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Fotografie

Düsseldorf prägte wie keine andere Stadt den beruflichen Werdegang der Künstlerin. "Düsseldorf" steht für mich für Anfang. Es war und ist für mich eine Auseinandersetzung mit dem Anfang meiner Arbeit", erklärt die heute in Köln lebenden Fotografin den nüchternen Titel der Ausstellung. "Aber es geht nicht nur um die Arbeit zu jener Zeit. "Düsseldorf" zeigt auch meine Arbeit, wie ich sie jetzt mache. Es geht also um Arbeit damals und Arbeit jetzt. Es geht um Veränderung."

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Höfer absolviert in Köln zunächst eine fotografische Ausbildung, studiert an der Kölner Werkschule Kunst und Fotografie, arbeitet als freie Fotografin in Hamburg. In die Domstadt zurückgekehrt, entsteht die Bildergruppe "Türken in Deutschland". Ihre in schwarz-weiß oder farbig -für Diaprojektionen- fotografierte Serie dokumentiert das alltägliche Leben der türkischen Gastarbeiter in ihrem kulturellen und sozialen Umfeld, in Metzgereien und Geschäften, Lokalen und Cafés. Bereits in diesem Frühwerk lässt sich Höfers Vorliebe für Innenräume, Dekors und Interieurs erkennen, die in ihren späteren Fotoarbeiten dominieren werden. 1973 geht sie an die Kunstakademie Düsseldorf, studiert Film in der Klasse von Ole John. Mit dem Multimedia-Künstler Tony Morgan realisiert sie 1975 "da forno", einen vierminütigen 16-Millimeter-Film. Schauplatz ist das Düsseldorfer Eiscafé Da Forno. Die Protagonisten Höfer und Morgan stehen abwechselnd hinter der Kamera oder filmen sich posierend und lachend beim Espresso trinken.
Der Kurzfilm wird in der Ausstellung zum ersten Mal öffentlich gezeigt. Es soll Höfers erster und letzter Ausflug in dieses Medium sein, denn der Film ist nicht ihr künstlerisches Metier. Sie favorisiert Projektionen, die zwischen statischen und bewegten Bildern angesiedelt sind und an filmische Sequenzen erinnern.

1976 wird an der Akademie eine Fotoklasse unter der Professur von Bernd Becher eingerichtet. Die 32-Jährige bewirbt sich mit der Diaprojektion "Türken in Deutschland" erfolgreich um einen Studienplatz. Bis 1982 studiert sie in Bechers Fotografie-Klasse. Bernd Becher, der zusammen mit seiner Frau Hilla weltweiten Ruhm als Fotograf von Industrieanlagen erlangt, bildet seit den 80er-Jahren mehrere Topstars der deutschen Fotokunst aus. Zu den prominentesten Absolventen der „Becher-Schule“, in der Kunstszene Düsseldorfer Photoschule genannt, gehören neben Candida Höfer, Thomas Ruff, Thomas Struth, Axel Hütte und Andreas Gursky, heute der teuerste Fotokünstler der Welt.
Seit ihrer Studienzeit findet Höfer ihre Motive in Düsseldorf. Sie dokumentiert mit ihrer Kamera das urbane Leben der Stadt: Menschen bei ihren Alltags- und Freizeitaktivitäten in Parks, bei Konzerten, im Theater, beim Pferderennen, aber auch Häuserfronten, Schaufensterscheiben, Wartesäle im Bahnhof, Spielhallen mit Flipperautomaten oder die Düsseldorfer Kirmes. Fotografiert sie zu Beginn ihrer Laufbahn noch mit einer Kleinbildkamera, benutzt sie später eine digitale Großbildkamera mit langen Belichtungszeiten und ein Stativ.

Für ihre Düsseldorfer Ausstellung entwickelt die Künstlerin aus unveröffentlichten Einzelfotos digitale Projektionen. Das heißt, Fotografien aus verschiedenen Werkphasen werden zu einer Art Filmcollage montiert und als Loop auf Monitoren präsentiert. Neben der bereits erwähnten "Projektion Düsseldorf III 2012" zeigt "Projektion Düsseldorf V 2012" Aufnahmen von Rockkonzerten. In den 70er-Jahren fotografiert sie Brian Ferry und Roxy Music sowie Lou Reed bei Konzerten. Aus der Sicht des Publikums aufgenommen, geben diese farbintensiven Aufnahmen die Stimmung auf der Bühne wieder.

Ein weiteres Novum sind vier für die Schau konzipierte Bildergruppen, in denen Höfer Farbaufnahmen aus den Siebzigern mit aktuellen Fotografien kombiniert. Bildergruppe "Düsseldorf I 2012" zeigt Innenraumbilder: einen Imbissladen, den Wartesaal im Hauptbahnhof, die Garderobe im Schauspielhaus, einen Raum im Kunstmuseum sowie einen Innenraum im Dreischeibenhaus. Mobiliar und Dekorationen stehen hier im Fokus und unterliegen strengen Ordnungsprinzipien. Von Bedeutung sind ebenfalls die Lichtverhältnisse, welche die Atmosphäre des Raumes einfangen und den Fotografien eine malerische Komponente verleihen. Andere von Menschen entleerte Bildergruppen zeigen Schaufenstermotive, Häuserfassaden, Kirmesbuden oder Rheinaufnahmen.

