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Die Arbeiten der beiden Videokünstler bestehen zum Großteil aus Bewegtbild- und fotografischen Medien. Überwiegt bei Nowak die Arbeit mit digitalen Computerprogrammen und erweiterten Realitäten (augmented realities), so mischen sich bei Jackson analoge, konkret-arrangierte Handlungssituationen im Landschaftsraum, die im Ergebnis schließlich in dokumentarartiger, jedoch fragmentarischer Form erscheinen. Er benutzt digitale Medien lediglich zur Aufnahme, Post-Produktion und Präsentation, manipuliert jedoch die ursprünglichen Handlungen als solche nicht mehr.

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Bei allen formalen Unterschieden verbindet Nowak und Jackson inhaltlich eine ganze Reihe von Elementen:
– Beide Künstler untersuchen in ihren Werken nach Zivilisationsbedingungen. Beide haben ein intensives Interesse an Manipulation, um inhaltlich ihre kommunikativen Fokussierungen genau, nachvollziehbar und teilweise in übersteigerter Form sichtbar zu machen. Dies vollzieht sich auch jenseits dessen, was das jeweilige Video zeigt und außerhalb des Sichtbaren liegt. Die Geschichte hinter der Geschichte verbindet wie ein roter Faden die internen Aussagen – visuell, rhetorisch und sprachlich-semantisch.
– Die Landschaft spielt bei beiden Künstlern eine wesentliche Rolle, sowohl als Ort des Geschehens als auch als Interpretations- und Bezugsraum künstlerischen Handelns. Die Landschaft ist seit Jahrtausenden ein Ort für Manipulation gewesen, sowohl geographisch als auch philosophisch-kulturell. Das naturhafte der Landschaft verschwand in Europa – und verschwindet bis heute – gegenüber der Kulturlandschaft. Landschaft ist heute kein „Zurück zur Natur“ (Rousseau), sondern ein Zurück zu Bildern und Vorstellungen, die politisch-national, besitz- und eigentumsrechtlich und kommunikativ-kulturell geprägt sind.
– Und schließlich arbeiten beide Künstler mit kritischem Humor und zuweilen tragischer bis hintergründiger Ironie.

Levi Jackson (*1987), der sein Kunststudium am Pratt Institute in Brooklyn, NY und an der Brigham Young University in Provo, UT abschloss, steht einerseits in der Tradition der Land-Art, andererseits in der der dokumentationsartig festgehaltenen performativen Kunst. Seine im Außenraum inszenierten Fotografien und Videoarbeiten setzen sich mit zivilisatorischen, kulturellen und historischen Fragen auseinander. Diese ergeben sich aus der Eroberung des Westens der Vereinigten Staaten, aus dem Umgang mit Natur und Umwelt und den bestehenden kulturellen Reflexionen amerikanischer Künstler damit. Die Nähe zur Geschichte zeigt sich in der Historisierung der bildlichen Mittel und der Schwarz-Weiß-Fotografie.
Jackson balanciert in seinen Werken Humor und Ernst sensibel aus. Zuweilen pathetisch und monumental veranschaulicht er die Komplexität, die den amerikanischen Westen geprägt hat.

Alle seine Werke sind im Heger-Tor-Viertel zu sehen.
„Black Rain“ (2013) ist eine ruhige kontemplative Videoarbeit. In einer ausgetrockneten, spröden Landschaft: Auf dem rissigen Boden, der wie eine feine Keramik mit Krakelee-Muster wirkt, zeichnet der Wind Schattenspiele eines jenseits des oberen Bildrands befestigten pinselartigen Gebildes. Als ob die japanische Tradition der Kalligraphie Vorbild sei, ändert sich das imaginäre Bildzeichen durch leichten Wind permanent.
Der Titel der Arbeit verweist einerseits auf die Abwürfe der Atombomben 1945 auf Japan und den sogenannten „schwarzen Regen“, der noch Tage später als radioaktiv kontaminierter Niederschlag auf Menschen und Städte niederging als auch auf den 1989 von Ridley Scott gedrehten gleichnamigen Spielfilm. Am Drehort wurden zudem nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor, 1941, japanisch-stämmige Amerikaner interniert. (Schaufenster Hegerstraße 27/28)

