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Ihre Erzählung beginnt 1978, da ist sie acht. Vater Klaus Kuegler arbeitet als Linguist und möchte eine bis dahin unbekannte Sprache studieren: Es ist die des Stammes der Fayu, einer Gruppe von Menschen, die im Urwald von West-Papua lebt. Die Zivilisation ist weit, weit weg. Nah sind dafür der Fluss, die üppigen Bäume und das schier undurchdringbare Dickicht, das Fayu-Dorf und der tägliche Überlebenskampf der Menschen, die dort leben.
Eigentlich kein Ort für eine Familie, die aus Deutschland kommt und Kinder mitbringt, schon gar nicht auf Jahre hinweg. Kueglers überleben, manchmal gut, manchmal irgendwie und manchmal gerade eben. Das Umfeld ist archaisch, der Kulturschock immens und das gegenseitige anfängliche Misstrauen und Unbehagen ist groß. Man arrangiert sich und die Kinder merken schnell, dies ist kein Abenteuerspielplatz. Diese Welt dort im Dschungel ist zwar wild, aber doch auch längst berührt und sie berührt uns als Zuschauer, weil sie menschlich und unmenschlich zugleich ist. Verstörend darwinistisch und mit un(miss)verständlichen sozialen Kompetenzen. Der Tod spielt im Film seine eigene Rolle.

Dem gegenüber stehen die gigantisch schönen Landschaftsaufnahmen von Kameramann Holly Fink. Sie zeigen das geradezu unberührte Bild einer urwüchsig entfesselten Natur, oft aus der Vogelperspektive, aus einem Helikopter gefilmt. Jene Bilder werden die Eingeborenen niemals zu Gesicht bekommen, sie bleiben der Leinwand vorbehalten.

Roland Suso Richter („Mogadischu“, „Dresden“ und „Buby Scholz Story“) ist mit „Dschungelkind“ ein sehenswertes Kinowerk gelungen. Gedreht wurde der Film in Malaysia mit extra eingeflogenen eingeborenen Darstellern aus West-Papua und natürlich und gut agierenden Schauspielern aus Deutschland.
Dramatisch, spannungsreich, bildgewaltig und gleichzeitig feinfühlig schaffen es Bilder und Geschichte, Text und Darstellung den Besucher in jenen Bann zu ziehen, der ihn noch über das Kinoerlebnis hinaus festhält. Dabei – und dies ist ein nachvollziehbares Element – verändert sich die Erzählperspektive; mal definiert sie die kindliche, teils naive und romantische Sicht und mal wechselt sie zu der der Eltern. Die Perspektive ist aber stringent und eindeutig westlich und versucht erst gar nicht etwas zu wollen, das von einer derartigen Kinoproduktion nicht erzählt werden kann.

Schwappte bei Kueglers Buch teilweise zu Recht Kritik in die Feuilletons über die verharmlosende und verklärte Darstellung von Ureinwohnern, so hat Richter den Spagat besser gemeistert. Im Film wirkt kaum etwas unangenehm verklärt – stattdessen erklärt er, wo es notwendig ist – auch wenn nicht alles bildlich gezeigt wird. Die persönlich erzählte Geschichte nähert sich dem Dschungel und den Menschen dort an und entfernt sich auch wieder, um näher beim Publikum zu sein. Über die persönlichen Empfindungen der Filmprotagonisten und des Publikums ist nichts zu sagen, man muss sie erleben.
Der Film folgt einer literarischen Form oder besser gesagt der Struktur eines Buches in sofern, dass er Abschnitte und Kapitel aufweist. Diese textlichen Einblendungen wirken insbesondere für jene Kinogänger nicht künstlich, störend und unplatziert, die nicht an formalen Setzungen wie: „So darf man das aber nicht machen“, kleben, sondern vielmehr dies als sinnvollen Teil der dramaturgischen und erzählerischen Mittel deuten können.

Eine außerordentliche Geschichte, mit außerordentlichen Mitteln, in einer außerordentlichen Welt.

 (Trailer ca. 2.05 Min.) „Dschungelkind“, D 2010, 131 Min.

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