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CF: Das hört sich nach „Jäger und Sammler“ an. Wie kultivieren Sie nun das Material, was entsteht in welchen Einzelschritten?

Im Gespräch: Claus Friede mit den Regisseuren Madeleine Koenigs und Christopher WeißMK: Wir haben unsere Arbeit aufgeteilt: Die ersten drei bis vier Wochen hatten wir für das Sammeln und Jagen verplant, nun sind wir bei den Proben. Dadurch, dass wir 15 Spielorte haben und jede Szene eine eigene Form hat, ist dieser Bereich besonders komplex. Eine Szene ist musikalisch, die nächste ist textlich fokussiert und wieder die nächste ist eine Installationsarbeit.

CW: Das ist dem Konzept geschuldet, weil sowohl die Menschen unterschiedlich sind als auch deren Geschichten. So muss jeweils eine eigene Form entwickelt werden, die aber im gesamten Kontext auch stimmen müssen.

CF: Auch die Orte, an denen die Szenen stattfinden, haben ihre eigene Geschichte. Werden die in einer bestimmten Art berücksichtigt?

MK: Wir versuchen bei einigen Szenen, Orten deren Geschichte wiederzugeben, beispielsweise in einer Wohnung, aber es gibt auch Brüche. In einem Bunker wollen wir nicht den Bunker oder Krieg thematisieren, sondern mit ganz anderen assoziativen Geschichten den Ort brechen...

CW: ...man kann nicht alles erzählen in unserem Projekt und wir sind auch in unseren künstlerischen Entscheidungsprozessen nicht festgelegt, wir können überhöhen oder Ort neu definieren.

CF: Bei Ihrer Erzählung über die alte Frau, die dem Aufruf gefolgt ist und dann ihren Brief vorgelesen hat, habe ich mich gefragt, ob „Treffpunkt Borgfelde“ nicht auch eine evidente soziale Ausrichtung hat...

CW: Ja, es ist ein soziales Theaterprojekt...

MK: ...und wie wir eben sagten, wir sind Kommissare und Verkäufer, genauso sind wir auch hier und dort Sozialarbeiter. Aber dieses Thema ist sensibel, weil wir unbedingt vermeiden wollen, dass es eine Art Voyeurismus gibt oder sich jemand bloßstellt und zu sehr öffnet.

CF: Wie sind denn die künstlerischen Maßstäbe? Wo beginnt Voyeurismus, ab wann stellt sich jemand bloß und wer entscheidet dann, welcher Prozess abgebrochen wird?

CW: Unsere Arbeit ist in einem Prozess und wir müssen situativ entscheiden. Aber das ist Teil des Konzepts und es gibt diese Punkte, wo wir merken, hier bringt es keinen künstlerischen Mehrwert und wir müssen einen anderen Weg finden. Wir lehnen auch einige Dinge radikal ab. Auch unser jeweiliges Gegenüber muss sich auf uns einlassen und hier und da flexibel sein.
Wir arbeiten aber in einem Künstlerkollektiv und das ist gut, weil wir die Entscheidungen gemeinsam abwägen.

CF: Welches Interesse könnten die Bewohner von Wandsbek, Barmbek, Eimsbüttel oder Blankenese haben, sich mit Borgfelde zu beschäftigen?

MK: Borgfelde ist ein Mikrokosmos, einzigartig. Zwar ganz zentral gelegen, aber von seiner Wahrnehmung her Peripherie. Ganz anders als St. Georg!
Auf der anderen Seite findet man aber natürlich auch fast alle Zustände, die es in anderen Stadtteilen gibt.

CW: Die Themen sind aber nicht speziell Borgfelde, sondern auch für andere Gebiete und Menschen gültig. Das ist Teil unserer künstlerischen Arbeit, das spezielle im Allgemeinen zu zeigen und umgekehrt. Außerdem handelt es sich hier um Kommunikationsmodelle. Vergleichbare Themen in andere Räume gesetzt wirken anders. Die Kommunikation über Kunst in diesen Räumen ist ganz anders als auf einer Bühne, wir bewegen uns zwischen Realität und Fiktion, zwischen Dokumentation und Kunst. Wenn eine Frau auf einer Wiese staubsaugt, dann ist der öffentliche Raum plötzlich mit einer fantastischen Situation konfrontiert und provoziert Phantasie bei den Menschen.

CF: Ja, schöne Idee und Szene. Da sehe ich sofort Bilder dazu: Meine Nachbarin saugt die Kippen von der Wiese...

MK: Manchmal muss sich die Perspektive nur um einen Zentimeter verschieben und man bekommt etwas ganz Neues. Es wäre unser Wunsch, eine Alltagspoesie zu schaffen. Wir wollen damit erreichen, dass die Besucher, die sich von Spielort zu Spielort bewegen, auch die Zwischenräume füllen und den normalen, alltäglichen Raum anders wahrnehmen.

CF: Es gibt in der Bildenden Kunst den Begriff des „Mappings“, der Netzwerke eines Raumes erfassen soll. In diesem Sinne kann es als Instrument zum "Lesen" von Landschaften und Orten, aber auch von sozialen Beziehungsgeflechten verstanden werden. Können Sie etwas mit diesem Begriff anfangen?

MK: Wir haben den Begriff bei unserer Arbeit bisher nicht benutzt, aber wenn ich Sie richtig verstehe, dann erstellen wir ein „Mapping“ zwischen den Borgfeldern. Wir ziehen Verbindungen zwischen inhaltlichen und örtlichen Einheiten.

CF: „Treffpunkt Borgfelde“ findet an einem einzigen Tag statt, am 15. Mai. Wie ist das mit den Kapazitäten? Es können ja sicherlich nur eine begrenzte Anzahl von Zuschauern in die Wohnung oder zum Bäcker...

MK: Das Kapazitätsproblem lösen wir durch einzelne Gruppen mit jeweiligen Stadtführern. Wir dürfen nicht mehr als 140 Zuschauer einladen. Und man muss sich vorher anmelden, damit wir wissen, wie viele kommen wollen.


„Treffpunkt Borgfelde“
Sa 15.05.2010, 17:00 Uhr

Künstlerisches Team: Madeleine Koenigs, Kai F. Fischer, Christopher Weiß, Susanne Eigenmann, Rebekka M´Baidanoum, Anna-Lena Wendt
Karten zu 12 € (bei Reservierung 11 €, ermäßigter Preis 9 €)
Hamburger Sprechwerk Kartentelefon: 040 - 2442 3932
Treffpunkt und Kartenkasse vor dem Café Smögen, Klaus-Groth-Straße 28, Hamburg
Gefördert wird das Projekt von der Initiative „Anstiften - 50 Impulse für Hamburg“ der Körber-Stiftung Hamburg.

Mehr Informationen unter: www.facebook.com

Fotos: © Kai Fischer
Header: Madeleine Koenigs und Christopher Weiß vor dem Hamburger Sprechwerk
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