Theater - Tanz
Das ist Hamburg 10. Spielzeit im Hansa-Theater Magie, Charme, Eleganz

Man musste wirklich zwei Mal hinsehen, um sie zu erkennen: Als Bob-Marley-Verschnitte, mit langen, schwarzen Dreadlocks, grün-gelb-rot gestreiften Mützen und riesigen Gras-Tüten, begrüßten Thomas Collien und Ulrich Waller das Publikum zur 10. Spielzeit im Hansa-Theater in Hamburg St. Georg. Ihre Botschaft machten sie unverhohlen und in bester Kabarett-Manier klar: Die Jamaika-Koalition kann man nur bekifft ertragen. An diesem Abend brauchte jedoch niemand einen Joint, um high zu sein: Das Programm war wieder einmal berauschend.

Dieses kleine Varieté-Theater am Steindamm schafft tatsächlich etwas, was den großen Häusern längst verlorengegangen ist: Eine Magie, die zu den Wurzeln des Theaters führt. Nirgendwo sonst hört man vor der Premiere ein so beschwingtes Plappern und Schnattern. Eine Vorfreude wie früher an Heilig Abend, bevor sich die Tür zum festlich geschmückten Wohnzimmer öffnet. Und diese Erwartungen werden nicht enttäuscht, das ist klar. Wer es nicht glaubt, muss nur mal in die leuchtenden Augen und strahlenden Gesichter schauen, mit denen die Besucher das Theater wieder verlassen. Sie wirken beglückt, wie nach einer Reise zu den schönsten Erinnerungen ihrer Kindheit. Und genau das ist es auch: Das Hansa-Theater ist der erklärte Gegenentwurf zu künstlicher Intelligenz und Informationstechnik. Alles, was hier geboten wird, ist „echt“ und analog: Die Eleganz, die Virtuosität, die Körperbeherrschung, die Konzentration, der Charme. Das gilt nicht nur für die Artisten, das gilt auch für die Musik der Hansa Boys, den nostalgischen Plüsch und Pomp des Saales, der seit 1953 unverändert geblieben ist. Das gilt für die Hingabe und Liebe der beiden St. Pauli-Chefs Collien und Waller, die dieses einzigartige Stück Hamburg seit 2009 Jahr für Jahr am Leben halten. Und das gilt nicht zuletzt für die hervorragende Küche des Fischereihafen Restaurants.

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Auch in dieser Saison besticht das Programm durch Weltklasse-Akrobatik, -Jonglage, -Zauberei und -Komik. Wobei die Komik eindeutig dominiert. Das beginnt schon mit Piet Klocke, diesem köstlichen Meister des ‚Anakoluth’, zu Deutsch des Satzbruchs, der den Premieren-Abend moderierte. Er ist einer von 14 Conférencies, die bis zum 25. Februar 2018 täglich (außer Montag) durch den Abend führen. Kabarettisten, Musiker und Schauspieler wie Arnulf Rating und Horst Schroth, Herr Holm, Alfons und Peter Jordan sind dabei und überbrücken die Umbaupausen mit Witz, Scharfsinn und Boshaftigkeiten.

Wortakrobat Klocke gehört in dieser Spielzeit das erste Mal zur Riege der Hansa-Conférenciers und ist ein Chaot von Gottes Gnaden. Dieser Schussel von einem Mann kann keinen Gedanken zusammenhalten und keinen Satz zu Ende sprechen. Dafür springt er von Thema zu Thema, verknotet Gedanken und Wortfetzen, dass einem die Tränen vor Lachen herunterlaufen. Vollends Verwirrung schaffte er am Premierenabend, indem er Stargast Wencke Myhre mit Gittes Hit „Ich will’nen Cowboy als Mann“ ankündigte. (Sie revanchierte sich dafür mit einem leider viel zu lauten Medley ihrer bekanntesten Songs).

Hinreißende Komik boten auch Bauchredner Frank Rossi und der Jongleur David Burlet. Während der erste eine weiße Serviette in ein vorwitziges Kaninchen verwandelt und zwei Socken ist einen supercoolen Vogel, lässt der zweite erstmal alles fallen, was er anfasst. Aber natürlich schafft es Burlet am Schluss mit Bravour alle Teller an den Stangen kreiseln zu lassen. Die schönste clowneske Nummer dieser Saison bietet Konstantin Mouraviev, ein kleiner Dicker, dem man kaum zutraut über ein Seil zu springen. Was er dann am Rhönrad draufhat, ist atemberaubend. Das gleiche gilt für den eleganten Jongleur Simeon Krachinov, der bis zu sieben Keulen in aberwitzigem Tempo durch die Luft wirbelt. Und für Helena Lehmann, die den Pole Dance in ganz neue Dimensionen geführt hat. Die Ukrainerin scheint an der Stange das Schwergewicht völlig außer Kraft zu setzen und zeigt ebenso stupende Akrobatik, wie die vierköpfigen Pelligrini Brothers, die einander sprichwörtlich auf Händen tragen. Für zauberhafte Momente sorgt nun schon zum dritten Mal der Finne Marko Karvo, der Tauben und Papageien aus dem Nichts erscheinen und über die Köpfe des faszinierten Publikums kreisen lässt.

Eine ganz neue Art der Magie präsentiert schließlich die Sandmalerin Lina Li, die mit ein paar raschen Handbewegungen zarte Porträts und Stadtpanoramen auf einer Tischplatte entstehen lässt – um sie im nächsten Moment wieder zu verwischen. Das Ganze wird mit Overhead-Projektor an die Wand projiziert, so dass die Zuschauer jede Handbewegung verfolgen können. Wie war das noch mit dem „Hauch der Vergänglichkeit“? Ziemlich kitschig aber auch „schööööööön“, wie Clown Grock sagen würde.

Das ist Hamburg!
10. Spielzeit im Hansa-Theater, Steindamm 17, 20099 Hamburg,
zu erlebven bis 25.2.2018,
Tickets unter (040) 4711 0644
Weitere Informationen


Abbildungsnachweis: Fotos: © Stefan Malzkorn
Header: Konstantin Muraview. Foto: © Stefan Malzkorn
Galerie:
01. Hansa-Theater Saal. Die prächtige Ausstattung des Theatersaals ist seit 1953 unverändert. Foto: Oliver Fantitsch
02. Frank Rossi
03. David Burlet
04. Simeon Krachinov
05. Pellegrini Brothers
06. Marko Karvo.

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