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Am Mi., 23. Jan um 18h lädt die Gruppe „Kunstleihe HH-Harburg“ zur Einweihungsfeier der Kunst-leihe in die Räume im Obergeschoss des Kulturprojektes „3falt – Kunst, Kultur, Kreativität“ der ehemaligen Dreifaltigkeitskirche Neue Str. 44 in Harburg-Zentrum. Zugegen sind u.a. Ansgar Wimmer, Vorsitzender der Alfred Toepfer FSV Stiftung sowie Stephan Tresp, Vorstand Artotheken-Landesverband Schleswig-Holstein aber auch v.a.m..

Seit den 80er Jahren entstanden in der ganzen Bundesrepublik sogenannte „Artotheken“. Als Pen­dant zu Biblio-, Video-oder Mediatheken kann man bei ihnen Kunst leihen. In Hamburg gab es das bisher nicht, was die Kunstleihe HH-Harburg nun ändert. Zu leihen sind vorwiegend Werke lokaler Künstler*innen und in Formaten, die eben leihbar sind. Ob Drucke, Fotos, Stiche, Acryl-oder Ölbilder oder auch kleinere Plastiken – die Vielzahl ist nicht nur in den Techniken als auch in den Motiven und Stilisten breit aufgestellt. Und die Kunstleihe startet mit rund 100 Werken.

Besonders wichtig ist den InitiatorInnen aber vor allem der bildungsrelevante Ansatz. Mit Kunst seine persönlichen Erfahrungen zu machen, sie einfach mal in den eigenen vier Wänden, in KiTas, im Büro, der Arztpraxis oder Anwaltskanzlei über eine längere Zeit „wirken“ zu lassen, rufe bei den meisten ganz automatisch Veränderungen hervor. War es bei der spontanen Auswahl vielleicht noch die pas­sende Farbe zum Sofa, ist es wenige Tage später doch vielleicht die Vieldeutigkeit des Motivs, die Technik oder Wirkung in unterschiedlichen Launen oder Lichtern.

Die Kunstleihe Harburg legt den Schwerpunkt dabei vor allem auf die zeitgenössische Kunst und auf die regionalen Künstler*innen. Denn so wie die Kunstvermittlung auf der einen Seite wirke, ist es zugleich eine Würdigung der lokalen Akteur*innen auf der anderen Seite. Im Bezirk Harburg, so er­gab u.a. die einjährige Recherche der Initiator*innen, gibt es rund 100 Künstler*innen , die hier leben und / oder arbeiten und ausstellen. Ihnen mehr Wahrnehmung zu verschaffen und abseits der ohne­hin statt findenden Einzelausstellungen Hilfestellung bei der Präsentation ihrer Kunst zu geben, ist eines der Ziele der Kunstleihe.

Denn Harburg kann auf eine große Kunsttradition pochen. Es sind nicht allein die bundes-oder lan­desweiten relevanten Kunstorte wie die Falckenberg-Sammlung, der Kunstverein Harburger Bahnhof oder die Reihe „Kunst verbindet“ des hit-Technologieparks in Harburg, die das Kunstleben von Ham­burgs Süden bestimmen. Es gibt auch etliche Ausstellungen und recht regelmäßige Orte auf lokaler Ebene. Ob vom Kunst-und Kulturverein „Alles wird schön“, die seit 40 Jahren stattfindenden Ausstel­lungen in der Bücherhalle Harburg, seit 15 Jahren der Harburger Kulturtag, das Atelier Seils, Kunst im Kulthaus Süderelbe, Kulturcafé komm Du, der Kulturwerkstatt Harburg, der Fischhalle, des Ateliers Malrausch, im AKH Krankenhaus Harburg, der Kunstinitiative der Technischen Universität TUHH, den Moorburger Vereinen eldbeich e.V. oder Moorburger Art e.V. oder der Initiative wattenbergArt – sie alle präsentieren alltäglich Kunstwerke vornehmlich lokaler Künstler*innen und haben auch ein Pub­likum dafür. Die Recherche ergab, dass über 70.000 Menschen jährlich allein deren Ausstellungen aber auch Kunstkurse frequentieren. Und umso größer die Wahrnehmung dieser Kunst, um so eher ist natürlich auch gegeben, dass diese Kunst gekauft wird.

Das ist auch bei der zu den Ausstellungen ergänzend startenden Kunstleihe ein wünschenswerter Ef­fekt, damit Kunst eben nicht brotlos bleibt. Ihr vorrangiges Ziel ist es aber nicht. Es ist wirklich die Auseinandersetzung mit Kunst auf Zeit. Immer mal etwas anderes an der Wand hängen zu haben, ist immer eine neue Auseinandersetzung. Und wenn es mal nicht gefällt, tauscht man es einfach schnell gegen ein anderes.

