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Sie gehörte zu den bedeutendsten ihrer Zunft und war über Jahrzehnte der AdK Hamburg eng verbunden: Die Glaskünstlerin Isgard Moje-Wohlgemuth (1941-2018) starb, wie wir erst jetzt erfuhren, im Alter von 77 Jahren in diesem Herbst in den Vierlanden.

Ihre Gläser sind einfach unverwechselbar, zumal jene, die zu ihrem Markenzeichen wurden: Einfache, vergleichsweise dickwandige, kleine Zylinder, deren Oberflächen in allen Regenbogenfarben schillern und funkeln, von gelblich-grün über rot-orange bis hin zu tiefem blau und violett, manchmal mit Goldstreifen kontrastiert, aber auch ohne so kostbar in ihrer Anmutung, dass man sich kaum traut, die Pretiosen in die Hand zu nehmen. 

Auf der Jahresmesse Kunst und Handwerk im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe leuchteten einem diese Gläser schon von weitem entgegen. Jahre, wenn nicht Jahrzehnte gehörte Isgard Moje-Wohlgemuth mit ihren wie Seide schimmernden Objekten zu den Highlights der Ausstellung für angewandte Kunst. Viele ältere AdK-Mitglieder werden sich gern an die sympathische Kollegin erinnern, die immer recht still und zurückhaltend war, aber überaus freundlich und zugewandt im persönlichen Gespräch.

Bereits als Kind, so erzählte sie einmal, hätte sie gewusst, dass sie schöne und kostbare Dinge herstellen wollte. Mit den eigenen Händen natürlich. Die Voraussetzungen dazu, Geduld und Durchhaltevermögen, gehörten zu den Tugenden des hochbegabten Mädchens.  

 Geboren im Zweiten Weltkrieg im ostpreußischen Gumbinnen und mit ihrer Familie auf der Flucht vor den Russen in den Westen verschlagen, begann Isgard Wohlgemuth mit 15 Jahren eine dreijährige Ausbildung an der Staatlichen Glasfachschule im hessischen Hadamar. Sie spezialisierte sich dort auf Glasmalerei und lernte wenig später ihren Mann Klaus Moje (1936-2016) kennen. Ihm folgte sie 1961 nach Hamburg, wo sie gemeinsam in St. Georg eine Glaswerkstatt aufbauten. Das war ziemlich mutig und ungewöhnlich zu jener Zeit, denn die Studioglas-Bewegung steckte damals noch in den Kinderschuhen und Glaskünstler, wie wir sie heute kennen, gab es noch nicht. Bis Anfang der 1960er Jahre galt Glas ausschließlich als industrieller Werkstoff, Entwurf und Herstellung waren strickt getrennt. Die Designer zeichneten am Reißbrett und schickten ihre Entwürfe in die Glashütten, wo sie von erfahrenen Glasmachern ausgeführt wurden. Auch Mojes arbeiteten anfangs für Manufakturen. Doch sie wollten mehr. Sie suchten den individuellen Ausdruck des Glases, die unverkennbare Handschrift des angewandten Künstlers und untermauerten ihre Position mit ihrem Eintritt in die AdK Hamburg.

Nach Geburt der beiden Kinder, Jonas Moje (1962), Möbel-Designer und seit 1992 ebenfalls AdK-Mitglied, sowie Mascha Moje, (1964), Schmuckkünstlerin in Melbourne, begann Isgard Moje- Wohlgemuth mit Metallsalz-Malerei auf Hohlgläsern zu experimentieren. Die Ergebnisse stellte sie erstmals 1967 bei der Jahresmesse Kunsthandwerk im Museum für Kunst und Gewerbe vor: Schlichte Zylinder, deren ungeheuer delikate, vielfarbige und ineinander übergehende Farbgebung an die Ringe des Saturns erinnern.

Der Erfolg war überwältigend! Innerhalb kürzester Zeit folgten internationale Ausstellungen, zahlreiche Preise und Ankäufe großer Museen. Wenige Jahre später war „Moje-Glas“ international ein Begriff. 1970 entstanden die ersten diamantgestippten Gläser, ein Jahr später der erste Glas-Schmuck in Verbindung mit Gold und Silber. Ende der 1970er Jahre folgten Gastdozenturen in den USA, den Niederlanden und Deutschland.

 Doch der Erfolg forderte auch seinen Tribut: 1980 trennte sich das Ehepaar. Klaus Moje ging nach Australien, an die Canberra School of Art, wo er eine Klasse für Glaskunst aufbaute. Isgard Moje-Wohlgemuth fand ihr Glück auf dem Siedscheljer Hof im niedersächsischen Mayenburg, nördlich von Bremen. Ganz abgeschieden und umgeben von Feldern und Wiesen, lebte und arbeitete sie hier mit ihrem zweiten Mann, dem Gürtlermeister und Metallbildhauer Michael Harjes (1926-2006), mit dem sie regelmäßig zu Atelierausstellungen einlud.

Ein Jahr nach dem Tod ihres Mannes, erkrankte auch die Glaskünstlerin so schwer, dass sie wieder nach Hamburg, in die Nähe ihres Sohnes zog. Doch bis dahin entwickelte sie in ihrer großzügigen Werkstatt, einem ehemaligen Schweinestall, immer neue Facetten der Glaskunst: Große, raumgreifende Objekte wie den würfelförmigen „Kimono“ (1987), auch humorvolle Glas-Plastiken, wie die „Heiligen Kühe“ (1993) und die „Komischen Vögel“ (in Zusammenarbeit mit dem Metallgestalter Reinhard Ose). Oder die an prähistorische Amulette erinnernden „Scheibenanhänger“ in Zusammenarbeit mit der Glashütte Fischer in Bramsche.  

Doch wenn man an Isgard Moje-Wohlgemuth zurückdenkt, diese wunderbare Künstlerin, die so prägend in ihrem Metier war, dann kommen einem als erstes die kleinen, formal schlichten Becher in den Sinn. Diese hinreißenden irisierenden Objekte, aus denen man zwar trinken kann, die im Grunde aber doch nur ein Trägermaterial bilden -  einen angenehm in den Händen liegenden Körper für ein stupendes Farbenspiel zwischen Abstraktion und Informel. Bezaubernd schön und von einzigartiger Qualität.