Meinung
Warum das Kunsthandwerk wieder an Bedeutung gewinnt  60 Jahre AdK Hamburg

Als Cornelia Woitun, die langjährige Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft des Kunsthandwerks Hamburg e.V. kurz AdK genannt vor mittlerweile fast eineinhalb Jahren anrief und fragte, ob ich den Vorsitz übernehmen wollte, habe ich ziemlich spontan „ja“ gesagt. Wenn ich gewusst hätte, wie viel Arbeit auf mich durch das 60. Jubiläumjahr zukommt, hätte ich es mir vielleicht etwas genauer überlegt.

Aber dieses „Ja“ kam aus dem Gefühl heraus, irgendwie nach Hause zu kommen. 1975, als Ula Dahm, meine heutige Stellvertreterin, und ich an der Hochschule für Bildende Künstle in Hamburg anfingen zu studieren, war die Schule in einem radikalen Umbruch. Die Klassen waren aufgelöst, alles war hochpolitisch und Kunst hatte nur noch als Konzept Bestand. Doch mit den Konzepten war das so eine Sache, man schwebte als junge Studentin etwas im luftleeren Raum und vor allem schien alles recht willkürlich zu sein. Allgemein gültige Kriterien, ob etwas gut oder schlecht war, gab es nicht mehr ohne Hinterfragen – nur bestimmte Professoren mit bestimmten Meinungen wurden klar in gut und schlecht eingeteilt.

Im Angewandten Bereich war das anders. Den Werkstätten standen Meister vor, die damals noch echte Autoritäten waren und einem jeden Fehler um die Ohren hauten – und ob etwas gut oder schlecht war, ließ sich schnell feststellen: Wenn ich meine Gefäße schlampig aufgebaut hatte, dann rissen sie im Brand – das konnte auch die tollste Idee, das durchdachteste Konzept und die ausgefallenste Form nicht verhindern.

Das Kunsthandwerk setzt Maßstäbe an Qualität. Das hat es schon immer getan.
Man kann sich da nicht rausreden von wegen, das soll so sein. Wenn ein Stein nicht gut gefasst ist, sieht man das genauso, wie die Webfehler in einem Textil. Und die AdK Hamburg war für mich schon während des Studiums so etwas wie der Olymp der schönen angewandten Künste. Die Vereinigung versammelt bis heute die Meister ihres Faches. Kunsthandwerker, die ihr ganzes Streben darin setzen, etwas wirklich Gutes zu machen. Das Bestmögliche! Streben nach Perfektion.

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Lange herrschte der Irrglaube, dass Handwerk keine geistige Tätigkeit sei. Eigentlich, seit Aristoteles in seiner „Metaphysik“, die Handwerker von den Künstlern unterschied und zu Handarbeitern ‚deklassierte’. Heute weiß man, dass das Unsinn ist. Kleist hat mal einen wunderbaren Aufsatz über die „Allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden“ geschrieben. Adäquat dazu gibt es auch eine „Allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Machen“. Dank der Hirnforschung wissen wir mittlerweile, dass Kopf und Hand untrennbar miteinander verbunden sind und dass unsere kognitiven Fähigkeiten durch ständiges Wiederholen wachsen.

Bleibt auf Dauer das Üben von Handarbeit aus, hat das auch auf unser Gehirn massiv-negative Folgen. Und das ist im digitalen Zeitalter ein Problem, das immer mehr Wissenschaftler beschäftigt.
Die Arbeit am Bildschirm, die Konstruktion von Dingen am Computer führt dazu, dass wir sie nicht mehr begreifen, dass eine Sinnlichkeit mit der Zeit verloren geht, die wahrscheinlich stärkere Auswirkungen auf unsere Kultur haben, als wir uns im Moment vorstellen können.

Menschen werden mitunter taub, blind, stumm oder geruchslos geboren, es gibt aber kein Lebewesen, das ohne Tastsinn geboren wird. Immer mehr Anthropologen und Soziologen untersuchen, wie Wissen erlernt wird, wie Fähigkeiten vermittelt werden und wie sich der Blick auf Dinge verändert, wenn man weiß, wie diese Dinge hergestellt wurden.
Inzwischen gibt es eine internationale ‚Maker’-Bewegung, die die Produktion in die Hände der Menschen zurückgeben will. Diese Bewegung wird von einigen Experten schon als „vierte industrielle Revolution“ eingeschätzt, die unsere Gesellschaft fundamental verändern wird.

Die ‚Maker’ sind Bastler, Programmierer, Künstler und Handwerker. Junge Menschen der Internet-Generation, die nicht nur virtuelle Welten erschaffen wollen, sondern reale Dinge. Dabei geht es nicht um Profit, sondern darum die Welt zum Wohle aller zu verändern. Sie wollen die Produktionsmittel demokratisieren und erreichen, dass jeder die Dinge, die er haben will, selbst herstellen kann. Und zwar mit Hilfe digitaler Werkzeuge, wie 3D-Druckern und Scannern, Laser-Cuttern und CAD-Sofware, Hochmoderner Technologie, die auch für Privatpersonen immer erschwinglicher werden.
Das Kunsthandwerk ist plötzlich mitten drin in einem aktuellen Diskurs, in dem es um die humanistische Wertschätzung von ganzheitlichem Arbeiten, Denken und Produzieren geht.

Ihre Isabelle Hofmann

Die Ausstellung 60 Jahre AdK Hamburg "Wasserfest" sowie ein Sonderteil mit Kunsthandwerkern aus Schanghai ist noch bis zum 15. Oktober zu sehen in der Handwerkskammer Hamburg, Holstenwall 12, 20355 Hamburg.
Geöffnet: Mo, Di, Do 8-16:30h, Mi 8-12h, Fr 8-16 h, Sa 10-18h, So 12-18h
Symposium "Kunsthandwerk im Digitalen Zeitalter": 14.10. von 10-18h, Eintritt frei

Das Buch zum Jubiläum "Kunsthandwerk 4.0" ist im Dölling und Galtz-Verlag, hamburg erschienen
Weitere Informationen zur AdK
YouTube-Trailer:
WasserFest – Ausstellung der AdK Hamburg, 5.-15. Oktober


Abbildungsnachweis: Alle Fotos: Claus Friede
Jubiläumssignet und Blicke in die Ausstellung "Erde, Wasser, Feuer, Luft" in der Galerie Hilde Leiss