Meinung
Florian Henckel von Donnersmarck und Sebastian Koch stellen den Film Werk ohne Autor in Lüneburg vor

Vorstellung des neuen Films „Werk ohne Autor im ‚Filmpalast‘ in Lüneburg – nach den drei überaus eindrucksvollen Stunden kann das Publikum den Regisseur und einen seiner Hauptdarsteller befragen.
Florian Henckel von Donnersmarck ist riesig, zwei Meter fünf oder so. Das bewirkt, dass er alle zu Zwergen macht, die um ihn herumstehen. Dazu wallt ihm ein üppiger Heiligenschein von Haaren rund um den Kopf, der mindestens sieben Zentimeter nach oben hinzufügt. Seine Stirn macht fast die Hälfte des Gesichts aus (wie bei Goethe), das Kinn ist ausgeprägt und in beiden Wangen bilden sich beim Sprechen Grübchen. Ein sanfter Riese? Aber die Augen blicken hell und scharf, gebieterisch.

Warum, wird er gefragt, macht er dies hier, heute Abend? Weshalb kommentiert er, als Autor, seinen Film? Wenn es sich tatsächlich um ein ‚Werk ohne Autor‘ handle, dann sollte doch der Film für sich selbst sprechen und er könne es den Pressevertretern überlassen, darüber zu berichten und ihre eigene Meinung wiederzugeben?

altFlorian Henckel von Donnersmarck: „Das habe ich eine Weile selber gedacht. Hab gemeint, der Film sagt doch alles, was ich habe ausdrücken wollen, was muss ich da noch reden? Doch dann ist mir klargeworden, dass ich eben doch der beste und geeignetste Botschafter für mein Werk bin. Besser jedenfalls als jeder Journalist, der vielleicht seine ganz eigenen Ansichten da hineinpackt und dadurch alles verfälscht. Der, sicher unwillkürlich, eigene kreative Ideen einbringt oder sogar Missverständnisse. Darüber hinaus habe ich es damals, bei ‚Das Leben der Anderen‘ genauso gemacht und bin sehr gut damit gefahren.“

Inzwischen ist auch Sebastian Koch vor die Bühne an einen der schwarzumhüllten runden Tische gekommen, um sich den Fragen zu stellen. Er äußert sich gleich noch zum eben angesprochenen Thema:

Sebastian Koch: „Theaterschauspieler haben ja die Möglichkeit, die Reaktionen des Publikums zu erfahren und daraus zu lernen. Wir beim Film erleben dieses direkte Feedback sonst nicht. Deshalb ist es für mich so wichtig und wertvoll, die Gedanken und Emotionen zu erleben, die ich auslöse. Die Energie der Emotionen, die da von den Zuschauern rüberkommen – das ist es! Übrigens reagieren gerade junge Menschen ganz stark auf diesen Film, ist mir aufgefallen. Vielleicht, weil ganz häufig immer noch junge Leute von uns Älteren kritisiert und angefeindet werden. Die finden sich in dieser Geschichte wieder.“

Eine Frau neben mir bemerkt leise: „DEN hätte ich jetzt nicht erkannt!“ – und tatsächlich wirkt es so, als wollte Koch durch seine Präsenz verdeutlichen, wie weit er von seiner Rolle (Professor Carl Seeband) im wirklichen Leben entfernt ist.
Professor Seeband stellt im Film den dämonischen Charakter dar, elegant, kerzengerade, fast geschniegelt, ob im Anzug oder in Uniform, glattgekämmt, mit beherrschtem, kühlen Gesicht. Was er denkt, was er weiß, was er fühlt, steht fest – er selber wirkt statisch.
Ganz im Gegensatz dazu tänzelt Sebastian Koch geschmeidig umher, mit kürzerem Haar und Dreitagebart, in Jeans und Pullover. Er hat weder auf den ersten noch auf den zweiten Blick was mit dem hochmütigen Professor gemeinsam. Wie konnte er sich nur in diese Rolle einfühlen?

