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Budapester Frühlingsfestival vom 19. März bis 5. April 2010 mit einer Schar von Weltstars.

Wir bereiten uns auf eine solide Feier vor, denn wir wollen nicht in Nostalgie verfallen, möchten aber auch keine Bilanz der vergangenen dreißig Jahre ziehen. Der Strawinsky-Abend unseres „Zwillings“, des 30-jährigen Ballettensembles Győr, erinnert uns aber zum Teil auch an unsere Anfänge. Es handelt sich vor allem um eine gegenseitige Inspiration zwischen Klassizität und Modernität, was sogar als Festivalmotto dienen könnte: Über die Vermittlung klassischer Werte hinaus hielten und halten wir es auch für sehr wichtig, den neuen Impulsen Raum zu sichern. Zuverlässige Pfeiler des Frühlingsfestes in Budapest während der vergangenen 30 Jahre waren das Budapester Festivalorchester sowie die Ungarische Nationalphilharmonie. Ersteres Orchester überrascht das Publikum mit einem Beethoven-Abend, die Philharmonie steht, den Traditionen gemäß an Bartóks Geburtstag, mit einem Bartók-Konzert voller Überraschungen im Programm. Das Kammerorchester Franz Liszt war von Anfang an Teilnehmer des Festivals, diesmal tritt der Klangkörper am Abschlusskonzert mit zwei weltberühmten jungen Musikern, dem russischen Pianisten Denis Matsuev und dem Trompetenkünstler Gábor Boldoczki auf.

Unser Gastland ist diesmal Dänemark. Aus diesem Land im fernen Norden mit einer abwechslungsreichen Kultur trifft eines der ältesten Ballettensembles, das Royal Danish Ballet ein und auch die außerordentlich originelle Formation Hotel Pro Forma stattet uns einen Besuch ab, um mit ihren klassischen, gleichzeitig aber auch rührend schönen Produktionen das Publikum zu verzaubern. Der weltberühmte Chor Ars Nova Copenhagen baut auf die Wechselwirkung zwischen Alt und Neu, Archaisch und Modern. Die Zuschauer in Budapest können Carl Nielsen, den modernen Klassiker der dänischen Musik, im Konzert der Danish National Chamber Orchestra kennen lernen, bei der Überwindung der Sprachbarrieren ist Ádám Fischer, ein ausgezeichneter „Dolmetscher“, behilflich. Das Trio con Brio Copenhagen spielt den Kammermusikfans, auf dem Programm steht auch ein Werk von Bent Sørensen, einer hervorragenden Persönlichkeit der neuen dänischen Musik. Das diesjährige Schwerpunktland ist den Traditionen entsprechend nicht nur mit Musik und Tanz präsent, sondern stellt in Ausstellungen auch seine bildende Kunst vor. Zur feierlichen Festivaleröffnung kommt es im Ludwig Museum, wo das interessierte Publikum Werke von dänischen Künstlern und Künstlergruppen betrachten kann. Die Ausstellung Power Games – MachtSpiele untersucht aktuelle gesellschaftliche und politische Probleme sowie die Rolle der zeitgenössischen Kunst.

Das Publikum hält es bereits für natürlich, dass beim Budapester Frühlingsfestival eine Schar von Weltstars auftritt. In der Reihe „Treffen von Welten“ konzentriert sich das Programm der Besten aus der internationalen Kunstszene. Auch dieses Jahr dürfen wir einen der gefragtesten Bratschisten, Jurij Baschmet begrüßen, er musiziert an der Spitze der Moskauer Solisten. An dem romantischen Arienabend des südamerikanischen Erwin Schrott (Uruguay) lernen die Zuschauer einen kometenhaften Sänger, den idealen Don Giovanni unserer Tage, kennen.
Seit langem schwärmen nicht nur die „Feinschmecker“ für die Musik des italienischen Klangkörpers Il Giardino Armonico. Nach Budapest kommt das Ensemble mit einem ausgezeichneten Jugendwerk von Händel, dem Oratorium La Resurrezione (Die Auferstehung). In dem jungen Ensemble der internationalen Solisten trifft man Namen, die in Zukunft alle große Persönlichkeiten werden können. Die virtuose Percussion-Künstlerin Evelyn Glennie ist bereits eine solche: die Künstlerin betrachtet ihren Körper als Resonator, tritt meistens barfuss auf, weil sie die niedrigen Töne durch ihre Sohle spürt. Aus Großbritannien kommen auch Emma Kirkby, Michael Chance sowie das historische Ensemble Florilegium. Auf ihrem Programm stehen selten gespielte Werke von Vivaldi und Pergolesi.