Die Landschaft als Testgelände: das farbige Video „Proving Grounds“ (2014) zeigt einen schwarzen Wagen, der an einer im Boden verankerten Kette befestigt ist. Die inhärente Aggressivität der Situation und die neugierige Frage, wer stärker ist – Landschaft, Haltekette oder Auto – prägen das Kräftemessen. Mit nur wenigen, sich scheinbar wiederholenden Ausschnitten wird zwar viel feiner Staub aufgewirbelt, aber ein Ergebnis gibt es am Ende nicht. Mit einer Prise Humor hinter der Belastungsprobe versteht es der Künstler, dem Ganzen eine infantil-ironische Mentalität zu geben. (Bocksturm; Bocksmauer 9)

Ein tanzender Wolf bei „Esterbend“ (2014): In der archaischen Landschaft des Bundesstaates Utah spielt der Wind mit einem Wolfsfell. Wie erweckt, tanzt, springt und zuckt es sich ins Leben zurück. Die Leichtigkeit der Bilder täuscht! „Der mit dem Wolf tanzt“ wird zum kritischen, tragischen und bissigen Kommentar, zum Pelz ohne Körper und Schatten seiner selbst. Längst ist die Naturlandschaft zu Kulturlandschaft geworden, wobei es scheint, als ob uns der Künstler fragen möchte: Ist das wirklich das kulturelle Ergebnis und Vermächtnis der Menschheit? Natur versus Kultur und andersherum und wer hat wen erobert? (Amodomio; Marienstraße 3a)

Till Nowak (*1980) gehört zu einer Künstlergeneration, die sich früh und ausschließlich mit digitalen Medien auseinandergesetzt hat. Wie kaum ein anderer versteht er es, eine Mischung aus realen und virtuellen Welten oder Orten miteinander zu verbinden. Diese „Erweiterten Realitäten“ präsentieren sich durch die Kombination für das Publikum immer in einer nachvollziehbaren Möglichkeitsform. Seine wichtigsten Zutaten bestehen aus Humor und fast kindlicher Phantasie. Die Nähe zum Film ist kein Zufall, arbeitet Nowak seit Jahren für unterschiedliche Filmproduktionen in Hollywood.

„The Experience of Fliehkraft“ (2011) besteht aus sieben Computerzeichnungen und sieben Videos. Diese Installation ist inner- und außerhalb der Kunsthalle Osnabrück zu sehen: Das Werk zeigt physikalische Unmöglichkeiten von Fahrgeschäften auf Jahrmärkten. Die Übertreibungen der „Vergnügungsmaschinen“ sind allerdings so wirklichkeitsnah produziert, dass der Betrachter staunend und schmunzelnd davorsteht und diese für real halten kann. Sieben vermeintliche Konstruktionspläne ergänzen den Zyklus und kreieren eine Historie von Ingenieursleistungen die es nicht gegeben hat oder noch gibt. (Rückseite Kunsthalle Osnabrück)

„Sus“ (2011) zeigt die schneebedeckte Berg- und Fjordwelt Norwegens in einer langsamen, manipulierten, traumartigen Version. Die Oberflächen der Landschaft verflüssigen sich, als ob sie chemischen Prozessen ausgesetzt wären. Riesige Hochglanzblasen entstehen und lösen sich aus schroffen Felswänden. Zudem wird bewusst mit der Verzerrung von Größenverhältnissen gespielt: Schwarze Partikel, die an Asche erinnern, erscheinen mikro- und makroskopisch, wodurch der Mensch als winziges Wesen in Bezug auf unsere Umwelt thematisiert wird – eine Idee, der sich die norwegische Nationalromantik im 19. Jahrhundert bereits bediente. Das Projekt entstand in Kooperation mit Jostein Dahl Gjelsvik und Fuglefjellet AS. Das Werk wird auf die Innenhoffassade des Felix-Nussbaum-Hauses projiziert.

Die älteste Arbeit von Nowaks gezeigten Werken, „Window Crossing The Street“ (2009), findet sich an der Fassade des Antiquariats Wenner im Heger-Tor-Viertel (Hegerstraße 2/Rolandsmauer). In diesem Kurzvideo erweckt Nowak einen Teil einer Hausfassade zum Leben. Als ob es eigene magische Kräfte entwickelt hätte, wandert das architektonische Fragment als Steinungetüm, das an „Transformer“-Wesen erinnert quer über die Straße, um sich dann – als sei nichts gewesen – in die gegenüberliegende Gebäudefassade als vollkommen andere Stilrichtung zu integrieren.

