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„Es war nur zu logisch ein solches Festival in einer barocken Stadt wie Valletta – ja, in einem barocken Land wie Malta zu kreieren!“, sagt Kenneth Zammit Tabona, künstlerischer Leiter des Festivals „und der Januar schien uns dafür besonders geeignet, weil es der ruhigste Monat in der Stadt war – jetzt allerdings nicht mehr.“

Das Festival füllt in der Tat eine kulturelle Lücke zwischen Architektur und Kunst und zwischen den vielen anderen Festivalterminen des Inselstaats. Das Teatru Manoel – eines der ältesten existierenden Theater in Europa – und ein wunderschönes noch dazu, ist der Nukleus des Musikfestivals, der Präsidentenpalast, die Kirchen in Valletta und Floriana bieten zudem für die 21 Veranstaltungen die akustische Vielfalt.

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Auffallend im programmatischen Repertoire sind die musikalischen Wirkungszentren der Komponisten: London, Leipzig, Venedig, Neapel, Madrid und deren Bezüge miteinander.
Den Einstieg ins Festival gestaltet der „Nederlands Kamerkoor“ mit Werken aus vorbarocker Zeit. Er widmet sich den „Nine Lamentations“ (Klagelieder Jeremias zur Zerstörung Jerusalems und des Tempels) und den englischen Komponisten Gylbert Banaster (um1445-1487), Edmund Sturton (um1480-um1540) und Robert White (1538-1574). „Mit den neun Klageliedern ein Festival zu beginnen, war für mich mehr als schwierig, weil ich mich fragte, ob wir damit das richtige Signal setzen“, erklärt Tabona. „Bis kurz vor Festivalstart hatte ich deswegen Bauchschmerzen, doch dann überschlugen sich die Ereignisse in Frankreich und das Konzert entsprach der Stimmung. Mehr noch, das Festival traf damit den Brückenschlag aus dem damals zum heute und erinnert an ein permanent andauerndes Problem. Der Kammerchor inszenierte den Auftritt dramatisch gut, mit Kerzen und das Konzert endete in absoluter Dunkelheit, im Schweigen und Gedenken der ermordeten Menschen in Paris.“

Der belgische Barock- und Bach-Spezialist Sigiswald Kuijken gibt gleich zwei Konzerte: Bachs Cello-Suiten 1, 3 und 5, einen Tag später die geraden Nummern 2, 4 und 6. Das besondere – er spielt auf einem „Violoncello da spalla“, einem Tenorinstrument mit eher rarer Auftrittsquote. Kuijken ist nicht nur ein Vertreter der historischen Aufführungspraxis, sondern ein ausgewiesener Experte für die Technik, Spielart, Instrumente und Interpretation des Barocks. Seine Auftritte wurden in der ersten Woche des Festivals zu einem der Höhepunkte.

Ein Highlight in zweiten Teil war das Konzert des Chors und Orchesters „Die Kölner Akademie“ mit einer Ehrung an Girolamo Abos (1715-1760). Der in Malta vor genau 300 Jahren geborene und in Neapel wirkende Komponist ist nicht nur hierzulande so gut wie unbekannt. Das soll und kann sich ändern, denn das Konzert wurde für ein Album mitgeschnitten mit Erscheinungstermin im Dezember 2015.

Michael Alexander Willens, Leiter von „Die Kölner Akademie“ war bereits 2013 mit seinen Musikern Gast beim Festival. Er, gemeinsam mit dem Musikwissenschaftler Frederick Aquilina waren genau die richtigen Personen, mit den richtigen Kontakten, der richtigen Einstellung und Erfahrung sich dem Malteser zu widmen, dessen Werke „seit Jahrhunderten nicht mehr zu hören waren“ (Tabona).

Die Entscheidung, dass Abos als „maltesischer“ Musiker nicht von Maltesern gespielt wird – „sonst heißt es: die spielen ja nur ihre eigenen Komponisten“ (Tabona) – sondern von einem international anerkannten Orchester und Chor, ist überaus sinnvoll und klug oberdrein.
Mit dem „Magnificat“ (1) „Benedictus Dominus Deus Israel“ sowie der „Messa a due cori“ konnten die Zuhörer in die höchst interessante Welt Abos und des Generalbasses eintauchen. Das ist mehr als lohnenswert, denn Abos ist eine wahre Entdeckung und steht seinen italienischen Zeitgenossen in nichts nach. Die Werke des Komponisten sind überaus melodisch, elegant bis temperamentvoll und vor allem, sie bringen den Spaß an der Musik zu Gehör. Großartig im stimmlichen und orchestralen Klang des in Köln beheimateten Ensembles und Chors fliegen die 90 Minuten nur so dahin. Der wunderschöne Sopran von Maïlys de Villoutreys sowie der Bass von Mauro Borgioni, der an diesem Abend eher ein perfekter Bariton ist, sind die zweite Entdeckung. Nun kann man gespannt sein auf den von CPO und Deutschlandfunk koproduzierten Mitschnitt.

