NewsPort - Kunst & Kultur aktuell

Follow Book

Er schreibt von Ignoranz, wenn von 1.200 Titeln zum Zweiten Weltkrieg nur zehn aus der DDR genannt werden, als habe es „eine ostdeutsche Geschichtsforschung über den Krieg der Jahre 1939 bis 1945 nicht gegeben“. Im Anhang zählt er dagegen 26 DDR-Titel auf.

Kurt Pätzold, Prof. Dr. phil., geboren 1930. Er lehrte bis 1992 als Professor für Deutsche Geschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin. International renommierter Historiker und Faschismusforscher. Veröffentlichte zuletzt bei PapyRossa: „Kein Streit um des Führers Bart. Kontroversen um Deutschlands ´dunkle Jahre´ 1933 bis 1945“.

Interessierte Leser werden mit diesem faktenreichen Buch auf ihre Kosten kommen. Hieb- und stichfest bringt der Autor auf den Punkt, welche Umstände und internationale Konflikte zum Kriege geführt haben und dass Ende des Jahres 1941 bereits 38 Staaten in ihn verwickelt waren. Gründlich geht er auf die Gründe dieses Verbrechens ein. „Anders als 1914 gab es 1939 in Europa nur einen Staat, der den Krieg geplant hatte, ihn wollte und begann: das faschistische Deutschland und dessen revanche- und expansionshungrige Kreise in Politik, Militär und Wirtschaft“, so Kurt Pätzold. Man wollte sich mit den Resultaten des ersten verlorenen Krieges und mit den Bedingungen des „Versailler Diktates" auf Dauer nicht abfinden, so liest man es. Eine große Rolle spielte, so der Autor, die Hoffnung Frankreichs und Großbritanniens, „Deutschland werde seine aggressiven Kräfte nach Osteuropa und gegen die UdSSR richten und damit eine Aufgabe erledigen, die im Interesse aller Kräfte des internationalen Kapitals lag“. Das Ziel: Die Vernichtung der UdSSR und die Eroberung eines Kolonialreiches. Hitler schwebte vor, über Ressourcen zu gebieten, um am Ende jedem Gegner in einem beliebig langen Krieg siegreich zu trotzen.

Kurt Pätzold: Zweiter WeltkriegDer Autor streift in diesem Abriss der Geschichte bekannte und auch stark diskutierte Themen. In Bezug auf den „Holocaust“ schreibt Pätzold: In der Judenverfolgung vollzogen die Rassisten und Antisemiten in der deutschen Führung „den Übergang von der Politik der Vertreibung zur Praxis der Vernichtung“ – und das schon im Verlauf des Krieges. Auf Seite 18 widmet er sich dem Nichtangriffsvertrag vom 23. August 1939 zwischen der UdSSR und Deutschland, mit dem die SU hoffte, Zeit für die „Fortdauer einer Friedensperiode“ zu gewinnen. Nicht unerwähnt bleibt der Krieg der UdSSR gegen Finnland im Jahre 1939/1940, der 2. japanisch-chinesische Krieg 1937, die Angriffe des Faschismus auf Frankreich, England, Niederlande, Dänemark Norwegen oder Äthiopien, Jugoslawien, Griechenland und und und.
Schließlich der schwere Weg zur Antihitlerkoalition, die mit der Eröffnung der Zweiten Front im Juni 1944 in die Tat umgesetzt wurde, endlich, nach der Niederlage in Stalingrad bereits im Jahre 1943. Wie die Nazipropaganda darauf reagierte, beschreibt der Autor mit folgenden Worten: „Der Glaube an den Endsieg musste reanimiert werden, und da rationale Argumente rar waren, blieb wie üblich nur die Flucht ins Irrationale und Mystische.“ Der Herrgott werde uns schon helfen.

Mehrfach geht Kurt Pätzold auf die Friedensdemagogie der Faschisten vor dem Beginn des Völkermordens ein sowie auf Durchhalteparolen bis zum „Endsieg“. Kein Wunder, so der Autor, dass überall deutsche Soldaten weiterhin den Befehlen ihrer Vorgesetzten folgten. Auch im Hinterland hielten die „dumpfe Gefolgschaft und der selbstmörderische Gehorsam“ an.

Bemerkenswert die Meinung des Autors zu den Überlebenden und Vertriebenen, die von der bürgerlichen Geschichtsschreibung „sämtlich unter die von Sowjets, Russen oder Polen Vertriebenen subsumiert und sie und die Toten zu unschuldigen Opfern“ erklärt worden sind. Pätzold: „Opfer waren sie gewiss, aber die des von ihrem Land verschuldeten, häufig von ihnen selbst mitverschuldeten Krieges und derer, die sie in der Januarkälte ins Ungewisse geschickt hatten.“

Sehr warmherzig schildert der Autor an zahlreichen Stellen die Not der im Hinterland unter dem Bombenkrieg leidenden Bevölkerung: „Damit sie den Bombardements mit den Nächten in Kellern und Bunkern und Schlimmerem entgingen, wurden Kinder, kleinere mit Müttern, ältere zu Pflegeeltern in ländliche Gebiete evakuiert.“

Was ab 1945 nach der Befreiung vom Faschismus geschah, kleidet Kurt Pätzold in folgende Worte: „Eröffnet wurde der Kalte Krieg, der mit politischen, wirtschaftlichen, propagandistischen und geheimdienstlichen Mitteln geführt wurde. Sein Prophet und Propagandist wurde schon 1946 Churchill, der zur weltweiten Formierung wider den Kommunismus rief, die als Abwehrfront deklariert wurde.“ So standen sich denn der West- und der Ostblock im Kalten Krieg gegenüber. Aktuell fügt der Autor hinzu: „Nach dem Zerfall der östlichen Führungsmacht und des Bündnisses der Warschauer Vertragsstaaten dehnten sich die von den bürgerlichen Staaten geschaffenen Zusammenschlüsse, die NATO und die EU, territorial aus.“

Der Autor mahnt, die Analyse der Herkunft und des Charakters des Faschismus und des imperialistischen Eroberungskrieges fortzusetzen, um fortlebende Missdeutungen „im Zeichen eines um geschichtliche Tatsachen unbekümmerten, verbissenen, reanimierten Antikommunismus“ zurückzudrängen. Es gehe um die Königsfrage, „die jede tiefere Analyse geschichtlicher Ereignisse und Entwicklungen zu stellen hat: Warum?“

Kurt Pätzold: „Zweiter Weltkrieg“, Basiswissen Politik/Geschichte/Ökonomie

PapyRossa Verlag; Auflage: 1 (25. Juli 2014), broschiert, 143 Seiten,
ISBN-10: 3894385588, ISBN-13: 978-3894385583


Abbildungsnachweis:
Header: Kurt Pätzold, Jena, 2007. Quelle Wikipedia
Buch-Cover

Kurt Pätzold eine Geschichte

Kommentar verfassen
(Ich bin damit einverstanden, dass mein Beitrag veröffentlicht wird. Mein Name und Text werden mit Datum/Uhrzeit für jeden lesbar. Mehr Infos: Datenschutz)

Kommentare powered by CComment


Wir benutzen Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.