Darüber hinaus sind in der Kunsthalle Osnabrück noch bis 21. Januar 2018 weitere fünf Videoinstallationen von Till Nowak unter dem Ausstellungstitel „Lucky Lifeforms“ zu sehen. Die Videoinstallation „Brut“ und „Aufzucht“ (2015) thematisieren beginnenden Leben, „Roadtrip to Babel“ (2011) beschäftigt sich mit der Reizüberflutung von Führungssystemen – vor allem, wenn man sich am Ende von gut 30 verschiedenen Navis den Weg weisen lässt. Die neuste Arbeit „Syncred Presence“ (2017) führt den Betrachter durch ein Video, das suggeriert an einem einzigen Ort zu sein. Nowak verbindet – mal deutlich, mal weniger sichtbar – Orte miteinander, an denen er gelebt, gearbeitet und ausgestellt hat.

Seit Jahren engagiert sich übrigens „Lichte Momente“, unterstützt von der „Felicitas und Werner Egerland-Stiftung“, bei eigenen Jugend-Video-Projekten. 2017 lautet der Titel „Layering Spaces – Resampling Reality“ nach der Idee von Till Nowak. Im zweitägigen Workshop wurden Mitte November Jugendliche eingeladen, ihre gewohnte Alltagsrealität einmal neu zu überdenken und ihr eine weitere künstlerische Dimension zu verleihen.
Die entstandenen Clips werden in gleicher Weise präsentiert wie die der Künstler (Joe Enochs Sports Bar) und sind wunderbar fantasievoll, persönlich und innovativ.

Lichte Momente
Outdoor Videoprojektionen
in Kooperation mit dem European Media Art Festival und der Kunsthalle Osnabrück
Zu sehen noch bis 30.12.2017, in der Kunsthalle Osnabrück, im öffentlichen Raum des Heger-Tor-Viertels und an der Fassade des Felix-Nussbaum-Hauses.
Kuratiert von Valérie Schwindt-Kleveman, Monika Witte und Prof. Claus Friede
Weitere Informationen
Führungen immer donnerstags: 18:00 Uhr, samstags: 17:00 Uhr
Dauer: ca. 90 Min.
Gruppenführung bis zu 20 Teilnehmer n. V. Tel.: +49 (0)170 - 484 3060

Weitere Videowerke und Installationen von Till Nowak sind vom 1. Dezember 2017 bis 21. Januar 2018 in der Kunsthalle Osnabrück (Hasemauer 1, 49074 Osnabrück) unter dem Titel Lucky Lifeforms zu sehen sein.
Öffnungszeiten: Di 13-18 Uhr, Mi, Do, Fr 11-18 Uhr; am 2. Do im Monat 11-20 Uhr, Sa + So 10-18 Uhr
Weitere Informationen
Courtesy: Claus Friede*Contemporary Arts, Hamburg


KulturPort.De – Follow Arts ist Medienpartner und KulturPort.De-Chefredakteur Claus Friede ist einer der Kuratoren von „Lichte Momente 2017“.


Abbildungsnachweis:
Header: Detail und Still aus Till Nowak, „Experience of Fliehkraft“ High Altitude Conveyance System), 2011.
Galerie:
01. Levi Jackson: „Black Rain“, 2013 (Video-Still)
02. Levi Jackson: „Proving Grounds“, 2014 (Video-Still)
03. Levi Jackson, Projektion „Esterbend“ im Heger-Tor-Viertel. Foto: Valérie Schwindt-Kleveman
04. Levi Jackson: „Esterbend“, 2014 (Video-Still)
05. Till Nowak, Projektion „The Experience of Fliehkraft“ im Heger-Tor-Viertel. Foto: Claus Friede
06. Till Nowak: „The Experience of Fliehkraft“, 2011 (Video-Still)
07. Till Nowak, Projektion „Window Crossing the Street“ im Heger-Tor-Viertel. Foto: Claus Friede
08. Till Nowak: „Window Crossing the Street“, 2009 (Video-Still)
09. Till Nowak, Projektion
SUS" am Felix Nussbaum Haus. Foto: Henning Bischof
10. Till Nowak: „SUS“, 2011 (Video-Still)
11. Plakat „Lichte Momente“
12. Till Nowak:
„Brut“, 2015, Videoinstallation, Kunsthalle Osnabrück
13. Till Nowak: „Roadtrip to Babel“, 2011 (Video-Still), Kunsthalle Osnabrück
14. Till Nowak: „Multinavigator“, 2010/11, Kunsthalle Osnabrück
15. Till Nowak:
„Syncred Presence“, 2017 (Video-Still), Kunsthalle Osnabrück

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