Einweihung 1. HH-Harburger Kunstleihe

Der Impuls zur ersten Hamburger Kunstleihe kam im Januar 2017 in einer Sitzung des bezirklichen Kulturausschusses. Dort lag eine Anfrage eines Verwaltungsmitarbeiters vor. Dieser hatte in den Verwaltungsgebäuden ein ihn offenbar beeindruckendes Werk gesehen, das aber leicht beschädigt war. Da er nicht wusste, wem es überhaupt gehört, ließ er auf dem Amtsweg nach Eigentümer und der Möglichkeit der Reparatur fragen. Es stellte sich heraus, dass es dem Harburger Verein „Künstler zu Gast in Harburg“ gehört, der jährlich Stipendiaten als „artists in residence“ nach Harburg einlädt. Zum Ende ihrer Arbeitsphase erwirbt der Verein von ihnen zudem eines der zu der Zeit geschaffenen Werke und überlässt sie dem Bezirk, um etwa Büroräume aufzuwerten. Eine Art interne Artothek. Aber warum nur für Behörden? Und schon war die Idee geboren.

Es bildete sich so im Frühjahr 2017 von der Initiative SuedKultur, in der sich rund 50 Kulturinstitutio­nen des Hamburger Südens vereinen, schnell eine mehrköpfige Arbeitsgruppe, die das Thema ge­nauer ergründete. Recht bald stand auch fest: offenbar hatte seit den 80er Jahren in den wenigsten Fällen eine Artothek aus Kostengründen wohl aber aufgrund mangelnder Leidenschaft der Ak­teur*innen geschlossen. Andererseits gibt es viele Arten von Kunstleihen und –ansätzen. Wie würde es also am besten für Hamburg passen? Ein Antrag im bezirklichen Kulturausschuss, von dem man sich erhoffte, das Thema zumindest mit ein wenig Reisekosten unterstützt zu bekommen, lief ins Leere; Doch die Hamburger Alfred Toepfer Stif­tung FVS zeigte sich dem Thema gegenüber offen und bewilligte einstweilen 2.000,-€. Und so wurde alsbald Norbert Weber vom Landesverband der Artotheken Schleswig-Holstein eingeladen, um wei­tere Möglichkeiten, Probleme aber auch Aspekte der Kooperation sowie inhaltliche Facetten zu be­leuchten. Es folgten ein Besuch der Stadtgalerie und Stadtbilderei Kiel, die erfolgreich und enthusias­tisch eine Kunstleihe auch für Firmen und ihre Büros betreibt. Ein Besuch in der nahegelegenen Arto­thek in Buxtehude schärfte die Perspektive für die lokalen Künstler*innen und die fundamentale Vermittlungsarbeit für die Kunst. Die Jahrestagung der Schleswig-Holsteinischen Artotheken im süd­dänischen Apenrade folgten wie auch der Besuch des Kunst-und Kulturzentrums sowie ihrer Arto­thek in Sonderburg. Am Ende standen nicht nur eine Vielzahl an Eindrücken sondern auch konkreter Austausch, Möglichkeiten der Ausrichtung sowie der Machbarkeit zur Verfügung.

Die Harburger Kunstgruppe wurde 2017 zudem auf die leerstehende Kantine des Rathauses Harburg aufmerksam gemacht, die aber dann 2018 auf einmal nicht mehr zur Verfügung stand, da dort auf Dauer Akten gelagert werden. In dem Umwidmungsprojekt „3falt“ der ehemaligen Dreifaltigkeitskirche in Harburg Neue Str. 44 kam dann im Sommer 2018 plötzlich ein Raum in Betracht, der hinsichtlich Lage, Größe und Möglichkeiten nahezu ideal scheint und auch schnell von weiteren Bildenden Künstler*innen für Kunst-Workshops und –Kurse adaptiert wurde. Alsbald ergab auch der Austausch mit der Kunstinitiative der TUHH, dass diese selbst auch Kunstwer­ke ihrer Ausstellungen erwirbt und ihren Studierenden und Mitarbeitenden für ihre Arbeitsräume zur Verfügung stellen will. Dies soll künftig dann zentral und in Kooperation mit der Kunstleihe in Form einer Dauerleihgabe der Werke geschehen und wird den bisherigen Fundus erweitern. Ein anderer Kontakt führte dazu, dass ein privater Sammler sich von der Idee angetan zeigte und bei der alters­bedingten Verkleinerung seines Haushaltes einen beträchtlichen Teil seiner Sammlungen zeitgenössi­scher und teils bundesweit renommierten Kunst ebenso als Leihgabe an die Kunstleihe abtrat. Der Kontakt wiederum zur renommierten Claussen-Simon-Stiftung Hamburg, die in verschiedenen Kulturgenres jährlich Stipendien vergibt, ergab eine Schenkung der Stiftung von insgesamt acht Wer­ken aktueller Stipendiat*innen. Von denen stammt der Photograf Philipp Meuser direkt aus dem Be­zirk Harburg. Zwei weitere Künstlerinnen (Linda Hollkott und Simone Karl) wiesen zumindest durch ihre Kunst einen starken regionalen Bezug auf. Ein weiterer Austausch mit der benachbarten Dependance „arts & change“ der Medical School Ham­burg nimmt sich zudem einem Kursangebot an. Hier soll elementare und erlebbare Kunstvermittlung für Kleinkinder über Schulen bis hin ins hohe Alter erarbeitet werden und anhand der Kunstleihe-Werke direkt vor Ort erfahrbar machen, welche Wirkung Kunst in vielen Belangen des Alltags hat. Wieder andere Ideen wie ein Austausch zwischen den angebundenen Künstler*innen über Ausstel­lungen in jeweils anderen Artotheken-Orten oder eine jährliche gemeinschaftliche Kunstausstellung der lokalen Künstler*innen kursieren ebenso wie ein Event eines „Kunst-Discounts“, in der lokale Kunst in einem gänzlich anderen Format angeboten wird. Es liegen also viele Möglichkeiten direkt zu Füssen der nun entstehenden Kunstleihe HH-Harburg. Der erste offizielle Öffnungstag, an dem die Kunst entliehen werden kann, ist der nach der Einweihungs­feier am 23. Jan. folgende Sonntag, 27. Jan in der Zeit von 12-17 Uhr sowie Sonntag, der 3. Februar ebenso von 12-17h.