„Händel and His Friends“ – ohne den Barockmeister Georg Friedrich Händel (1685-1759) ist ein solches Festival kaum vorstellbar. Das „European Union Baroque Orchester“ unter Leitung des Dänen Lars Ulrik Mortensen beleuchtete im Teatru Manoel das Umfeld von Händel und stellt Werke von Johann Helmich Roman (1694-1758), Francesco Geminiani (1687-1762) sowie William Boyce (1711-1779) vor. Letztgenannter gehört zu den besten englischen Komponisten des 18. Jahrhunderts. Das begründet sich nicht allein im Vergleich zu den kontinentalen Kollegen seiner Zeit, sondern insbesondere auch daran, dass er seine Komposition vom übermächtigen Händel freizuhalten vermochte und es ist gut, seine Werke im 20. Jahrhundert wieder ins Konzertleben eingeführt zu haben.

Mit dem Waliser und Konzertmeister Huw Daniel hatte das Orchester einen hervorragenden Geigensolisten – mit feinem Bogenstrich – der insbesondere im Concerto Grosso Op.3 Nr. 12 La Folia von Francesco Geminiani brillierte.

Das Ensemble „Le Concert Spirituel“ unter dem Gründer und Leiter Hervé Niquet begeisterte mit „Venetian Splendors“. Der Name des Ensembles „Concert spirituel“ ist die Bezeichnung für eine Konzertveranstaltung, die von 1725 bis 1791 in Paris stattfand und wegweisend für den Musikgeschmack im Frankreich des 18. Jahrhunderts war. So ist es wenig erstaunlich aus welchem Repertoire Niquet und seine Musiker auf historischen Instrumenten schöpfen.

Kaum zu glauben, dass zu Lebzeiten Antonio Vivaldi (1678-1741) nicht den Stellenwert hatte, den er heute genießt. Wie vielschichtig die Kompositionen des Venezianers sind und interpretiert werden können erlebte das Publikum an diesem Abend. Auch wenn die Akustik der St. Publius Church nicht optimal war, die Qualität des Ensembles war immens gut. Die Messe „ad Majorem Dei Gloriam“ von André Campara (1660-1744) bot gleich zu Konzertbeginn die für seine Kompositionen übliche Leichtigkeit und Schlichtheit. Diese Leichtigkeit zog sich auch in Vivaldis „Psalm 121 Laetatus sum“ weiter, während „Psalm 113 in exitu Israel“ (RV604) einer eigenartig minimalistischen Version und eines Gebets glich. Ein ganz einzigartiges vorgetragenes und so noch nicht gehörtes „Gloria“ (RV 589) rundete einen gelungenen Konzertabend ab.

Neben internationalen Musikern und Ensembles aus Europa sind auch einheimische Künstler vertreten. Das Valletta International Baroque Ensemble bildet die Musikscene Malta ganz gut ab. Warum sie mit „Gabrieli & Monteverdi“ und weiteren Kompositionen von Usper, Willaert und Croce allerdings das Abschlusskonzert lieferten ist nicht wirklich verständlich, weder qualitativ, noch zeitlich in der Epoche Barock, noch als Erinnerungsmoment, den man bis zum nächsten Valletta International Baroque Festivals 2016 gerne mitnimmt. Nun gut, wie sagte Tabona so schön: „Wir sind lernfähig!“

Gut, dass es als eigentlichen Abschluss den Barockball im Teatru Manoel gibt. Dieser ist ein Vergnügen für alle und katapultiert Einheimische, Gäste und Besucher (Dresscode: Barockkostüm oder zumindest langes Abendkleid/Smoking und Maske!) zurück ins 17. und 18. Jahrhundert. Musik und Tanz sind nicht nur hörbar und visuell erfahrbar, sondern ist für alle fast schon Obligation.

Das Programm für 2016 steht schon bereits fest: das 4. Valletta International Baroque Festival startet am 16. und endet am 30. Januar 2016. Mit dabei sind: Jodie Savall mit Le Concert des Nations, Philippe Herreweghe mit dem Collegium Vocale Gent, das in Palermo beheimatete Gli Archi Ensemble sowie der Lautenist Andreas Martin.
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KulturPort.De dankt der Malta Tourism Authority, Visit Malta, Air Malta und dem Hotel Phoenicia für die Unterstützung.


Abbildungsnachweis:
Header: Innenraum der St. Publius Church. Foto: Robert Quitta
Galerie:
01. Les Cinq Sens-L'Ouïe, Eau-forte d'Abraham Bosse, um1638
02. Barockes Valletta. Foto: Claus Friede
03. Innenraum des Teatru Manoel. Foto: Teatru Manoel
04. Sigiswald Kuijken
05. Größenvergleich: Barockvioline vor Violoncello da spalla. Quelle: Wikipedia
06. Die Kölner Akademie, St. Paul’s Angelican Pro-Cathedral. Foto: Robert Quitta
07. Michael Alexander Willens, Die Kölner Akademie. Foto: Robert Quitta
08. Maïlys de Villoutreys. Foto: Robert Quitta
09. Mauro Borgioni. Foto: Robert Quitta
10. Le Concert Spirituel, St. Publius Church. Foto: Robert Quitta
11. Hervé Niquet. Foto: Robert Quitta
12. European Union Baroque Orchestra.im Teatru Manoel. Foto: Rober Quitta
13. Valletta International Baroque Ensemble, St. Paul’s Angelican Pro-Cathedral. Foto: Robert Quitta
14. Baroque Ball im Teatru Manoel. Foto: Claus Friede
15. und 16. Baroque Ball. Foto: Robert Quitta.

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