten“ in der Regie von Sebastian Nübling (Premiere am 16. November).
 
Quelle: Thalia Theater GmbH