Nigel Kennedy und Paco de Lucía gehören zu den Interpreten der höchsten Klasse der U-Musik. Kennedy spielt in seinem jüngsten Programm Barockmusik und Jazz, Bach und Duke Ellington. Schauplatz des Treffens mit dem Meister der feurigen andalusischen Rhythmen und Melodien, Paco de Lucía, ist der Palast der Künste. Für jene, die das spanische Temperament bewundern, ist auch der Lorca-Abend vom Ballet Flamenco de Andalucía ein Muss. Freunde des modernen Tanzes sollten sich das Programm der Arnie Zane Dance Company mit Choreographien von Bill T Jones ansehen.

2010 hält auch etliche musikhistorisch bedeutende Jahrestage bereit. Dieser gedenkt das Budapester Frühlingsfestival traditionsgemäß mit einem reichen Angebot. Ein großes Unterfangen unsererseits ist eine möglichst vollkommene Präsentation vom Lebenswerk Ferenc Erkels, der vor 200 Jahren das Licht der Welt erblickte. Sechs seiner Opern stehen auf dem Programm, über die beliebten Werke Hunyadi László und Bánk bán hinaus werden auch Raritäten gespielt, wie Sarolta, Dózsa György, Bátori Mária und Brankovics György. Für die einführenden Gespräche vor den Aufführungen zeichnen András Hajós, Mariann Falusi, Kentaur, Miklós Fáy und Sándor Fábry verantwortlich.

Eine der wichtigen Missionen der Kunst von heute ist die Förderung der gesellschaftlichen Verantwortung, deshalb bekamen bei der Zusammenstellung des Festivalprogramms ähnliche Initiativen Priorität. Im Rahmen der Veranstaltung „Ich bin Roma – ich bin Ungar“ kann das Publikum die Werke von Roma-Künstlern kennen lernen. Während des Festivals soll im Arizona Studio des Thália-Theaters die Premiere des jungen Roma-Schauspielers und Regisseurs Rodrigó Balogh stattfinden. Federschleißen bearbeitet die Morde gegen Roma in letzter Zeit aus der Sicht von Roma-Jugendlichen. Mit dem Ensemble Kammerorchester Roma-Virtuosen, bestehend aus jungen Roma-Musikern mit Universitätsabschluss, erscheint ein neuer Farbtupfen auf der Palette der Kammermusik. Auf dem Programm des Klangkörpers stehen Barock Concertos. An diese Thematik knüpft auch die Ausstellung Roma Lebens-Bilder, in der das Publikum Werke der zeitgenössischen Roma-Malerin Mara Oláh kennen lernen kann.

Das Internationale Theaterfestival, als Festival im Festival, wurde letztes Jahr als eine Art Lückenfüller gestartet. In Zusammenarbeit mit dem Nationaltheater wurden experimentierende Truppen, international anerkannte Aufführungen eingeladen. Die Produktion Operation : Orfeo der dänischen Truppe Hotel Pro Forma setzt sich aus einem eigenartigen Spiel von Licht, Ton, Bewegung und Worten zusammen. Das Thalia Theater Hamburg trifft mit dem Stück von Luk Perceval, einem der namhaftesten Regisseure, ein.

The truth about THE KENNEDYS (Der Fluch der Kennedys), Premiere im September 2009, beschwört aufgrund von Dokumenten jener Zeit als eine Art zeitgenössisches „Königsdrama“ die wichtigsten Momente der 160-jährigen Geschichte der Familie Kennedy herauf. Die Münchner Kammerspiele, von deutschen Kritikern zum Theater des Jahres gewählt, tritt mit HIOB auf, einer Produktion mit Spitzenleistung sowohl von den Schauspielern, als auch vom Regisseur. Turbo Folk, das ungewöhnliche Stück des Kroatischen Nationaltheaters Zajc (Rijeka), präsentiert auf erschütternde, trotzdem feine Weise die Trümmern des jugoslawischen Nachlasses. Das Gastspiel von Inbal Pinto & Avshalom Pollack Dance Company mit der Produktion Hydra ist eine Verschmelzung von Tanz, Pantomime und Akrobatik, inspiriert von japanischen Märchen. Eine ungarische Premiere erlebt das Publikum des Nationaltheaters: eine Lear-Inszenierung von Péter Gothár nach der neuen Übersetzung von Dániel Varró.

Quelle und Text: Zsófia Zimányi –Festivaldirektorin, Budapester Festivalzentrum