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Klartext: Herby Neubacher

Das Dauergespenst von Bayreuth: Rune gefunden! Onkel Adolf lässt grüßen.

"Wegen Tätowierungen mit nationalsozialistischen Symbolen hat der „Holländer”-Sänger Evgeny Nikitin seinen Auftritt bei den Bayreuther Festspielen abgesagt – nur wenige Tage vor der Eröffnungspremiere.
„Mir war die Tragweite der Irritationen und Verletzungen nicht bewusst, die diese Zeichen und Symbole besonders in Bayreuth und im Kontext der Festspielgeschichte auslösen”, teilte der Russe am Samstag mit.

Die Festspiele müssen sich nun binnen weniger Tage einen anderen Sänger für die Neuinszenierung suchen.
Die Festspielleitung und der Regisseur seien durch Filmaufnahmen der ZDF-Kultursendung „Aspekte” am Freitagabend auf eine Tätowierung am Oberkörper aufmerksam geworden, sagte Festspielsprecher Peter Emmerich der Nachrichtenagentur dpa. Oberhalb der Brust habe man ein Hakenkreuz erkennen können. Darüber sei zwar ein anderes Motiv gestochen worden. Dennoch betonte Emmerich: „Dazu muss man Haltung beziehen. Da kann man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.” So stand es bei Bild-Online am 22.7.2012.

Alberner geht es nicht mehr. Da wird ein Sänger wegen seiner Brusttätowierung (Bitte: nicht Nazi-Symbol, sondern Germanisch!), die er sich als Heavy-Metal-Rocker in seiner Jugend hat stechen lassen abgesetzt. Setzt sich sogar selber ab. Hoffentlich weigert er sich in Zukunft in Bayreuth generell zu singen und lässt seine Stimme besser in toleranteren Opernhäusern erklingen.

Nicht nur, dass Bayreuth unter der neuen Leitung der Wagner-Urenkelinnen künstlerisch völlig versagt, nun holen sie auch noch das Dauergespenst aus der Kiste „Onkel Adolf – war ja ein Wagner-Fan.
Ob er deshalb mehr Horror angerichtet hat weiß keiner. Hat eigentlich mal jemand darüber nachgedacht, ob Stalin vielleicht Tschaikowsky gut fand und zuhause auf seiner Datscha gehört hat? Oder ob der Rote Zar öfter mal das Bolschoi-Ballett besuchte, das seither mit der schweren Bürde herumtanzt, das „Väterchen“ Stalin dort regelmäßig in der Fürstenloge gesessen hat?

Sind wir Deutschen eigentlich kulturell immer noch so suizidbereit und diskussionsunterbelichtet, wenn es um unsere Vergangenheit geht, dass wir einen russischen Bassisten wegen einer dämlichen Runen-Tätowierung auf seiner linken Brust nicht erlauben den Holländer zu geben?

Der Holländer ist auch ein Gespenst, der über die Meere geschickt wird, weil er seine Vergangenheit nicht loswerden kann. Das hätte doch wundervoll gepasst. Aber so weit denkt Bayreuth nicht. Da fehlt es „im Gopp“, wie der Sachse sagt.
Es siegt irgendeine idiotische „Political Correctness“ – wessen Correctness ist das eigentlich?

Wagner ist ein Kind des 19. Jahrhunderts. Herr Hitler hat sein Unwesen von 1933 bis 1945 getrieben und hat Wagner geliebt. Mao hat vielleicht auch irgendeinen westlichen Musiker gehört – vielleicht sogar Mozart – und hat ohne mit der Wimper zu zucken für 36 Millionen verhungerte Chinesen gesorgt. Musik macht keine Massenmörder – Massenmörder machen sich selbst. Mit oder ohne Wagner. Und sagenhafte 67 Jahre nach Ende des Nazi-Reiches sich noch einen Kopf über einen Sänger mit germanischer Runen-Tätowierung zu machen ist einfach dämlich und peinlich zugleich. Und – leider typisch deutsch und typisch Bayreuth 2012. Wir wollen korrekte Gut-Menschen sein!

„The Past is in the Past“ sagen die Buddhisten – die haben auch ein Hakenkreuz das die Sonne symbolisiert! Wir lernen daraus und gehen weiter. Ins Licht. Und sollten keine rückwärtigen Bodychecks an Opernsänger verteilen.

Ihr Herby Neubacher


Herby Neubacher stammt aus Wuppertal und wurde in Salzburg zum Musikliebhaber: Mit sieben Jahren hat er als Sopranist im Salzburger Dom Bach-Kantaten aufgeführt. Nach einem Kunststudium arbeitere er 20 Jahre in der Musikindustrie. Heute ist er als Journalist und PR-Experte tätig. Seit 2012 schreibt er regelmäßig für Kultur-Port.De über Alte Musik, Barock bis zur Romantik. Er lebt und arbeitet in Vietnam.


Hinweis: Die Inhalte von "Klartext" geben die Meinung der jeweiligen Autoren wieder. Diese muss nicht im Einklang mit der Meinung der Redaktion stehen.

Abb.: Claus Friede

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