Florian Henckel von Donnersmarck: „Für mich kam eigentlich kein anderer Darsteller dafür in Frage. Wir hatten ja bereits so großartig für ‚Das Leben der Anderen‘ zusammengearbeitet. Ich fragte Sebastian, ob er sich vorstellen könnte, Seeband darzustellen, und gab ihm mein Drehbuch. Es war dann seine Aufgabe, in sich selber etwas aufzuspüren, wenn auch nur ein klein wenig von dem, was diesen Typ Mensch ausmacht.“

Werk ohne Autor Buena Vista Intl-Nadja KlierSebastian Koch: „Ich habe mich ein Jahr lang darauf vorbereitet. Die Person war mir fremd. Der Mann denkt wie mit dem Skalpell. Er hat alles unter Kontrolle und er glaubt zu wissen, was gut ist für jeden. Das war der Ansatz für mich. Er meint es ja tatsächlich gut! Er ist durchdrungen davon, dass er nur das Gute will für seine Tochter, für seinen Schwiegersohn, für seine Patienten, für sein Vaterland. Auf dieser Basis kann er mit gutem Gewissen töten oder sterilisieren lassen.“

Aus dem Publikum wird gefragt, wie es denn überhaupt mit den Zeiten aussieht. Sebastian Koch hat sich also ein Jahr lang auf die Rolle vorbereitet? Wieviel Zeit wurde für den Film an sich veranschlagt?

Florian Henckel von Donnersmarck: „Alles in allem habe ich mich praktisch zehn Jahre lang damit beschäftigt. Die Idee war schon lange da, zumindest im Ansatz. Dann habe ich eine ganze Weile am Drehbuch geschrieben. Es ist ja auch so: Ich suche mir nicht ein Thema aus. Das Thema sucht mich aus. Dann haben wir an vielen verschiedenen Orten gedreht. In Berlin, in Nordrhein-Westfalen, in Sachsen. Das war ja fast schon eine Reiseproduktion. Und dann haben wir uns auch beim Schnitt bewusst Zeit gelassen.“

Er hat erst drei Spielfilme gemacht im Lauf seiner Karriere?

Florian Henckel von Donnersmarck: „Ich habe gut zehn Jahre mit dem Herstellen von Kurzfilmen verbracht. Dabei sind Kurzfilme so was Spezielles – wie Lyrik in der Literatur. Und sie interessieren auch nur ganz wenige. Die einzigen Leute, die sich Kurzfilme anschauen, sind die Macher von anderen Kurzfilmen. Deshalb habe ich dann irgendwann damit aufgehört.“

Warum, wenn er denn in diesem Film die Lebensgeschichte des Malers Gerhard Richter erzählt, warum hat er den dann nicht beim Namen genannt? Wieso heißt der junge Maler stattdessen Kurt Barnert?

Florian Henckel von Donnersmarck: „Der Film erzählt durchaus nicht die Lebensgeschichte von Gerhard Richter. Es sind von dort nur Aspekte entnommen. Von ihm und von vielen anderen Menschen. Ich habe unendlich viele Gespräche geführt und mir Lebensgeschichten erzählen lassen. Viele Fakten, die ich da gehört hab, habe ich auch nicht verwendet. Ich habe daraus eine Geschichte geformt, die sich an der Wirklichkeit bedient hat, aber keine Wirklichkeit abbildet. Ich wollte bebildern, dass hier einer aus einer Verletzung etwas Großes gemacht hat, das ist die Geschichte.
Das richtige Leben ist selten durchgehend so spannend wie Fiktion. Deshalb muss es erlaubt sein, verschiedene Erlebnisse und biografische Teile zusammenzufügen Alle Elemente mit starker Hand zu verdichten, das ist Dichtung.“


Wird er bei solchen Themen bleiben: Deutschland und deutsche Geschichte in verschiedenen Schattierungen? Die Nazi-Zeit, die DDR – das sind ja wohl seine Themen?

Florian Henckel von Donnersmarck: „Es war eigentlich nicht mein Vorsatz, in erster Linie etwas über deutsche Geschichte zu schreiben. Im Vordergrund stand vielmehr eine künstlerische Selbstfindung unter sehr schweren Umständen. Parallel findet eine Selbstfindung unseres Landes statt. Da spiegelt eins das andere…“

Und dann müssen sie weiter, der Regisseur und der Schauspieler. In Lüneburg wird der Film an diesem Abend, etwas zeitversetzt, noch in einem anderen Kino gespielt.
Hinterher werden sie wieder zur Verfügung stehen für Fragen zu „Werk ohne Autor“…

Originaltitel: Werk ohne Autor

Drehbuch & Regie: Florian Henckel von Donnersmarck
Darsteller: Tom Schilling, Sebastian Koch, Paula Beer, Saskia Rosendahl, Oliver Masucci, Ben Becker, Lars Eidinger.
Produktionsland: Deutschland, Italien 2018
Länge: 188 Min.


Abbildungsnachweis:
Header: Starpix/Alexander Tuma
Filmposter
Filmset © Buena Vista International / Nadja Klier