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Musik

Tan Dun, Jahrgang 1959, Weltbürger aus China, Komponist, Performance-Experte, Klangzauberer, Grammy- und Oscar-Preisträger (für seine Filmmusik zu „Tiger und Drachen“), wird zur Eröffnung des neuen Elbphilharmonie-Festivals „Lux Aeterna“ am 3. Februar seine Wasser-Passion in der Hamburger Katharinenkirche dirigieren und tags drauf noch einmal in der Lübecker Jakobi-Kirche.

Die Idee zu diesen Aufführungen stammt von Rolf Beck, der als Intendant des Schleswig-Holstein Musik Festivals mit Tan Dun zusammengearbeitet hat und der für seine Internationale Chorakademie Lübeck in jedem Jahr ein solches musikalisches Großereignis zeitgenössischer Musik organisieren will. Die Chorakademie übernimmt denn auch den fordernden Chorpart in Tan Duns spirituellem Klangabenteuer.

Eine Klangmeditation, die alle Sinne anspricht
„Ich bin ein Klangmaler, ich male akustische Bilder mit ganz unterschiedlichen Klängen“, sagt Tan Dun zu seiner Kompositionsweise. Er, der 2012 den Hamburger Bach-Preis erhielt, schrieb das Werk als Auftragskomposition für Hellmuth Rilling und dessen Internationale Bach-Akademie zum 250. Todestag von Johann Sebastian Bach. Eine Passion, die mit ausgefeilter Licht- und Klangregie, mit viel Percussion, einer Violine, einem Cello, zwei Solisten und Chor alle Sinne anspricht. Eine Performance, ein musikalisches Ritual zur tönenden Besinnung.

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Keine leichte Sache für den Chinesen aus Hunan, der Bach erst in den späten 70er-Jahren zu hören bekam, der seit vielen Jahren in New York lebt und längst rund um die Welt arbeitet. Denn aufgewachsen ist er ohne Religion. „Aber wir leben ja inzwischen in einem globalen Dorf, da müssen solche kraftvollen, dramatischen und opernhaften Geschichten geteilt werden.“

Tan Dun bebildert Passions-Szenen, die starke Emotionen heraufbeschwören, mit Klangerlebnissen rund ums Wasser, die er in seiner Kindheit gespeichert hat. Er integriert in sein Klanggemälde europäische Farben und asiatische Musik. Stile und Traditionen, Instrumente und ihre Klänge sind für ihn Werkzeug, er spielt mit mongolischem Obertonsingen, tibetischen Glöckchen, mit der ultratiefen schnarrenden Männerstimme des tibetischen Mönchsgesangs. Lässt Choralmotive aufscheinen, treibt die Instrumente über ihre normale Verwendung hinaus, um neue Höreindrücke zu erzielen. Der Chor singt, flüstert, summt oder spricht, die Metallstäbe des „Waterphones“ werden mit einem Bogen gestrichen und produzieren Sphärenklänge, die unter die Haut gehen, ein Gong wird zur Hälfte im Wasser versenkt und angeschlagen.

Überhaupt – das Wasser: 17 große durchsichtige Wasserbecken, von unten geheimnisvoll beleuchtet und in Kreuzform aufgestellt, teilen die Bühne in vier Räume, von denen zwei dem Chor gehören, zwei den Solisten und Instrumentalisten. An drei Kreuz-Enden sind die Perkussionisten platziert, das vierte besetzt in Hamburg und Lübeck der Dirigent und Komponist selbst.

Ein Klangabenteuer mit meditativen Kräften
Das Wasser ist – Tan Duns „Water Concerto“ zeigte das schon 2010 in der Laeiszhalle – ein ziemlich vielseitiger Klangkörper. Es fließt und tropft, man kann es, elektronisch verstärkt, schöpfen und gießen, mit Händen oder Gläsern schlagen, blubbern oder plätschern lassen. Wasser ist nicht nur Wasser, es steht auch für Blut und Tränen in der Passionsgeschichte. Und erzeugt alles in allem ein großes, immer wieder überraschendes und auch bewegendes Hörabenteuer über etwa eineinhalb Stunden, das mit Wasserklängen beginnt und mit ihnen auch endet.

Das Johannes-Evangelium lässt Jesus sagen: „Wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, wird niemals mehr Durst haben; vielmehr wird das Wasser, das ich ihm gebe, in ihm zur sprudelnden Quelle werden, deren Wasser ewiges Leben schenkt.“ Ob Tan Duns Wasser-Passion auch einen solchen religiösen Sinn tragen kann?

Da haben Kritiker immer mal wieder Zweifel – der Klang-Magier Tan Dun inszeniert seine Klang-Performances sehr routiniert und auch äußerst effektvoll. Aber sie hat durchaus ihre meditativen Aspekte, wenn auch nicht im klassisch religiösen Sinn. Kein Geringerer als der Tan-Dun-Förderer und -Inspirator John Cage hat es auf diesen Punkt gebracht: „In der Musik von Tan Dun wird offensichtlich, dass der Klang eine Stimme der Natur ist, in der wir leben und der wir zu lange nicht zugehört haben.“

Tan Duns Musik hat schon – gerade wenn sie in einem sakralen Raum aufgeführt wird – die Stärke, jenseits von Show-Assoziationen eine neue suggestive und spirituelle Kraft und am Ende auch eine Hoffnung auf Erneuerung und Wiedergeburt auszustrahlen. Am Ende, an dem es auch heißt: „Ein Jegliches hat seine Zeit“. Und wo dann nur der Klang des Wassers bleibt.

Tan Dun: Water Passion after St. Matthew
- Di, 3.2., 20 Uhr, Hauptkirche St. Katharinen, Hamburg, Katharinenkirchhof 1. Restkarten (11 bis 45 Euro) an der Abendkasse.
- Mi, 4.2., 19.30 Uhr, St. Jakobi, Lübeck, Jakobikirchhof 3, Karten 15 bis 35 €.
Informationen zum Elbphilharmonie-Festival „Lux Aeterna“

Video „Water Passion“


Abbildungsnachweis:
Header: Tan Dun. Foto: Nana Watanabe / Lux Aeterna
Galerie:
01. Tan Dun Water Passion. Foto: Tan Dun
02. Chorakademie Lübeck. Lux Aeterna
03. Tan Dun, Water Passion. Foto Nana Watanabe / Lux Aeterna
04. CD-Cover Water Passion

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