Aus all den recherchierten und erfahrenen Eindrücken kam die Arbeitsgruppe zu der Überzeugung, dass es in einer Millionenstadt Hamburg am Sinnvollsten ist, die Kunstleihe bezirklich zu organisieren. Damit wäre ein unmittelbarer Bezug in die Nachbarschaft gegeben, der Austausch über Kunst wäre konkret und nahbar und die Vermittlung demnach vermutlich individueller und vor allem leiden­schaftlicher. Um aber die Kunstleihe zum keinen politischen Strömungen und Wechseln auszusetzen, zum anderen optional auf ganz Hamburg ausweiten zu können, soll der Kunstfundus sowie Ausleihe-betrieb alsbald in eine kleine, unabhängige Stiftung eingebracht werden. Eine renommierte Hambur­ger Anwaltskanzlei (Rose & Partner) war von der Idee angetan und erarbeitete alsbald pro bono die rechtliche Konstruktion. Die Stiftung wird die Kunst selbst als Kapitalstock vorhalten und kann aber auch durch öffentliche Zuwendungen gefördert werden. Abhängig sollte sie aber von eben diesen nicht werden. Unter dem Dach der Stiftung könnte dann aus jedem Bezirk eine weitere Kunstleihe entstehen, die sich unab­hängig organisieren, aber die Struktur der Stiftung nutzen kann.

Bisher waren es also allen voran die Alfred Toepfer-Stiftung, die nicht nur durch die erste Unterstüt­zung zur Recherche sondern auch dem Voranbringen bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht genug gedankt werden kann, aber auch die Eisenbahnbauverein Genossenschaft sowie der lokale und nun leider aufgelöste Kunstverein „Kobalt Kunst international e.V.“ sowie die Claussen-Simon-Stiftung, ohne die das Projekt nicht zur Verwirklichung gekommen wäre. Aber es sind auch die zahlreichen Künst­ler*innen vor Ort gewesen, die die Idee immer weiter trieben, die unzähligen Gespräche, die die Lei­denschaft und die unzähligen Aspekte von Kunst bereichernd einbrachten und bringen. Und letztlich alle Partner der Initiative SuedKultur, die seit nunmehr 12 Jahren besteht und nun neben einer jährli­chen Music-Night für Musik und den Literaturtagen Suedlese nun auch einen weiteren Schwerpunkt für die Bildenden Kunst in Hamburgs Süden setzen konnte.

Um ein Werk zu leihen, bedarf es nicht viel: einen gültigen Personalausweis und eine einmalige Ge­bühr für die Erstellung des Kunstleihe-Ausweises in Höhe von 12,-€. Die Leihgebühr für ein Werk und für ein Vierteljahr beträgt 6,-€ und liegt damit unter dem Preis eines Tagestickets der Hamburger Verkehrsbetriebe. Die Werke werden in eigens erstellten Kartons handlich und gut transportabel mitgegeben. Gerne würde die Kunstleihe schon jetzt weitere Entleihtage – etwa auch in der Woche – anbieten. Da aber bisher all diese Arbeit noch unentgeltlich ehrenamtlich erfolgt (Entscheidungen über Anträge zur kommunalen Unterstützung sind noch nicht gefallen), bittet die Kunstleihe um Verständnis.


Quelle: Heiko Langanke / SuedKultur