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Fotografie

Yvonne von Schweinitz (1921-2015) ist mit einer Reihe von Schwarz-Weiß-Fotos aus der Serie „Gesichter Afghanistans“ vertreten. Auf einen extra in den Raum gebauten Kubus erzählen die Fotografien von einer Reise zum Hindukusch im Jahr 1953. Damals war das Land noch recht friedlich, der König regierte das Land und von Schweinitz und ihr Begleiter, Reisebuchautor und Schauspieler Hans von Maiss-Teuffen (1911-1984), hatten während ihres dreimonatigen Aufenthalts die Möglichkeit, in Ruhe unterschiedliche Regionen des Landes zu erkunden und Menschen zu treffen. Insbesondere die Portraitaufnahme stand für von Schweinitz im Mittelgrund ihrer Arbeit. So sind eine Reihe von Konterfeis in der Ausstellung zu sehen, von paschtunischen Händlern in Jalalabad über Atan-Kriegern, die sich am Nationalfeiertag im Stadion von Kabul in Trance tanzen bis zu Verkäufern im Bazar von Ghazni, die stolz ihre einzigartigen Karakulfelle in die Kamera halten. Die Fotos zeigen aber auch die Hauptstadt Kabul: die altehrwürdige Maiwand-Straße, die Große Moschee, den Pamir-Palst und eine Waschanlage für sogenannte „Gadis“ (Droschken) sowie einen Wasserverkäufer – in der Altstadt Kabuls brachten Fuhrwerke damals mit großen Metall- oder Holztanks das Trinkwasser.
Der historische Blick auf das Land tut der Ausstellung sehr gut, denn sie definieren auch die Zeit zwischen 1950 und heute.

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Der meist in Hamburg lebende Fotograf Jens Umbach (*1973) betitelt seine Serie „Afghanistan“ und steht ganz im Heute. Die Reihung präsentiert lebensgroße Portraits von deutschen Soldaten während ihrer Einsatzzeit im Norden des Landes. Ein Jahr später reiste Umbach erneut an den Hindukusch, um in vergleichbarer Weise Afghanen zu fotografieren.
„Ich möchte ein entschleunigtes und reflektiertes Betrachten ermöglichen, das sich durch die Porträts der Menschen annimmt und nicht des Krieges selbst“, sagt der Fotograf zu den Werken. Anstatt die Menschen in ihrer Umgebung abzulichten lud Umbach in ein vor Ort eingerichtetes Studio und „entortete“ die Protagonisten dadurch. Ein deutscher Soldat steht da in schwerer Montur, bewaffnet und mit Schutzweste ausgerüstet. Er wirkt wie ein amerikanischer Football-Spieler mit seinem muskulösen Nacken, dem kahl rasierten Kopf und dem martialischen Look. Und in der Tat konzentriert sich der Betrachter allein auf die Person, denn sie steht bis zu den Oberschenkeln sichtbar in einem weißen Raum. Nichts, aber auch gar nichts gibt Hinweise auf einen Ort, auf eine Situation, auf einen Zeitpunkt. Wie herausgehoben aus seiner (und unserer) Welt exponiert der Fotograf die Portraitierten.
Drei in der Burka verschleierte Frauen stehen uns als schwarzer monolithischer Block gegenüber. Wir können nicht einmal sicher sein, dass es sich um Frauen handelt, denn wir sehen einzig und allein Hülle. Das Einzelportrait einer ebenfalls verschleierten Frau, deren künstliches Bein neben ihr auf dem Boden liegt, verheißt nur indirekt und über Indizien auf ihr persönliches Schicksal, das sie getroffen hat. Das könnte auch dem Bomben- und Sprengfallenentschärfer blühen, der regelrecht ganzkörper-gepanzert posiert. Ob die textilen und metallenen Schutzmaßnahmen ihn wirklich wirkungsvoll vor dem Schicksal der Frau, die separat links neben ihm auf dem Einzelportrait zu sehen ist, behütet?

Dieter Huber ist mit seiner Serie „STRIKE“ der visuell am weitesten entfernte vom Thema Afghanistan. Seine Position in der Ausstellung ist jedoch eine extrem wichtige, weil sie dem Publikum zusätzliche Denkräume eröffnet. Auf unterschiedlich großen runden Untergründen präsentiert er vielfach vergrößerte Ein- und Durchschusslöcher auf Zielscheiben, Metallplatten, Kunststoffbehältnisse und eine alte Autotür. Letztgenanntes Motiv ist historisch relevant, zeigt es doch jene kleine hintere Beifahrertür, hinter der der österreichische Thronfolger Franz Ferdinand saß, der in Sarajevo am 28. Juni 1918 ermordet wurde. Etwas glänzendes Metall, schwarzer abgeplatzter Autolack, ein Krater und ein kreisrundes Loch in der Mitte davon – mehr ist nicht zu sehen. Eigentlich nichts bedeutsames, die Geschichte dahinter trägt die Brisanz. Und diese überträgt jeder Betrachter typologisch auf alle weiteren Bilder. Wer kam da ums Leben? Was ist jenseits dessen passiert, was uns Huber in seinen Fotos anbietet?
Die größtenteils sehr ästhetisierten Ein- und Durchschüsse haben zwar ihren ganz eigenen, unabhängigen und auch abstrakten Reiz, sie lassen jedoch immer und stets auch die Geschichte hinter dem Bild vermuten – und die führt selbstredend auch nach Afghanistan.
„Als Künstler habe ich auch den Auftrag sozial relevante Themen zu bearbeiten, einen Blick auf das scheinbar Unbedeutende, Randständige und Verdrängte zu werfen und in einer ästhetisch hochwertigen, zeitgenössischen und individuellen Interpretation in die Gesellschaft zurückzuspiegeln“, sagt der Künstler zu seiner Bildserie.

Die Ausstellung ist in den großzügigen Räumen inhaltlich wie formal sehr gut und beeindruckend kuratiert. Alle Werke kommunizieren auf unterschiedliche Weise miteinander. Ein lohnender Besuch in der Leica Galerie in Wetzlar.

Huber, Umbach, von Schweinitz
Die Ausstellung ist zu sehen bis zum 20. November 2017
In der Leica Galerie Wetzlar, Am Leitz-Park 5 in 35578 Wetzlar
Weitere Informationen


Abbildungsnachweis:
Header: Blick in die Ausstellung mit Bildtafeln von Jens Umbach. Foto: Claus Friede
Galerie:
01. Besucher vor den „Gesichter Afghanistans“, Yvonne von Schweinitz. Foto: Claus Friede
02. „Gesichter Afghanistans“, Yvonne von Schweinitz. Foto: Claus Friede
03. Blick in die Ausstellung mit Bildtafeln von Jens Umbach. © Leica Camera AG
04. Jens Umbach vor seinen Bildern. © Leica Camera AG
05. Blick in die Ausstellung mit Werken von Dieter Huber. © Leica Camera AG
06. Dieter Huber vor seinen Bildern. © Leica Camera AG
07. Ausstellungsankündigung am Counter der Leica Camera AG. Foto: Claus Friede

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