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Zehn Fotografen und das Videoprojekt Kölner Wochenschau dokumentieren die Fotografenszene der 1970er und 1980er Jahre in Köln. Sie verstanden sich damals als Teil der linken und alternativen sozialen Bewegungen und hielten im Bild fest, was es in der etablierten Lokalpresse nicht zu sehen gab: die Tristesse der Stadtrandsiedlungen, die Parolen der Hausbesetzer und Demonstranten, Läden und Wohnungen türkischer Gastarbeiter, Travestiekünstler, die Protagonisten der Musikszene und den Abriss der legendären Stollwerck-Fabrik.

Gernot Huber hat z.B. den Streik bei den Kölner Ford-Werken 1973 dokumentiert. Klaus der Geiger spielte damals aus Solidarität vor dem Fabrikzaun auf, und die BILD-Zeitung hetzte gegen die Betriebsbesetzung und die revoltierenden "Gastarbeiter" in gewohnt krawalliger Weise: "Das sind keine Gäste mehr!". Den oppositionellen Journalisten und Fotografen in der Stadt wurde die Notwendigkeit bewusst, eine Gegenöffentlichkeit zur bürgerlichen Presse herzustellen. Deren Gazetten verschwiegen nämlich einfach zu oft Ereignisse oder stellten sie völlig verzerrt dar.

So erschien von 1974 bis 1983 das Kölner Volksblatt, 1976 gingen dann auch die "StadtRevue" als alternatives Stadtmagazin und das Videoprojekt "Kölner Wochenschau" an den Start. 1980 bis 1985 folgte dann das Stadtmagazin "Schauplatz". Im September 1981 produzierten die damalige Mitglieder der "Kölner Volksblatt"- Fotogruppe, Günter Beer, Jürgen Bildrim und Guenay Ulutuncok, gemeinsam mit Manfred Linke, der als festes Redaktionsmitglied für den "Schauplatz" fotografierte, eine Broschüre mit ihren Fotos von der großen Anti-AKW-Demo in Brokdorf. Diese gemeinsame Publikation war sozusagen die Geburtsstunde der "Photographenagentur laif".

In dieser Ausstellung bilden die Fotos vom "Leben in Köln" nicht jene kölschtümelnden Klischees ab, die Heinrich Böll in einem seiner Essays einmal als eher "schreckenerregend" beschrieb. Stattdessen durchstreifte Guenay Ulutuncok die Weidengasse, wo das Leben der türkischen Einwohner sich in den 1970er Jahren noch viel isolierter abspielte, bevor Alfred Biolek dort medienwirksam in den Gemüseläden exotische Gewürze für seine TVKochsendungen einkaufte. Jürgen Bindrim porträtierte das Leben am Kalscheurer Weg, im Volksmund wegen der selbst errichteten Bungalows "Indianersiedlung" genannt, wo manche Kinder schon früh eine Härte des Daseins erfuhren - all diese Fotos zeigen eine Welt, die dem deutschen Durchschnittsbürger und Boulevardblattkonsumenten seinerzeit verschlossen blieb. Manfred Wegener hielt den brutalen Wasserwerfereinsatz bei einer Demo im Bild fest und Manfred Linke dokumentierte die Hausbesetzerszene und zeigte unter anderem, wie sie mit Matratzen die Straßenbahnschienen der Zülpicher Straße blockieren.

Auch Wolfgang Zurborns Aufnahmen vom Straßenkarneval im Jahr 1981 folgen ganz bewusst nicht einer Ästhetik, wie wir sie sonst aus den konventionellen Lappenclown- Motiven der offiziellen Verkehrsamtsreklame kennen. In Bernd Arnolds Reportagen über die "Nacht im Milieu" posieren bekannte Szenetypen mit machohaft entblößter Brust vor den Eingängen der Lokale im Friesenviertel. Wolfgang Burat warf einen Blick in das unaufgeräumte Büro der Musikzeitschrift "Spex", zu dessen Mitbegründern und Herausgebern er von 1980 bis 1990 gehörte. Burat dokumentierte gerne die lokale und internationale Musikszene und arbeitet als Fotograf auch heute noch häufig mit Künstlern, Museen und Galerien zusammen. Der Künstler Elmar Schmitt war mit der Kamera zur Stelle, als die Abrissbagger im Severinsviertel 1987 die Schokoladenfabrik "Stollwerck" dem Erdboden gleich machten. Eusebius Wirdeier rückt in seinen Bildern die ruhige, poetische Seite gesellschaftlicher Umbrüche in den Blick.

Die Ausstellung "Bewegung im Blick - Die Kölner Fotografenszene der 70er und 80er Jahre" wurde gemeinsam kuratiert von artrmx e.V. sowie Galerie Kunstwerk Nippes. Das Kurationsteam wurde erweitert durch Peter Bitzer (laif) und Tina Schelhorn (Galerie Lichtblick). Als Initiatoren und Co-Kuratoren zeichneten sich der Fotograf Guenay Ulutuncok sowie der Grafiker und Kulturaktivist Jan Krauthäuser aus.

"Bewegung im Blick - Die Kölner Fotografenszene der 70er und 80er Jahre" wird gefördert durch die Regionale Kulturförderung des Landschaftsverbandes Rheinland, das Kulturamt der Stadt Köln sowie die Bezirksvertretung Köln-Ehrenfeld. Die Ausstellung wird darüber hinaus freundlich unterstützt vom Farbenkonzern AkzoNobel und der GAG Immobilien AG. Der Kooperationspartner der Ausstellung ist die StadtRevue, die in ihrer Septemberausgabe 2016 eine 16-seitige Fotostrecke mit einem Text von Jürgen Raap veröffentlicht. Mit der Photographenagentur laif sowie der Kneipe und Restaurant Filos konnten zwei Paten für die Ausstellung gewonnen werden, die die Kölner Alternativszene in den 70er und 80er Jahren maßgeblich geprägt haben.

Die Ausstellung "Bewegung im Blick - Die Kölner Fotografenszene der 70er und 80er Jahre" wird am 15. September 2016 im Rahmen der Internationalen Photoszene Köln feierlich in den Räumlichkeiten des artrmx e.V. (Atelierzentrum Ehrenfeld) eröffnet und ist Kooperationspartner dieses Fotofestivals.

Vernissage: Donnerstag, 15. September 2016, 19 Uhr
Ausstellungsdauer: bis 2. Oktober 2016
Öffnungszeiten: Do.-Sa.: 16:00-20:00 Uhr, So.: 13:00-17:00 Uhr

mit Bernd Arnold, Jürgen Bindrim, Wolfgang Burat, Gernot Huber, Manfred Linke, Elmar Schmitt, Guenay Ulutuncok, Manfred Wegener, Eusebius Wirdeier, Wolfgang Zurborn und der Kölner Wochenschau.

Talkrunde mit Fotografen und Zeitzeugen: Freitag, 30. September 2016, 19 Uhr

Quelle: artrmx e.V.