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Bildende Kunst

Die Retrospektive hat in vier großen Räumen vieles zusammengetragen, um einen überfälligen, adäquaten und respektvollen Umgang mit dem Werk zu ermöglichen – erstaunlich, dass Melbye, der eine ganze Weile in Altona und Hamburg (ab 1843) lebte, doch so vergessen werden konnte, war er doch zu Lebzeiten eine Berühmtheit. Die letzte nennenswerte Ausstellung fand im Jahr 1900 im Altonaer Museum statt. Aber solche Geschichten kennt man hierzulande auch von anderen Künstlern, die erst später mit dem Zusatzprädikat „wiederentdeckt“ gewürdigt wurden und werden.
Und dennoch sind eine Anzahl von Werken jenes Malers, der gerade einmal dreißig Jahre künstlerisch tätig sein konnte, gerade im norddeutschen Raum in Privatsammlungen zu finden und selbst der Großteil der Werke in öffentlichen Sammlungen stammen ursprünglich aus jenen privaten Aufträgen und Ankäufen.

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Melbye zeichnen eine ganze Reihe von Prädikaten aus, das lässt sich insbesondere in seinen Zeichnungen verdeutlichen: die Detailverliebtheit, seine Genauigkeit, seine Gabe zur Komposition und seine gewählten Blickwinkel, meist auf Augenhöhe des Betrachters. Selbst in seinen Skizzen, die einen leichten, fast flüchtigen Strich haben können ist das zu erkennen.

Er hatte beste Beziehungen zu Königshäusern, zur Marine Dänemarks und Frankreichs, zu Auftraggebern, Sammlern und zu Künstlern. Oft war er auf Schiffen unterwegs, nahm an Manövern oder kriegerischen Operationen teil, bereiste auf ihnen Meere und Ozeane und dokumentierte die Geschehnisse und Stimmungen. Die Naturgewalten, die auf See und in der Landschaft besonders wirken, ziehen sich thematisch durch sein gesamtes Werk: geheimnisvolle Nächte und Nebelbänke, stürmische, regelrecht lebensbedrohliche Momente auf See, ruhiges Arbeiten von Fischern in Küstennähe, die Lebendigkeit seiner Seestücke ist kaleidoskopisch.

Zwar arbeitet er sich zu Beginn noch an seinem Lehrer Christoffer Wilhelm Eckersberg (1783-1853) ab, einem dänischen Maler des Goldenen Zeitalters, dem er inhaltlich dessen Schiffsmotiven auf See folgt. Zudem auch zeitgemäß an romantischen Darstellungen des ihm wohl bekannten norwegischen Nationalromantikers Johann Christian Clausen Dahl (1788-1857), der damals in Dresden tätig war. Doch Melbye gehört schon jener Generation an, die die Anfänge der Industrialisierung sichtbar erlebt. Auch wenn Melbye stilistisch nicht mit dem Norweger Peder Balke (1804-1887) vergleichbar ist, so sind die beiden Zeitgenossen mit die ersten, die nicht mehr nur reine Segelschiffe malen, sondern Dampfer – im wahrsten Sinne des Wortes – die den Horizont und das Wolkenbild verrußen. Der romantische Anspruch der Mensch sei Mittler zwischen Gott und Natur, weicht dem Fortschrittsglauben, bis hin, man könne die Natur bändigen oder zumindest ein Stück weit kontrollieren. Das zeigt sich bei Melbye auch in der Abbildung von Industrialisierung der Kriegsführung. Er ist aber weder Romantiker noch großer künstlerischer Visionär wie Balke, er ist vielmehr jemand, der mit beiden Beinen auf dem Boden steht, er ist konservativer, sucht scheinbar selten dezidiert, findet aber umso beiläufiger in seiner Genauigkeit seine Themen. Seine malerische Präzision lässt nicht so wahnsinnig viele Spielräume zu, um große künstlerische Würfe zu entwickeln. Es gibt sogar eine Reihe von Bildern in der Ausstellung, die Stellen aufweisen, die fast malerisch unbeholfen wirken wie bei der frühen Version „Leuchtturm von Eddystone“ (1844). Der Turm steht geradezu herausgelöst aus seine Umgebung; der Duktus ist um das Leuchtfeuergebäude herum anders – richtungsverschoben – als dort wo die raue, aufgewühlte See und Gischt miteinander spielen. Fast unfertig wirkt das Gemälde an den Stellen.

