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Berlin Comedian Harmonists

Es gibt Dinge, an die soll man nicht rühren. Den vertrauten Wortlaut von Grimms Märchen, Luthers Bibelübersetzung, die alten Stones-Platten, das Rezept für die Weihnachtsgans. Das muss so sein wie früher. Man malt der Mona Lisa ja auch nicht ohne Not einen Schnurrbart. Und es ist kaum zu hoch gegriffen, die Original-Aufnahmen der Comedian Harmonists aus den 1920er- und 30er-Jahren in diese Ränge einzusortieren. Sie zählen längst zum schützenswerten Kulturgut, von den kleinsten und gemeinsten Albernheiten bis zu den ganz großen Gefühlen.


Das macht Versuche, sie neu aufzuführen und aufzunehmen, immer schwierig und zum Wagnis. Die Berlin Comedian Harmonists, die jetzt mit „Die Liebe kommt, die Liebe geht“ ihre neue CD vorlegen, haben sich seit 1997 einen Namen gemacht als großartiges und glaubwürdiges Cover-Ensemble. Hervorgegangen sind sie aus dem Theaterstück „Veronika, der Lenz ist da“ von Franz Wittenbrink und Gottfried Greiffenhagen, das sie auf Tourneen mehr als 600 Mal gespielt haben.

1997, das war auch das Jahr, in dem der Film von Joseph Vilsmaier das Schicksal der originalen „Comedian Harmonists“ zum Thema machte: die Anfänge nach einer Zeitungsanzeige im Dezember 1927 von Hans Frommermann: „Achtung. Selten. Tenor, Bass (Berufssänger, nicht über 25), sehr musikalisch, schönklingende Stimmen, für einzig dastehendes Ensemble unter Angabe der täglich verfügbaren Zeit gesucht“ – er wollte eine deutsche Kopie des amerikanischen Vokal-Quartetts „The Revelers“ gründen. Das Ausprobieren und Zurechtruckeln von Repertoire und Format. Der sensationelle Erfolg als bekannteste deutsche Boygroup. Die Anfeindungen durch die Nazis, die drei der Mitglieder als „jüdisch“ diffamierten und 1935 mit Auftrittsverbot belegten. Die Spaltung in eine „arische“ und eine „nichtarische“ Gruppe. Die letzten Erfolge, der künstlerische Niedergang und Zerfall.

Acht Jahre haben den „Comedian harmonists“ gereicht, um sich mit mehr als 100 Titeln ins kulturelle Gedächtnis Deutschlands, Europas und Nordamerikas einzubrennen. Keine Frage: Das Format – fünf Sänger, ein Pianist – und das Repertoire, das von höherem Blödsinn wie „Meine kleiner grüner Kaktus“ oder „In der Bar zum Krokodil“ über Cover-Versionen englischer Titel wie „Wochenend und Sonnenschein“ oder „Was machst du heut, Daisy?“ bis zum Volksliedern („In einem kühlen Grunde“, „Am Brunnen vor dem Tore“), Tonfilm-Hits („Liebling, mein Herz lässt dich grüßen“ reizen zur Wiederaufnahmen.

alt13 Titel der CD der Berlin Comedian Harmonists stammen aus dem bekannten Repertoire des Originals. Der „Kaktus“ ist dabei, „Veronika“, der letzte „Abschiedskuss“, der „Blumentopf“, „In einem kühlen Grunde“ – alles keine Überraschungen. Anders ist, dass etliche Songs tiefer intoniert werden, was es den hohen Stimmen einerseits leichter macht. Andererseits fehlt ohnehin ein silbrig klares, sehr präsentes Timbre wie das von Ari Leschnikoff – so wirkt der Klang der Cover-Group aus Berlin manchmal doch etwas dunkler, weniger zupackend.
Auf der Theaterbühne kann neben dem Gesang noch die physische Präsenz punkten, da mag das Konzept schon aufgehen. Ist man auf die Musik beschränkt, wirkt das Original allerdings deutlich frischer. Einige Songs werden zudem in süßliche Streicherwatte verpackt, was das Kesse des Originals noch weiter zurückfährt.

Sieben Songs könnten eine Antwort sein auf die Frage, was die Comedian Harmonists heutzutage vielleicht singen würden. Da trifft Franz Wittenbrink mit „Zugspitze“ und „Dein neuer Stern“ sehr präzise die Original-Tonlage, auch Theo Mackebens „Bei dir war es immer so schön“ – hier passt der Streicher-Zucker ausnahmsweise. Nette Versuche sind die zwei Ausflüge ins südamerikanische und italienische Fach – eine feine Kuriosität Bob Dylans „Make you feel my love“. Das schert schon weit aus dem Format „Comedian Harmonists“ aus. Kann man machen, es müsste aber nicht auf dieser CD sein.


Berlin Comedian Harmonists: Die Liebe kommt, die Liebe geht.
Deutsche Grammophon, 479 10170

Die Liebe kommt, die Liebe geht, Medley


Abbildungsnachweis:

Berlin Comedian Harmonists. Foto: Deutsche Grammophon
CD-Cover