Speziell für diese Ausstellung entstanden rund 20 großformatige Fotografien von Innenräumen in Kirchen und Theatern, Bibliotheken und Museen oder anderen öffentlichen Gebäuden. Diese Arbeiten muten an wie ein Streifzug durch die Architekturgeschichte der Stadt Düsseldorf. Dazu gehören das Benrather Schloss mit seiner barocken Pracht von Marmor, vergoldetem Stuck und Kristalllüstern, das Goethe-Museum in Schloss Jägerhof mit Möbeln aus dem Rokoko. Der Kirchenraum von Sankt Maximilian oder Sankt Andreas mit den Säulen, Bögen, Stuckdekorationen, der Orgel, Kanzel und dem Hochaltar gibt Einblick in die Prachtentfaltung katholischer Gotteshäuser aus dem 18. Jahrhundert. Den plüschigen Charme der 50er-Jahre strahlt dagegen der Zuschauerraum der Deutschen Oper am Rhein mit der weinroten Bestuhlung, den geschwungenen Zuschauerrängen und den rot-weiß gestreiften Tapeten aus. Der Theaterraum des Schauspielhauses mit den rötlichen Stufen, blauen Sitzreihen und der Holzvertäfelung erweckt nostalgische Erinnerungen an das Mobiliar der Nachkriegszeit. Weniger opulent sind dagegen die Innenräume von Verwaltungsbauten der Siebziger inszeniert. Das Entrée des Dreischeibenhauses präsentiert ein nüchternes, funktionales, kalt-glänzendes Interieur. Die Fotoaufnahmen des Schmelahauses, ein postmodernes Galeriegebäude aus Bimsbetonstein, und der Julia Stoschek Collection in der denkmalgeschützten ehemaligen Rahmenfabrik Conzen verblüffen mit einer verschachtelten, puristischen Innenarchitektur.

Charakteristisch für Höfers menschenleere Bildkompositionen ist die perfekte Inszenierung des Raumes, die kühle Ästhetik, die Symmetrie von Architektur und Interieur sowie ihre Vorliebe für die Zentralperspektive.

Der Ausstellungsrundgang endet für den Besucher mit einer Überraschung. Zwei Innenraumansichten aus dem Jahr 2012 geben zunächst Rätsel auf. Des Rätsels Lösung: Ein spiralförmiger, in Auf- und Untersicht fotografierter Treppenaufgang ist isoliert und in extremer Nahsicht gestaltet. Die Identifikation des Gebäudes -Neuer Stahlhof- ist allein anhand des Bildtitels möglich. Bei "Neuer Stahlhof Düsseldorf 1", einer in Weißtönen gehaltenen Fotoarbeit, ist die Treppenform so stark abstrahiert, dass die Linienführung nur durch das dunkle Geländer strukturiert wird. "Neuer Stahlhof Düsseldorf II" erinnert dagegen mit den sich windenden, braunen Treppenstufen an die organische Form eines Schneckenhauses.
Höfers aktuelle Fotoausstellung überrascht mit der Rezeption unveröffentlichter Werkgruppen, die als Projektionen und Bildergruppen neu arrangiert sind. Hinzu kommen ihre perfekt inszenierten Architekturbilder aus den Jahren 2011 und 2012. Ihre innovative Hinwendung zur abstrakten Fotografie verblüfft und macht neugierig auf zukünftige Projekte.

Die sehenswerte Schau "Candida Höfer. Düsseldorf" ist bis zum 9. Februar 2014 im Museum Kunstpalast, Ehrenhof 4-5, 40479 Düsseldorf zu besichtigen.
Die Öffnungszeiten sind Dienstag bis Sonntag von 11-18 Uhr, Donnerstag bis 21 Uhr. Ein Katalog ist erschienen.
www.smkp.de


Bildnachweis: Alle Fotos: © Candida Höfer, Köln / VG Bild-Kunst Bonn 2013
Header: Museum Kunstpalast Düsseldorf I 2011, 180 x 234 cm, C-Print.
Galerie:
01. Ausstellungsplakat
02. Benrather Schloss Düsseldorf IV 2011, 180 x 246 cm, C-Print.
03. Kunstakademie Düsseldorf III 2011, 180 x 159 cm, C-Print.
04. Neuer Stahlhof Düsseldorf II 2012, 180 x 209 cm, C-Print.
05. Julia Stoschek Collection Düsseldorf IV 2008, 85 x 84,5 cm, Silbergelatine-Print.
06. Markt Düsseldorf 1978, 19 x 26,5 cm, Silbergelatine-Print.
07. Hauptbahnhof Düsseldorf 1975, 19 x 27,5 cm, Silbergelatine-Print.
08. Fenster Düsseldorf I 1974, 47 x 61,1 cm, C-Print.
09. Candida Höfer. Foto: Ralph Müller

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