Großartig ist der Däne, wenn er Lichtsituationen einfängt, egal zu welcher Jahres- oder Tageszeit, ob es stürmt, schneit oder der Morgen das ruhige, glatte Meer leuchten lässt. Gerade in den vollkommen anderen Lichtstimmungen am Bosporus (ab 1853), als er die französische Flotte über sieben Monate begleitet und in der Nähe von Konstantinopel beim französischen Botschafter logieren darf, findet er seine visuelle Umsetzung und Freude – scheint zu jedweder Tages- und Nachtzeit unterwegs zu sein. Der Rausch, der ihn so vollkommen andere Farbigkeit entdecken lässt und ein Echo auf seiner Leinwand findet. Er wagt sich in das problematische Feld einen wunderschönen Sonnenuntergang zu malen, ohne kitschig oder unglaubwürdig zu werden, er mischt ein fahl-leuchtendes Gelb an und trägt es mit einem tiefen Violett in einen bewölkten Himmel (Am Bosporus, 1864) oder lässt den Himmel komplett dunkel grün-türkis werden (Orientalischer Hafen, undatiert). In der Zeit durchaus mutig.

In Frankreich findet Melbye schließlich für sich größere künstlerische Freiheiten, er experimentiert mit Fotografie, wagt gröbere Striche, nähert sich den Impressionisten und besonders Camille Corot (1796-1875) ein kleines Stück an. Sein Leben wird ruhiger, die Szenerien beschaulicher, er verlässt immer häufiger die See und geht in die Landschaft.
1873 erkrankt er so schwer, dass er seine Arbeit nicht fortsetzen kann.

Die chronologisch und an Orten orientierte Choreographie der Ausstellung führt die gesamte Bandbreite des Malers auf, es ist eine höchst künstlerische dänische Epoche im Altonaer Museum, die sehr besuchenswert ist.

Anton Melbye – Maler des Meeres
Zu sehen bis 4. Februar 2018 im Altonaer Museum, Museumstraße 23 in
22765 Hamburg
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 10-17 Uhr (Heiligabend, Silvester und Neujahr geschlossen. An allen weiteren Feiertagen ist das Museum von 10 bis 17 Uhr geöffnet.)
Dossier zur Vorbereitung auf den Ausstellungsbesuch, als Nachschlagewerk oder als Lektüre.
Weitere Informationen


Abbildungsnachweis:
Header: Anton Melbye; Auf der Elbe im Abendlicht, Öl auf Leinwand, 1863. Privatbesitz
Galerie:
01. Blick in die Ausstellung. Foto: Claus Friede
02. Anton Melbye: Küstensegler auf glatter See, 1840, Feder und Tuschezeichnung. Privatsammlung, Hamburg
03. Anton Melbye: In der Straße von Gibraltar, 1845, Öl auf Leinwand-Sammlung Reederei Bernhard Schulte. Foto: Helge Mundt
04. Anton Melbye: Der Leuchtturm von- Eddystone, 1844 Öl auf Leinwand. Privatsammlung Hamburg
05. Blick in die Ausstellung. Foto: Claus Friede
06. Anton Melbye: Das Haus am Fluss, Öl auf Leinwand, 1850. Privatbesitz Hamburg
07. Anton Melbye: Segler im Sonnenschein, 1855, Öl auf Leinwand. Sammlung ES Hamburg. Foto SHMH, Elke Schneider
08. Anton Melbye: Die Reede von Kopenhagen, 1859-60, Öl auf Leinwand. Hamburger Kunsthalle, bpk. Foto: Elke Walford
09. Anton Melbye: Flusslandschaft im Burgund im Abendlicht, 1865. Sammlung Pius Warburg. Foto: SHMH, Michaela Hegenbarth
10. Informationstext Bosporus. Foto: Claus Friede
11. Anton Melbye vor dem Gemälde „Der Orkan“. Fotografie. Privatsammlung Hamburg.

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